31. Dezember 1969: Wohin mit dem alten Christbaum?

31.12.2019, 10:33 Uhr
31. Dezember 1969: Wohin mit dem alten Christbaum?

© NN

90.000 Tannen, Föhren und Fichten – so viel wurden nach Schätzungen des städtischen Marktamtes diesmal in Nürnberg verkauft – wollen erst einmal ohne viel Aufhebens beseitigt sein, wenn daheim die Öl-, Gas- oder Elektroheizung Wärme spendet.

Böse Menschen machen es sich einfach. Sie stellen die ausgediente Zimmerzier kurzerhand in Nachbars Garten. Es gibt sogar Weihnachtsbäume, die auf diese Weise immer weiterwandern. Ordnungsliebende Menschen haben es schwerer. Es sei denn, in zumutbarer Entfernung ist noch ein guter alter Kohlenofen in Betrieb.

„Den schenk‘ ich meiner Nachbarin, die schürt ihn ein. Gott sei Dank gibt‘s noch ein paar Leut, die mit Kohlen heizen. Sonst wüßt‘ mer ja net wohin mit dem Ding“, preist sich Wilfried H. glücklich, nimmt ein Beil und hackt den Baum in transportable Stücke. Zum Leidwesen des jüngsten Töchterchens freilich, in deren Augen die Tanne noch nichts von ihrem Glanz verloren hat.

Gut dran sind auch die Bewohner von Hochhäusern an der Äußeren Bayreuther Straße. Die abgetakelten Bäume werden im Hof deponiert und die Hausherrschaft läßt sie dann abfahren. Wenn das kein Kundendienst ist!

Daneben aber gibt es Nürnberger, die machen aus ihrer Fichte einen Futterplatz für hungernde Vögel. Sie stellen sie auf den Balkon und hängen Meisenringe dran. Und ein Tierfreund in Ochenbruck deponiert seinen Christbaum im Garten, weil er felsenfest davon überzeugt ist: die Amseln übernachten so gern im Geäst.

Ganz Schlaue aber unternehmen eine abenteuerliche Spazierfahrt in die ver-schneite Umgebung, das abgeleerte Nadelgehölz im Kofferraum ihres Autos. Sie nehmen dabei sogar in Kauf, daß sie hinterher das „Gepäckabteil“ ihrer Familienkutsche mit Schaufel und Besen saubermachen müssen. So sehr haben sie sich in den Kopf gesetzt, die Tanne wieder an ihren Geburtsort zurückzubringen – mitten in den Wald.

Dabei wären sie auf viel einfachere Weise ihren Christbaum losgeworden. Denn zumindest seit es in Nürnberg die Müllverbrennungsanlage gibt, kann von einem Problem nicht mehr die Rede sein. Das Stadtreinigungs- und Fuhramt nimmt Äste und Stämme mit, wenn sie in handlichen Portionen in die Mülltonnen gesteckt werden. Zusammen mit dem übrigen Hausmüll werden die Überbleibsel von den Weihnachtstagen in den „großen Ofen“ auf dem Pferdemarkt geschüttet, wo sie sich wegen ihrer guten Brennbarkeit sogar noch einer gewissen Wertschätzung erfreuen.

Ein junger Amberger, der heuer mit einem Christbaum-Abfuhrdienst Geld verdienen wollte, hat angesichts der Nürnberger Verhältnisse auch die Segel gestrichen. Er beherzigte den Rat, daß damit nichts zu holen sei und blieb zu Hause. Denn alles, was die Stadt verlangt, ist ein wenig sportliche Betätigung der Christbaumbesitzer. Schließlich kann es nicht schaden. wenn sich der Hausherr nach den zurückliegenden guten Tagen Bewegung verschafft und ganz im Stil gelernter kanadischer Holzfäller auf den Tannenbaum losgeht.

Verwandte Themen


1 Kommentar