8. Februar 1970: Ludwig Erhard weilte in Nürnberg

8.2.2020, 07:00 Uhr
8. Februar 1970: Ludwig Erhard weilte in Nürnberg

© Ulrich

Zwei Stunden lang feiert er das Wiedersehen mit alten Kameraden, die er 13 Jahre lang nicht gesehen hat und die er gestern anläßlich des 80. Geburtstages von Friedrich Auer in der Sandrartstraße besuchte.

Man traf sich lange Jahre nicht, also ist die Freude groß. Für die Hausfrau ist der Tag, an dem ein so prominenter Mann in ihren vier Wänden weilt, ein großes Ereignis. Der einstige „Volkskanzler“ fühlt sich indessen stark zum Volk hingezogen, wiewohl dessen Murren seiner politischen Karriere ein jähes Ende gesetzt hat: der Besuch sei ihm ein Bedürfnis, weil er einfach über die Jugendzeit sprechen und nicht Hochgestochenes von sich geben wolle.

8. Februar 1970: Ludwig Erhard weilte in Nürnberg

© Ulrich

Das konnte er haben. Die hervordrängenden Erinnerungen beginnen mit dem Einkleiden als Kanoniere des in der Kaserne Achtersfeld liegenden Artilierie-Jägerregiments: Erhard paßte damals der Papphelm nicht, aber ein Faustschlag des Kammerbullen korrigierte das. Zu dritt sitzen sie in der Runde: der Nürnberger Heinrich Rummel, mit Erhard vor 53 Jahren eingezogen, ist zum Mit-Erinnern gekommen.

Man denkt an die Kameraden, die zuerst die Feindeskugel traf, spricht von anderen (Kannst du dir noch den soundso denken? Ein künstlerisches Genie, a weng schlampert ...) und schmunzelt über einen Hauptmann, der prompt vom Pferd fiel, als ihm der Kanonier Erhard nachts leuchten sollte. „Wenn mich einer ‚Kanonier‘ rief, habe ich immer versucht, auf den Namen nicht zu hören“, meint der Besucher aus Bonn.

Man lacht über den Kanonier Erhard, der zum Flicken der Nachrichtenverbindungen immer auf die Bäume gejagt wurde, weil sein Begleiter jegliches Ansinnen auf Ablösung abschlug mit dem Bescheid, er habe den Krieg nicht gewollt, und denkt an die „schöne Stellung in den Vogesen“, wo mit dem Revolver Jagd auf reichlich vorhandene Ratten gemacht wurde.

Erhard selbst braucht auch die Arbeit, sagt er. Er muß von früh bis abends zu tun haben, sonst vergammelt er – und mit Gammlern hat er es ja noch nie sehr gehabt. Doch die „Uhus“ von einst stören ihn heute wenig, seit für ihn der Vorhang gefallen ist und er die Hektik der großen politischen Bühne mit dem beschaulicheren Leben des still gewordenen Abgeordneten Erhard getauscht hat. Natürlich: das Regierungsamt habe auch seine angenehmen Seiten gehabt, er habe immerhin viele Reisen machen und fast die ganze Welt sehen dürfen.

Die Reise nach Nürnberg hatte Ludwig Erhard aber noch aus einem zweiten Grund angetreten: als Vierter sollte er am Abend Träger der „Goldenes-Tanzmariechen“-Medaille werden. Im Quelle-Kasino dekorierte Tanzmariechen Karin Simon den Auserwählten und „Gelb-Rot Noris“-Präsident Bert Forsbach fügte noch eine fast 40 Zentimeter lange Riesenzigarre hinzu.

Bundesministererin Käte Strobel, ebenfalls Inhaberin dieses Ordens, erheiterte die 250 Gäste mit der Vorstellung, sie könne künftig auch in Bonn mit Erhard als Narrenbruder und Narrenschwester auftreten. Das sei eine echte Narretei.

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