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12. Januar 1972: Schlechte Wirtschaftslage - Zwei große Projekte gestorben

12.1.2022, 06:41 Uhr
12. Januar 1972: Schlechte Wirtschaftslage - Zwei große Projekte gestorben

© N.N:

Als erstes wurde der Plan, mit einem Aufwand von mehreren hundert Millionen Mark ein Elektro-Stahlwerk mit angegliedertem Walzwerk zu errichten, zurückgezogen. Begründung: angesichts der Konjunkturlage sei die Investition nicht durchführbar. Kurz vor Weihnachten folgte der zweite Schlag: die Nürnberger Schrottag, eine Tochter der Maxhütte, stieg vorzeitig aus dem Vorvertrag aus: sie sei an dem Bau einer (mit sechs bis acht Millionen Mark veranschlagten) Shredder-Anlage nicht mehr interessiert (Shredder nennt man große Hammermühlen, die Autowracks in wenigen Sekunden reißwolfartig zu kleinen Stücken zerfetzen).

Hafendirektor Walter Lechner: "Damit war mir das Weihnachtsfest gründlich verdorben." Beide Projekte, sollten sie unwiderruflich aufgegeben sein, bedeuten für die Stadt einen herben Verlust. Das Stahlwerk als das größere Vorhaben hätte natürlich durch die damit verbundenen immensen Investitionen für eine Belebung gesorgt und zudem eine Bereicherung der wirtschaftlichen Landschaft bewirkt. Wichtig wäre der Stadt vor allem dabei gewesen, durch das angegliederte Walzwerk das Nordufer des Wöhrder Sees von einem in Wohnbebauung eingebetteten Industriebetrieb befreien zu können: die Eisenwerk Nürnberg AG, eine Gute-Hoffnungs-Hütte-Tochter, wäre dann zum Hafen umgesiedelt. Eine Bereinigung, die ohne das Projekt am Hafen schwerlich erreichbar sein wird.

Dr. Doni hofft noch

Doch Wirtschaftsreferent Dr. Wilhelm Doni hat die Hoffnung nicht aufgegeben. Die Metallindustrie gebärde sich nun mal sehr konjunkturbezogen. Wenn, wie derzeit, zehn- bis 15-prozentige Rückgänge verzeichnet würden, dann sei die Reaktion eben die, daß alle Investitionen gestoppt werden. "Das kann im nächsten Jahr schon wieder ganz anders sein – und mit besserem Geschäftsgang wird hoffentlich auch die Kombination Stahlwerk/Walzwerk aus der Schublade hervorgeholt", gibt Doni noch nicht auf. Er weiß, daß gerade auf diesem Sektor oft zehnmal vergebens verhandelt werden muß, um beim elftenmal erfolgreich zu sein. Und der Vorvertrag läuft ja auch erst mit dem Jahr 1973 ab.

Das gilt auch für die Shredder-Anlage: der Rückzug von dem Projekt ändert nichts an der bis Ende 1973 befristeten Laufzeit. Und hier fällt es den Verhandlungspartnern Hafendirektor Lechner und Wirtschaftsreferent Doni leichter, optimistisch zu sein: ein Shredder braucht nur eine verhältnismäßig kleine Fläche, die am Hafen viel leichter freigehalten werden kann, als die für das Stahlwerk reservierten 22 Hektar. Letztere sind sicher für diesen Zweck das günstigste Gelände in ganz Nordbayern – aber wenn sich kein Projektträger findet, wird es für kleinere Industriebetriebe aufgeteilt werden müssen.

Die Leistung fördern

Die Schrottag ist übrigens nach wie vor am Shredder interessiert, aber für sie wird es offenbar billiger, wenn sie die bestehende Anlage an der Ostendstraße leistungsfähiger macht, so daß sie täglich etwa 200 Autowracks zerhacken kann. Dies jedenfalls ist jetzt der Plan der Firma. Schrottag-Direktor Hans Gruhle mochte nicht deutlicher werden: möglicherweise steige am Hafen eine andere Firma ein. So ideal, wie das Hafengelände als Standort für das Stahlwerk wäre, ist es für einen solchen Super-Reißwolf. Entlang des Rhein-Main-Donau-Kanals könnten dann, so meint Doni, Sammelstellen für Autowracks gebildet werden, von denen diese Überbleibsel der Zivilisation regelmäßig nach Nürnberg gebracht würden. Der Einzugsbereich könnte, begünstigt durch den Transport zu Wasser, enorm groß sein.

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