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14. Juni 1971: Größter Geldraub nach dem Krieg

14.6.2021, 07:00 Uhr
14. Juni 1971: Größter Geldraub nach dem Krieg

© Polit

Vor den Augen der Polizei – das Revier 4 in der Pfannenschmiedsgasse liegt nur knapp 50 Meter vom Tatort entfernt – erbeuteten Unbekannte aus einem verschlossenen Panzerwagen der Nürnberger Wach- und Schließgesellschaft annähernd eine halbe Million Mark, die gesamte Tageseinnahme des Kaufhauses Hertie.

Schon seit Jahren führt die Wach- und Schließgesellschaft im Auftrag von Banken für Geschäfte und Kaufhäuser Geldtransporte durch, so auch am Samstag: Millionenbeträge hatten der Fahrer Friedrich S. (41) und sein Begleiter Wolfgang B., der an diesem Tag seinen 31. Geburtstag feierte, an jenem Vormittag bereits von Geschäften zu verschiedenen Banken gefahren. Beide Wachmänner waren bewaffnet und trugen Uniformen.

Gegen 13.30 Uhr holten sie in Begleitung eines Beauftragten der Bayerischen Vereinsbank als Aufsichtsperson im Kaufhaus Hertie die Tageseinnahmen ab. Das Geld wurde in elf eigens für diesen Zweck vorgesehenen verschließbaren Metallbomben der Bank und anschließend noch in einer breiten, braunen Ledertasche mit Metallverschlüssen verstaut. Gegen 13.35 Uhr erreichten die drei Männer mit dem Geld den an der Mauthalle bei der Ladeeinfahrt des Kaufhofs abgestellten Transportwagen, einen blauen VW-Kombi, der zum Teil gepanzert ist.

Im Innenraum des Fahrzeugs wurde die Tasche mit dem Geld deponiert. Nach Angaben der Wachmänner war darauf die Seitentür des Wagens ordnungsgemäß verschlossen werden, bevor sie zusammen mit dem Bankbeauftragten zur Firma Overbeck gingen, um auch dort Tageseinnahmen abzuholen. Während dieser Zeit blieb der Panzerwagen ohne jede Bewachung.

Fünf bis sieben Minuten später kehrten sie zurück zum Fahrzeug, dessen Türen verschlossen waren. Aber das Geld des Kaufhauses Hertie war verschwunden. Sofort wurde das nahe Polizeirevier 4 von dem Diebstahl verständigt und von dort aus die erste Fahndung eingeleitet. Alle verfügbaren Streifenwagen beteiligten sich an der Suche nach den Tätern.

Passanten sowie Angestellte des Kaufhofs meldeten sich, die längere Zeit einen Fürther Kombiwagen in der Nähe des Geldtransporters beobachtet haben wollten, in dem sich angeblich zwei Männer sehr auffällig benommen hatten. Das verdächtige Fahrzeug wurde wenig später gefunden. Der Besitzer schied allerdings als Täter aus.

Ein anderer Hinweis führte die Polizei in die Gegend Ottostraße, Leonhardsgasse, Frauentormauer. Das ganze Gebiet wurde hermetisch abgeriegelt. Zahlreiche Polizeibeamte durchsuchten alle angrenzenden Häuser und Gaststätten. Von den Gelddieben aber fanden sie keine Spur.

Weitere Nachforschungen der Kriminalpolizei richteten sich gegen ehemalige Angehörige der Wach- und Schließgesellschaft. Aber auch hier fand sich kein Anhaltspunkt auf die Diebe, die die Tat offensichtlich von langer Hand vorbereitet hatten.

Heinz S. (52), Leiter der Abteilung Geldtransporte bei der Wach- und Schließgesellschaft, hielt es für ausgeschlossen, daß einer seiner derzeitigen Mitarbeiter mit den Tätern unter einer Decke stecken könnte. Wie die Unbekannten an den Nachschlüssel kommen konnten, ist für Heinz S. nach wie vor ein Rätsel.

Für den gepanzerten VW-Kombi existieren nur zwei Schlüssel. Einen besitzt er selbst, den zweiten führt der Fahrer des Geldtransporters, Friedrich S., ständig mit sich. „Die Täter können in der Herstellerfirma des Spezialschlosses ebenso wie in der Münchner Herstellerfirma des Panzerwagens sitzen.“

Dabei hatten die Diebe noch Glück. Heinz S. erklärte uns, daß der VW-Kombi sowieso schon auf der „Abschußliste“ steht. Bisher besitzt die Wach- und Schließgesellschaft noch einen zweiten Panzerwagen vom Typ Ford, der elektromechanisch gesichert und von außen gar nicht zu öffnen ist. Um in das Innere des gepanzerten Laderaumes zu gelangen, müssen zwei Wachmänner gleichzeitig vom Führerhaus aus voneinander unabhängig zwei Knöpfe drücken. Erst dann öffnet sich die Tür.

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