Ehemalige US-Soldaten über ihre Zeit in Nürnberg

29.11.2010, 22:27 Uhr
Ehemalige US-Soldaten über ihre Zeit in Nürnberg

© Aus dem Buch

Aus dem Amerikaner wurde der Ami, wahlweise auch der Zupfer. Nämlich deshalb, weil er auf den Plantagen des Südens Baumwolle zupfte. Der Deutsche wiederum war der „Kraut“ mit dem besten Bier der Welt, das man aus dem „Beerstein“ trank, und dessen Sinn für „Gemutlichkait“ im Schunkeln und Absingen melancholischer Lieder (schon wieder: „Muss i denn“) bestand. Falls ihn nicht gerade die „German Angst“ überwältigte und er gegen den amerikanischen Freund und seine Raketen demonstrierte, mit denen dieser doch die roten Russen in Schach hielt. Verstehe einer die Krauts...

Deutschland ist seit 20 Jahren wiedervereint und seitdem ein wahrhaftig souveräner Staat. Die Amerikaner sind abgezogen, aber viele der 15 Millionen Soldaten und Zivilangestellten sind hier geblieben. Meist der Liebe wegen. Umgekehrt sind viele deutsche Frauen ihren Freunden in die Staaten gefolgt. Ein neuer Lebensanfang in einer fremden und doch auch vertrauten Welt – das ist der Stoff, aus dem man tolle Reportagen schreibt.

Nun liegt der Band „transit nürnberg #4“ vor. Auf 300 Seiten auf Deutsch und Englisch (also tatsächlichen 150 Seiten) berichten vier ehemalige US-Soldaten über ihre Zeit in Nürnberg in den Jahren 1959 bis 1972. Daneben schildern Zeitzeugen ihre Eindrücke vom Nürnberger Prozess, und schildert ein erwachsenes Besatzungskind die Suche nach seinem Vater.

Doch greifbarer und sinnlicher als die Lektüre sind die Erzählungen der einzelnen Autoren bei der Buchvorstellung im Komm-Kino. Der Amerikaner Tom Spahr, der 1972 in Nürnberg stationiert war, erinnert sich vor allem an den „Diesel-Smell“, den Geruch von Diesel, der in der Luft lag. Und an den Plattenladen bei der „Lorenz-Church“ (Lorenzkirche), wo er Platten von Stephen Stills und Buffalo Springfield für zehn Deutschmark erstand. Und an das Britische Rockfest in Germersheim, bei dem Pink Floyd, Uriah Heep und Buddy Miles auftraten. Ach, schöne Zeit...

Hilde Greens wilde Zeit liegt hingegen eine Generation weiter zurück: „Der Besitzer vom Musik-Club ,Pink Elephant‘ fragte die Eltern, ob sie nicht ihren Töchtern Ausgang in seinen Club gewährten, um die Moral der Truppe zu heben“, erzählt sie freimütig. „Ach war das herrlich, so viele Männer da. Bloß, beim Abschied kam immer dieselbe Frage: ,Wann sehen wir uns wieder? Vielleicht Saturday Night?‘ Und ich sagte: ,In der Nacht? No, no, no!‘ Bis mir jemand erklärte, dass Night nicht unbedingt Nacht, sondern auch Abend bedeutet.“

In dem Club lernte Hilde auch Glen kennen, ihren Mann fürs Leben. Und dann kam es, wie so oft: Glens Mutter wurde schwer krank, Hilde fühlte etwas Kleines unter ihrem Herzen, und die Army versetzte Glen schleunigst nach Hause. Aber Hilde gab nicht auf, sie folgte ihm nach. „Von 1948 bis 71 lebten wir zusammen in den USA“, erzählt Hilde Green, „aber dann wollte ich wieder nach Hause. Da sagte Glen: Wenn du gehst, dann gehe ich auch! Und so zogen wir beide nach Nürnberg, und Glen lernte Deutsch und bekam eine Stelle bei Siemens. Bloß, bei Siemens sagten die Leute: Glen, sprich Englisch mit uns, wir wollen unser Englisch verbessern.“

transit nürnberg #4 (ISBN 978-3-00-031503-9), 28 Euro, Verlag testimon, Postfach 119145, 90101 Nürnberg, Tel. 0162/7515840, info@testimon.de

 

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