10. Februar 1970: Fasching, nein danke!

10.2.2020, 07:00 Uhr
10. Februar 1970: Fasching, nein danke!

© NN

Um es vorwegzunehmen: es kam weder zu stürmischen Beifallskundgebungen noch zu Antidemonstrationen. Die Nürnberger sind wohl doch ein überwiegend liberales Volk.

Hingegen entsteht zwischen den Buden des Gewerbemuseumsplatzes beträchtliche Aufregung, wenn auch nicht unter den Erwachsenen; lediglich der Geldeinsammler vom „Calypso“ wirft einmal einen finsteren Blick über die Holzbrüstung. Dafür schwärmt das Jungvolk aus, doch bleiben alle Angriffe rein theoretischer Natur. Denn die Kinder sind konziliant, dem oben erwähnten Philosophen nicht unähnlich.

Den ersten Tiefschlag landet ein Rheinländer, und der geht gar bis zum fränkischen Patriotismus. Er liest das eine Schild und meint hämisch: „Ja, in Franken schon, wo‘s noch nicht einmal den Sprung zum Neandertaler geschafft haben.“ Wobei er jedoch auf solch wunderliche Weise auf der Straße herumtanzt, daß einem stillen Betrachter Zweifel überkommen, ob anderswo die Evolution überhaupt schon soweit gediehen ist.

Etwas ältere wiewohl kaum gereiftere Semester erinnern sich gegenseitig daran, daß sie zu ihrer Zeit wenigstens schon etwas gearbeitet hatten, und da sehe es man wieder, wie weit die Jugend mit ihrem Mao noch komme, und Haschisch und so. Solche Befürchtungen faßt ein alter Mann gewissermaßen unter einem universellen Aspekt zusammen: „Immer diese Kommunisten, in was sich die alles einmischen.“ Es gibt aber noch herzhaftere Ausdrücke, ohne politische Verbrämung.

Doch auch an Zustimmung fehlt es nicht, nur ist diese zumeist kürzer gehalten. wenngleich durchaus erfreut: „Recht so! Ganz richtig! Da könnt‘s in Nürnberg fast recht ham.“ Fachgerechte Ratschläge zur besseren Publikumswirksamkeit erteilt jedoch nur einer: eine langmähnige Gestalt, deren Kleiderlänge jeder des Hauptschmuckes adäquat ist.

Mit tiefschürfender Problematik sehen sich unversehens die Marktfrauen konfrontiert. Und nachdem sie die Anfangsstadien der Diskussion wie etwa das Vogel-Zeigen überwunden haben, halten sie wacker mit. Als auch Passanten eingreifen, wird der Hauptmarkt zur Stoa und Weisheit und Bosheit fließen kübelweise übers Kopfsteinpflaster. Erdhafter wird es wieder an der Mauthalle, wo jemand, der nicht mehr durstig sein kann, der Demonstrantin chevaleresk die Wange zum Kusse bietet. Aber die weiß diese Großzügigkeit nicht mehr zu schätzen.

Verwandte Themen


Keine Kommentare