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1. November 1971: Wunschkonzert für Hirn und Zwerchfell

1.11.2021, 07:00 Uhr
1. November 1971: Wunschkonzert für Hirn und Zwerchfell

© Fischer

Die Broschüre ist ein popiges Poesiealbum: Zwischen Zeitungsausschnitten, Absagen verschiedener Verlage an den Autor, Kritzeleien und Parodien auf Anzeigen liegen die Texte verstreut – Texte, die Hirn und Zwerchfell gleichermaßen kitzeln. Wie in einem Wunschkonzert vereinen sich Volkstümliches, Hits und Evergreens. Der wachen Aufmerksamkeit Fitzgerald Kusz entgeht nichts. Doch er verbeißt sich nicht in die Kritik, sondern läßt die Kritik selber beißen. Kusz entlarvt durch Lachen.

In TV-Serien und Comic-Strips zeigt er den alltäglichen Faschismus: "Fein, denkt Tarzan, fein, daß die commies (Kommunisten) in meinem Urwald auf keinen grünen Zweig kommen." Die Pop-Sendungen der Rundfunkanstalten entpuppen sich in seinen Texten als eine Wiederauflage der abgeschmackten "Erbschleichersendungen" im Nachmittagsprogramm für alte Leute: "Petra grüßt den netten schwarzhaarigen Jungen, den sie vor acht Tagen auf einer Party kennengelernt hat. Bitzi, Gisi und Babsi grüßen die Klasse 10a des Theodor-Heuss-Gymnasiums in Donauwörth."

Das gesellschaftliche Engagement des Textmachers entzündet sich nicht an Ideologien, sondern an Realitäten. In einem längeren Gedicht über die tagtäglich in der Regenbogenpresse vorgestellte Traumwelt mediterraner Bonzenniederlassungen resümiert Kusz: "Die Leute dürfen weiterhin in Traumhäusern leben, weil wir unsere Träume aufgegeben haben. Aber wir dürfen weiter träumen. Wenn wir einmal zu träumen aufhören und anfangen zu denken, dann ist für Leute, von denen wir träumen, der Traum aus."

So massiv wird Kusz eigentlich selten. Sonst wählt er gerne die Form von aneinandergereihten Zitaten, so daß seine Gedichte zu Dokumentationen werden. Am originellsten und kraftvollsten sind seine fränkischen Mundartgedichte, hinter deren holden Einfalt eine stille, bedrohliche Größe lauert: "Erziehung I": Iich sochders im Goudn / halt blouß dai Maul / sunst däschloochi di nu.

Die Versuche Fitzgerald Kusz‘ auf dem Gebiet der Dialektdichtung können dieses auf vielen Heimatabenden dahingeseidelte Genre aus seiner exotisch-folkloristischen Abkapselung als wichtiges Ausdrucksmittel wiederbeleben.

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