Der Metzger schmeißt die Party

3.1.2012, 08:00 Uhr
Der Metzger  schmeißt die Party

© Roland Fengler

Doch sie haben Strategien entwickelt, um den Discountern zu trotzen. Sie haben sich 2011 behaupten können und werden es auch 2012 schaffen – mit Service und Kreativität.

Die Treuen kommen immer. Sie brauchen keinen Lebensmittelskandal, um sich darauf zu besinnen, was sie essen. Sie müssen nicht erst Filme über Massentierhaltung sehen, um sich Gedanken über die Herkunft ihrer Salami zu machen. Die Metzger, die sich gegen Aldi, Lidl und Norma behaupten können, leben von ihren Stammkunden. Sie bieten Produkte aus der Region und viel mehr nur als Aufschnitt und klassischen Braten.

Wer als Metzger überleben möchte, muss sich etwas einfallen lassen. Vielen ist etwas eingefallen: Sie kochen mittags für die Menschen aus den Büros in der Nachbarschaft, sie liefern Platten für Firmenjubiläen und Familienfeiern, sie verleihen Geschirr und richten komplette Partys aus. Statt wie früher mit Wurst und Gurken belegte Brötchen werden bei Bedarf ganze Menüs aufgefahren.

In den 1950er Jahren gab es 550 Metzgereibetriebe in Nürnberg und Umgebung. Mittlerweile, sagt Manfred Seitz, der Obermeister der Fleischerinnung, seien es noch 65.

Er selbst ist Chef der Metzgerei Speckner in der Fürther Straße. Schon vor 20 Jahren startete der Betrieb einen Partyservice. Von Lachscremesuppe über Roll- oder Mexikobraten bis zur Mousse au Chocolat – die Auswahl ist beachtlich.

In Seitz’ Laden an der Fürther Straße 196 herrscht besonders zwischen 12 und 13 Uhr Hochbetrieb, denn dann gibt es Mittagstisch. Bratwürste mit Kraut, Spaghetti Bolognese oder Fischfilet. Wer möchte, kann sich den Menüplan für die ganze Woche im Internet ansehen. Ein warmer Imbiss wird nicht mehr wie früher bis 13 Uhr angeboten, sondern den ganzen Tag über. „Die Menschen haben andere Bedürfnisse und andere Arbeitszeiten. Darauf müssen wir uns einstellen“, sagt Seitz. „Die Zeiten ändern sich. Man muss flexibel sein.“ Der Strukturwandel habe den Handwerksbetrieben sehr zugesetzt.

Die Discounter ziehen viel Kundschaft ab. Jedes Mal, wenn ein Lebensmittelskandal auffliege, kämen zwar neue Kunden in die Fachgeschäfte. Doch viele von ihnen seien auch schnell wieder weg. „Das Gedächtnis ist in dieser Frage eher kurz.“

Die Umsatzentwicklung des Metzgerhandwerks habe sich im ersten Halbjahr 2011 erfreulich gut entwickelt, sagt Gero Jentzsch, der Pressesprecher des Deutschen Fleischerverbands mit Sitz in Frankfurt, der 17000 Fachgeschäfte vertritt. „Doch leider sieht es auf der Ertragsseite nicht so gut aus. Die Kosten für Rohstoffe und vor allem für Energie sind sehr gestiegen, so dass am Ende nicht viel übrig bleibt.“

Das Thema Energieeffizienz werde für das Fleischerhandwerk künftig ein großes Thema sein, fügt er hinzu. „Da ist viel Sparpotenzial vorhanden.“ Dass die deutschen Fleischer neue Geschäftsfelder entdecken, sei schon seit längerem zu beobachten. „Manche beliefern Kindergärten und Schulen. Andere haben einen mobilen Verkauf eingeführt, gerade in den ländlichen Gebieten, wo es keine gute Infrastruktur mehr gibt.“

Die steigenden Kosten für Energie und Rohstoffe treffen alle. Auch die Familie Volkert in Katzwang. Aber sie hat noch ein Problem: Wenn Verkehrsführungen in der Stadt verändert werden, geraten viele kleine Geschäfte ins Abseits. Auch um die Metzgerei Volkert herum ist das Leben weitergezogen und hat die Laufkundschaft mitgenommen.

Als Fritz Volkert im Dezember 1932 seine Metzgerei eröffnete, lag sie an einer Hauptstraße, der Rathausstraße 15 in Katzwang. „Hier war einmal das Zentrum“, sagt Gerda Volkert, die heutige Senior-Chefin. „Es gab einen Milchladen, einen Friseur, eine Bäckerei.“ Alle sind weg, die Volkerts geblieben, ihre Adresse lautet seit der Eingemeindung Katzwangs nach Nürnberg im Jahr 1972 Hans-Traut-Straße 15.

Der Verkehr fließt die neue Hauptstraße entlang. Dort, an einem Zaun, haben die Volkerts ein Schild angebracht, das den Weg zu ihrem Laden weist. Sie sind nicht verschwunden, auch wenn sie, wie Gerda Volkert sagt, von Supermärkten umzingelt sind. Immerhin liegt das Bürgeramt Süd gleich gegenüber, wo Menschen arbeiten oder etwas erledigen müssen, die auch mal vespern wollen. Und freilich leben auch die Volkerts von ihren Stammkunden, etwa 80 Prozent sind es, 20 Prozent von ihnen gehören zu den ganz treuen, die regelmäßig ihren festen Einkaufstag haben und eigentlich immer das Gleiche möchten. Sie sind berechenbar. So wie es früher üblich war.

Der Metzger  schmeißt die Party

© Roland Fengler

Die jungen Leute kommen nicht so regelmäßig. Ihnen fehlt schlichtweg die Zeit, wegen Wurst oder Fleisch Umwege zu fahren. Dafür hat Martin Volkert Verständnis.

Schon früh haben die Volkerts mit einem Plattenservice angefangen, für den sie viele Preise bekommen haben. Martin Volkert, der den Laden seit 1989 gemeinsam mit seiner Frau Beate führt, ist bei der Stammkundschaft für seine Kreativität berühmt. Im Sommer bietet er nicht nur Klassiker für den Grill, sondern auch Ausgefallenes – Bärlauch-Taschen zum Beispiel. Und im Winter Spanferkel oder gemusterte Wurst für die Weihnachtszeit. „Das macht viel Arbeit“, sagt Gerda Volkert.

„Aber die Kunden freuen sich darüber.“ Wenn Martin und Beate Volkert sich irgendwann zur Ruhe setzen, wird es ihren kleinen Laden nicht mehr geben. Ihre beiden Kinder haben sich für andere Berufe entschieden. Wenn sie ihren Eltern hätten folgen wollen, dann hätte sich die Familie einen Laden in einer besseren Lage suchen müssen. „Alles konzentriert sich auf Neukatzwang“, sagt Volkert. „Die Läden dort sind einfach besser erreichbar als wir.“

Ganz am anderen Ende der Stadt, in der Kilianstraße 55, befindet sich die Metzgerei Wurm, ebenfalls ein altes Familienunternehmen. 1945 ist es von der Metzgerin Klara Wurm gegründet worden, die damals im Paniersbunker begann, die Menschen dort mit Konserven zu versorgen. Ihr Enkel Johannes führt das Geschäft in der dritten Generation, 1993 hat er den Laden übernommen.

Der Renner in seinem Programm ist derzeit gegrillte Schweinekeule. Auch er bietet Mittagstisch und Catering an. Und er muss schmunzeln, wenn er an früher denkt. Wie wunderlich es sein Großvater fand, dass sein Vater irgendwann begann, Kartoffel- und Krautsalat anzubieten. „Bei meinem Opa gab es nichts außer Wurst und Fleisch.“

Wurst und Fleisch – wer so etwas im Supermarkt einkaufe, sagt Johannes Wurm, der werde getäuscht und für dumm verkauft. Für die Preise, die dort verlangt würden, sei Qualität nicht zu bekommen. Auch die Wurms leben vor allem von ihrer Stammkundschaft. Manche Kunden kämen schon seit 30 Jahren, erzählt der Chef. „Und deren Kinder kommen dann auch wieder zu uns.“ Das sei schön, man kenne sich, man rede miteinander. „Es ist ein bisschen wie beim Friseur.“

Mehr Informationen in unserer Rubrik Essen und Trinken!

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