19. Dezember 1969: Fünf Gebäude aus dem Baukasten

19.12.2019, 07:00 Uhr
19. Dezember 1969: Fünf Gebäude aus dem Baukasten

© Kammler

Für diesen bis auf den letzten Pfennig errechneten Betrag muß eine Firma die Schulen Langwasser III und IV, Eichstätter und Maiacher Straße sowie Maifeiplatz errichten – bis 1971, so sieht es der Vertragstext vor, denn: die „Planung der Planung“, wie das Hochbauamt das neue Baukastensystem nennt, bedeutet ein bestimmtes Programm, einen bestimmten Kostenaufwand und einen bestimmten Zeitpunkt.

Noch ehe der erste Spatenstich – März 1970 – erfolgt ist, kommt hohes Lob vom Stadtschulamt. „Hier ist ein sehr brauchbares System entwickelt worden, bei dem die neuartige Anordnung besticht. Vor allem sind die Klassen so gegliedert, daß sie sich nicht mehr gegenseitig stören. Bis auf lokale Bedürfnisse wird die Schulraumnot beseitigt“, betont Direktor Kurt Gemählich. Für den designierten Nachfolger von Baureferent Heinz Schmeißner, Oberbaudirektor Otto Peter Görl, ist die Beseitigung der Schulraumnot – die neuen Klassen reichen für über 3.000 Kinder – ein guter Startschuß für seinen neuen Wirkungsbereich. Das von ihm und seinen Mitarbeitern in „Teamwork“ entwickelte Baukastensystem ist nicht nur äußerst variabel in der Form und Größe der Schule, es läßt sich auch jeder städtebaulichen Gegebenheit optimal anpassen.

Pausenhalle läßt sich vergrößern.

Drei Grundelemente sind dem System eigen: die reinen Klassenzimmereinheiten, die sogenannten „Vierlinge“, lassen sich nach den Forderungen des Raumprogramms zu vier-, acht-, zwölf-, 16-, 20-, 24- und mehrklassigen Stammgebilden addieren beziehungsweise erweitern; die Turnhalle hat zweigeschossig angeordnete Nebenräume und eine zur Turnhalle hin geöffnete Empore; der erdgeschossige Allgemeinbereich ist verbindendes Element mit der Verwaltung, den Sonderklassen, den Verbindungsgängen und dem sogenannten Markt- und Pausenraum.

„Die Pausenhalle beziehungsweise der Markt ist je nach Größe der Schule wahlweise mit der kleinen Turnhalle und dem Mehrzweckraum durch eine bewegliche Wand zu einem Großraum zu erweitern. Er berücksichtigt die Funktion der Schule als einen Bereich des kindlichen und jugendlichen Gemeinschaftslebens und kann der Erwachsenenbildung sowie dem kulturellen und sportlichen Leben in der Gemeinde dienen“, erläuterte Oberbaudirektor Görl.

Obwohl das Hochbauamt bei der Planung der vom Schulbauinstitut der Länder empfohlenen „Modularordnung“ – sie ist Voraussetzung für die Rationalisierung im Schulbau und wurde inzwischen in den Schulbaurichtlinien verschiedener Bundesländer wie Bayern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz aufgenommen – folgte, liefen viele Architekten dagegen Sturm. Sie glaubten sich wie Görl ausführte, in „Handlanger-Rollen“ gedrängt.

Fest steht auf jeden Fall, daß das Baukastensystem für ein „völlig neuartiges Vertragsverhältnis“ zwischen der Stadt als Bauherrn und der bauausführenden Firma sorgt. Die Stadt vergibt den Gesamtauftrag, die Firma muß mit dem zur Verfügung stehenden Geld auskommen. Otto Peter Görl braucht also, wenn er Baureferent ist, nicht zu befürchten, daß er den Stadtrat um die Bewilligung von Mehrkosten bitten muß.

Noch kein Beweis

„Die Unsicherheitsfaktoren bei der konventionellen Bauweise sind ausgeschlossen“, freut sich denn auch der Oberbaudirektor. Dabei vermag er heute noch nicht zu beweisen, daß das Baukastensystem billiger ist. Immerhin wurden die 20 Millionen Mark, die die fünf Schulhäuser kosten, nach den im Frühjahr dieses Jahres von Baden-Württemberg ausgearbeiteten Kostenrichtwerten errechnet…

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