Müllerhandwerk auf fünf Stockwerken: Zu Besuch bei Peter Gollisch

16.12.2020, 12:40 Uhr
Müllerhandwerk auf fünf Stockwerken: Zu Besuch bei Peter Gollisch

© Gesa Prophet

Peter Gollisch muss seine Stimme erheben, um sich mit den Mitarbeitern zu verständigen. Seit drei Generationen befindet sich die Mühle im Besitz seiner Familie. „Der Beruf ist sehr anspruchsvoll. Es ist wichtig, sehr gute technische Fertigkeiten zu haben und über biologische und chemische Vorgänge im Getreidekorn Bescheid zu wissen“, sagt Peter Gollisch. Der gelernte Müllermeister ist inzwischen vor allem für Organisatorisches zuständig. Seit einigen Jahren übernimmt Friedrich Ammon die typischen Aufgaben in der Mühle. Maschinen warten, Produktqualität prüfen und Mehl liefern zählen dazu.

„Es ist eine Kombination aus Natur und Technik“, erklärt Josef Rampl. Er ist Geschäftsführer des Bayerischen Müllerbunds. Für ihn ist es „der schönste Beruf der Welt“. Dabei sieht er Tradition und Regionalität als zentrale Werte. In ganz Deutschland gibt es teilweise noch jahrhundertealte Betriebe. „Wir haben die gleichen Maschinen wie vor 100 Jahren. Die Kornverarbeitung läuft heute wie damals, da hat sich nicht viel verändert“, sagt Rampl. Dennoch hat sich die Zahl der vermahlenden Betriebe im Laufe der Zeit stark reduziert. Vor 70 Jahren gab es fast 20.000 Mühlen in ganz Deutschland, heute sind es gerade mal 700. Josef Rampl hat eine Erklärung für den enormen Schwund: „Es gibt jetzt weniger, aber dafür größere Betriebe mit mehr Verarbeitungsleistung. Sie sind spezialisierter als früher mit gut ausgebildeten Fachkräften.“ Er macht sich keine Sorgen um den Beruf, der heute „Verfahrenstechnologe in der Mühlen- und Getreidewirtschaft“ heißt. Für kleinere Betriebe wie die Steinbacher Mühle ist die Zukunft dennoch unsicher.

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Fünf Stockwerke Müllerhandwerk: Die Steinbacher Mühle

Idyllisch und ruhig liegt sie an der Rezat, die Steinbacher Mühle. Doch kommt man in die Produktionsräume, ist es laut und staubig. Über fünf Stockwerke wird hier, ganz in der Nähe von Ansbach, Getreide zu Mehl verarbeitet.

Friedrich Ammon ist selten außer Atem, was vielleicht daran liegt, dass er selbst die alten Holzstufen in der Mühle am häufigsten hinaufsteigt. Er ist von oben bis unten mit Mehl eingestaubt. „Als ich die Ausbildung gemacht hab‘, hieß das noch Müller“, sagt er grinsend. Mittlerweile ist die offizielle Bezeichnung für seinen Beruf „Verfahrenstechnologe für Mühlen- und Futtermittelwirtschaft“. Doch die Herausforderung in einer kleinen Mühle bleibt die gleiche. „Jedes Jahr mit dem neuen Getreide, was bei der Ernte reinkommt, wieder Mehl mit gleicher Qualität zu machen“, sagt er. „Weil wenn der Bäcker anruft und sich über das Mehl beschwert, dann ist das ganz schrecklich für uns Müller.“ Das Getreide durchläuft 15 Mahlvorgänge, bis das Mehl fertig ist. Heute wird Roggenmehl hergestellt. Bei jeder Mahlstufe überprüft Müllermeister Friedrich Ammon die Qualität des Produkts.

Im Jahr werden hier 2 000 Tonnen Getreide vermahlen - das ist relativ wenig. Der bundesweite Durchschnitt pro Mühle liegt bei 43 400 Tonnen.* Die kleinen Betriebe sind aber selten geworden, denn die Branche befindet sich schon längst im Wandel. Im Jahr 1950 gab es noch 19 000 Mühlen in ganz Deutschland. Heute sind es noch 550. Peter Gollisch leitet gemeinsam mit seiner Frau Angela Gollisch die Steinbacher Mühle. Laut ihm sind vor allem die vielen Auflagen und Richtlinien problematisch für kleinere Betriebe. „Wenn ich dann 100 000 Euro investieren muss, ist das für kleine Mühlen ein Haufen Holz. Und dann fällt oft die Entscheidung, das nicht mehr zu machen.“ Doch sein Familiengeschäft ist in einer guten Lage: Durch den Agrarhandel, den sie zusätzlich betreiben, sind sie abgesichert. Der Betrieb kauft über 10 000 Tonnen Getreide an. Nur das qualitativ hochwertigste wird zu Mehl verarbeitet. Der Rest wird weiterverkauft.

Auch wenn sie noch so idyllisch an der fränkischen Rezat gebaut wurde: Die Lage der Steinbacher Mühle ist heute kein Vorteil mehr. Während früher die Wasserkraft für den Betrieb ausreichte, macht sie heute den kleinsten Teil der Antriebskraft der Mühle aus. Zudem ist das Gewässer regelmäßig ein Nachteil, wenn es zu Hochwasser kommt. „Heute wären wir froh, wären wir irgendwo höher gelegen“, sagt Peter Gollisch. Doch man sieht ihm an, dass er seine Mühle in Steinbach um keinen Preis eintauschen würde.

(*Quelle: Verband deutscher Mühlen)

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