24. Oktober 1970: Für mehr Bildung der Frau

24.10.2020, 08:14 Uhr
24. Oktober 1970: Für mehr Bildung der Frau

© N. N.

Gleichberechtigung – gleiche Bildungschancen. Diese Forderung zog sich wie ein roter Faden durch die Arbeitskreise und Referate. In der Bildung also sehen die Frauen den besten Weg, endlich gerecht in die Gesellschaft integriert zu werden. Schließlich meinte sogar eine der erfolgreichsten Frauen, Bundesministerin Käte Strobel, bei dem Kongreß, daß die Frauen in Ämtern und Parlamenten nur in "unbefriedigender Zahl" vertreten sind. Nicht nur gestandene Männer in der SPD, wie etwa Staatssekretär Dr. Klaus von Dohnanyi oder Bundesjustizminister Gerhard Jahn, kommen zu Wort und beweisen, daß es sich in der Meistersingerhalle keineswegs um ein "Bundeskaffeekränzchen" handelt.

87 Anträge – einer davon zum Vietnamkrieg – lagen vor und versprachen harte Diskussionen. Und nur einmal ließ die Vorsitzende des Bundesfrauenausschusses, Annemarie Renger durch den Wortschwall sachlicher Darlegungen ein typisch weibliches Argument durchklingen, als sie sagte. Ziel des Kongresses sei auch, "daß wir nicht übersehen werden". Und dabei schien sie leicht zu erröten. In die Sachfragen der Tagung teilten sich drei Referenten, die alle gestern zu Wort kamen. Erster Redner war Dr. Arno F. Kosmale, Abteilungsleiter im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit. Er nahm die Erziehung in der frühen Kindheit unter die Lupe. In der ersten seiner zehn Thesen entwickelte Dr. Kosmale den Standpunkt, daß die Erziehung – oder der Prozeß der Sozialisation – nicht erst in der Schule oder im Kindergarten, sondern in den ersten Lebensmonaten in der Familie beginne. Hier seien Fehler und Versäumnisse weitgehend irreparabel. Die Folgen: Fehlverhalten, Integrationsschwierigkeiten, Fürsorgeerziehung und Straffälligkeit. Die kritische Analyse heutiger Familienwirklichkeit rechtfertige das Wort vom strukturellen Erziehungsdefizit der Familie. Dies Defizit könne durch Kindergärten und Kindertagesstätten nicht ausgeglichen werden.

Nach Auffassung von Dr. Kosmale fehlen im pädagogischen Raum "vor Eintritt in die Schule" geeignete Einrichtungen und Maßnahmen zur Stärkung der Erziehungsfähigkeit der Familie. Gleichzeitig forderte der Referent mehr Mitwirkungs- und Entscheidungsrecht der Eltern auch im Elementar- und im Schulbereich. Käte Lorenz, Rektorin aus Berlin, maß der Vorschulerziehung schicksalsentscheidende Bedeutung bei und nahm die SPD ins Gebet, diese Ansprüche des unmündigen Kindes aktiv zu erfüllen. Die Vorschulerziehung müsse die benachteiligten Kinder so früh wie möglich erfassen und ihnen zu einem Ausgleich ihrer Begabungsdefizite verhelfen, die bei vielen Kindern mit großer Sicherheit auf ihre an Lernanregungen arme Umwelt zurückzuführen seien. Die Gesellschaft habe die Verpflichtung, den unterprivilegierten Kindern zu helfen, indem sie eine Chancengleichh herbeiführe.

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