28. Februar 1970: Schorsch ist wieder auf den Beinen

28.2.2020, 07:00 Uhr
28. Februar 1970: Schorsch ist wieder auf den Beinen

© Bauer

Mit Appetitlosigkeit, Apathie und verdächtiger Flirtmüdigkeit hatte es im April vorigen Jahres angefangen. Prachtstück Schorsch verlor innerhalb weniger Wochen 30 Kilo seines vordem stattlichen Gewichts von 210 Pfund. Im Laufe des Sommers machte die mysteriöse Krankheit blutige Fortschritte: in rasendem Selbstzerstörungstrieb riß sich der Gorilla bis zu 30 Zentimeter lange Wunden in Arme und Beine, kaute und kratzte an seinen Händen herum, bis schließlich im August und November zwei Finger amputiert werden mußten.

Zeitweise standen die Chancen um Sein oder Nichtsein so schlecht, daß die Nürnberger sich schon schweren Herzens damit abzufinden begannen, ohne ihren Schorsch weiterzuleben. Doch dank der aufopfernden Pflege durch Tierärzte und Wärter genas das Tier, das jetzt wegen der Operation sogar noch höheren Seltenheitswert besitzt: die Tiergartenleitung versicherte, ihr sei kein weiterer Fall bekannt, in dem die Amputation an einem ausgewachsenen Menschenaffen komplikationslos verheilt wäre.

125 Narkosen, 20 Kilometer Verbandmaterial, 46 Kilo Watte, 5460 Stück Beruhigungstabletten, unbezahlbare Mengen an Geduld und Fürsorge trugen schließlich den Sieg im Kampf um Schorschs Leben davon. Strotzend vor Gesundheit und stolze 135 Kilo schwer, präsentiert sich der Zögling, der 1963 als Vierjähriger in Nürnberg Einzug hielt, wieder seinen Bewunderern dies- und jenseits des eisernen Gitters.

Seinen beiden Frauen obliegt es jetzt, das Genesungswerk zu vollenden. Mit noch schüchternen Annäherungsversuchen und eindrucksvollem Imponiergehabe wollen die achtjährigen Gorilladamen Diane und Delphi ihrem Gemahl zur Zeit klarmachen, daß er so einiges nachzuholen hat. Aber Schorsch mag noch nicht.

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