11. Februar 1970: Raummangel wird katastrophal

11.2.2020, 07:00 Uhr
11. Februar 1970: Raummangel wird katastrophal

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Kulturreferent Dr. Hermann Glaser hat jetzt den Leiter der Abteilung Berufsbildende Schulen, Direktor Eduard Rudolf, mit der Ausarbeitung eines Gutachtens beauftragt. Das Ergebnis sind ein Katalog von dringend empfohlenen Sofortmaßnahmen und „10 Thesen zur zukünftigen Gestaltung des berufsbildenden Schulwesens“.

Berufsschulen führen hierzulande ein stiefmütterliches Dasein. Das mag neben anderen Gründen an einer gewissen Geringschätzung akademischer Kreise liegen, die das übersetzen eines Stückes aus dem Jugurthinischen Krieg für eine höherwertige geistige Leistung halten als die Konstruktion des Spindelkastens einer Drehbank oder das Aufstellen einer Bilanz. Vielfach wird die Berufsschule nur als eine Fortsetzung der Volksschule betrachtet. Die Wirklichkeit zeigte sich aber gerade bei der Einführung des 9. Schuljahres: der Strom aus den Volks- in die Berufsschulen blieb aus. Aus den Realschulen und Gymnasien füllten sich dagegen die Klassen immerhin auf rund 30 Prozent der normalen Stärke.

Die Verbindung von Abitur und Berufsabschluß ist für einen großen Teil der heute die Gymnasien besuchenden Schüler eine unaufschiebbare Notwendigkeit. Deshalb, so stellt Direktor Rudolf in einer seiner 10 Thesen zur zukünftigen Gestaltung des berufsbildenden Schulwesens fest, sei die Verbindung von Fachabitur und Berufsabschluß nicht nur eine wirtschaftspolitische Notwendigkeit, sondern aufgrund des großen technischen und wirtschaftlichen Interesses unserer Jugend unbedingt erforderlich. Praktische Nutzanwendung der These für Nürnberg wäre z. B.: die Umwandlung der Höheren Frauenfachschule bzw. der Ausbau der Handels- und Wirtschaftsaufbauschule zur Berufsoberschule.

In Nürnberg gibt es durchschnittlich 18.000 Berufsschüler pro Jahr. Die vielleicht wichtigste These, die das Schul- und Kulturreferat ausgearbeitet hat, empfiehlt, allen künftigen Neubauten die Vorstellungen der berufsbildenden Gesamtschulen zugrunde zu legen (darunter sind Schulzentren zu verstehen. die Berufs- und Berufsfachschüler, Fach- und Fachoberschüler, Berufsoberschüler und Studierende der Höheren Fachschulen eines be-stimmten Berufsfeldes aufnehmen).

In solchen Zentren können die Klassenzimmer, Werkstätten, Übungs- und Demonstrationsräume optimal genutzt werden.

Erst in einem berufsbildenden Zentrum mit ca. 10.000 bis 15.000 Schülern kann schließlich auch die elektronische Datenverarbeitung finanziell verantwortet werden. Man stelle sich vor: Zeugnisnoten werden von der Lehrkraft auf Lochkarten eingetragen, die Zeugnisse können maschinell ausgeworfen werden. Für den Laien fantastische Zukunftsmusik, für den Fachmann unaufschiebbare Notwendigkeit.

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