7. Januar 1970: Abseits vom Spielfeld

7.1.2020, 07:00 Uhr
7. Januar 1970: Abseits vom Spielfeld

© Frey

Das wurde den beiden Fußballern, die mithelfen sollen, den 1. FC Nürnberg in die Bundesliga zurückzubringen, gleich in den ersten Stunden ihres Soldatenlebens klargemacht. Nüssing paßte nur eine Ausgehjacke mit Gefreitenstreifen. Sofort griff ein „Kammerbulle“ zum Messer. Ritsch-Ratsch – das Rangabzeichen fiel. Nüssing, der einfache Soldat. Des Stürmers Trost: „Die Jacke ist tailliert“, freute er sich.

Dabei ging für die Clubhoffnungen, die schon Bundesligaluft geschnuppert haben, alles recht zivil an. Modisch gekleidet wie die Jugend von 1969 passierten sie das Kasernentor. Nüssing durfte sogar sein Auto mit reinnehmen. Auch in der Kleiderkammer fühlten sie sich zunächst wie zu Hause oder wie nach einem großen Spiel im Stadion. Autogrammjäger umringten sie und ließen sich ihre Namen auf Schuhleisten schreiben. „Die kommen in die Werkstatt“, freute sich ein „Kollege“ über das Souvenir.

Doch dann lernten sie erstmals die strengen Vorschriften im Kasernenbereich kennen. Wir auch: der Kommandeur hatte zwar die Erlaubnis zum Fotografieren gegeben, aber die Kleiderkammer ist ja schließlich außermilitärisches „Hoheitsgebiet“. Die Verwaltung mußte zustimmen. Der Draht glühte. Nach bangem Warten kam endlich „grünes Licht“. Aber nur halb, Nüssing und Theis mußten ihre Zustimmung geben. Sie staunten, sind sie es doch gewohnt, immer und bei jeder Gelegenheit im Blitzlichtfeuer der Fotografen zu stehen.

Beide Kicker erlebten noch eine weitere Überraschung. „Hoffentlich schafft es der Kuno (Clubtrainer Klötzer), uns fürs Training Ioszueisen“, machten sie sich gerade noch selber Mut, da wurde Nüssings kurzgeschnittene Lockenpracht für zu lang befunden. Er, der Himmelstürmer, verstand die Welt nicht mehr. „Ich war doch gerade erst beim Friseur“, wagte er schüchtern einzuwenden. Der Kommentar eines Unteroffiziers war soldatisch kurz: „Die Tür aufgemacht!“

Als Theis und Nüssing ihrer Unterkunft zustreben, sehen sie wie ihre Kameraden aus: uniformiert. Rekrutenlos 1969? Rekrutenlos schon 1900 … Einen Trost haben Theis und Nüssing. Ihr Mannschaftskapitän Horst Leupold ist Obergefreiter der Reserve, und auch Ewald Schäffner (Club) und Ebenhöh (SpVgg Fürth) tragen in Schweinau den grauen Soldatenrock. In Kompaniechef Ulrich Tauber und Kompaniespieß Hauptfeldwebel Wolfgang Müller haben sie zwei sportfreudige Vorgesetzte.

Aber für die Fußballer ist die offizielle Verlautbarung derselben ernüchternd genug: „Für die Spieler wird es eine kleine Umstellung geben, da sie bis zur Beendigung der Grundausbildung nicht mehr am geregelten Training teilnehmen können. Die Bundeswehr wird aber trotzdem dafür sorgen, daß sie genügend in Bewegung gehalten werden, denn acht Stunden Sport stehen wöchentlich auf dem Dienstplan…“

Der Club und seine beiden Spieler müssen darauf ihre Hoffnung setzen. Der Verein, weil er seine Angestellten braucht, will er seinen günstigen Tabellenplatz in der Regionalliga Süd halten, Theis und Nüssing, weil die klingende Münze von ihrer Form abhängt.

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