Handball-Legende und Maskottchen

8.11.2010, 17:08 Uhr
Handball-Legende und Maskottchen


Am 19. Juni 1973 in Bukarest geboren, warf die elfjährige Corina „Cora“ Ciolacu 1984 die ersten Bälle für Progresul Bukarest ins Netz. „Eigentlich wollten sie mich gar nicht haben“, erinnert sich Schardt heute mit einem Schmunzeln an die Zeit, als rumänische Trainer auf der Suche nach Nachwuchstalenten in die Schulen ausschwärmten: „Es wurde nach groß gewachsenen Mädchen gesucht. Ich war ihnen eigentlich zu klein, bin aber trotzdem einfach zum Training gegangen“, so Schardt, die dem Handball-Gardemaß von 1,85 Metern nicht einmal nahekommt. Diese Art von Hartnäckigkeit gefiel, und Cora durfte ihr Glück immerhin auf der linken Außenbahn versuchen. Auf die Position des Spielmachers rückte sie erst später. „Es war schwer, sich durchzusetzen, aber ich war schnell und hatte ein gutes Auge.“

Rasch folgte die Berufung in die rumänische Nationalmannschaft, für die sie insgesamt 42 Länderspiele absolvierte. Ein erster Höhepunkt sollte die Weltmeisterschaft 1995 in Österreich und Ungarn sein, doch bereits nach 30 Sekunden des ersten Gruppenspiels riss Schardts Kreuzband. „Ich habe ein Jahr gebraucht, um wieder auf die Beine zu kommen“, so die 37-Jährige. Das rechte Knie sollte auch im Verlauf ihrer restlichen Laufbahn der wunde Punkt bleiben: Zahlreiche Verletzungen verhinderten den vielleicht ganz großen Durchbruch der Ballvirtuosin. „Meniskus, Knorpel, Kreuzband – alles war früher oder später einmal kaputt.“

Statt des ursprünglich geplanten Engagements bei Quelle Fürth, dass Schardts Mann in erster Ehe, Dieter Christenau, eingefädelt hatte, blieb sie zunächst in Rumänien und beendete ihr Studium als Diplom Sportlehrerin. 1998 heuerte sie schließlich beim FCN in der Landesliga an. „Quelle Fürth wollte mich nicht mehr haben, und so wollte ich es beim Club langsam angehen lassen“, erinnert sich die Mutter des dreijährigen Daniel, die heute in der Berufsschule Auszubildenden und Lehrlingen Beine macht.

Es folgte ein Sieg auf ganzer Linie: Unter Erfolgstrainer Herbert Müller gelang der Durchmarsch aus der fünfthöchsten Spielklasse bis in die Beletage, bis in die europäische Eliteliga. Sogar Ekke Hoffmann, Trainer der deutschen Nationalmannschaft, klopfte an ihre Tür. Bei der EM 2002 in Dänemark lief Schardt mit dem Adler auf dem Trikot auf. Es blieb allerdings bei vier Einsätzen, denn richtig wohl hatte sie sich in der sich im Umbruch befindenden Landesauswahl nicht gefühlt.

Einen besonderen Platz in ihrem Herzen hat allerdings ein Handball-Erlebnis mit dem 1.FC Nürnberg: „Das Double 2005 mit Meisterschaft und Pokal war mit Sicherheit der schönste Moment in meiner Karriere. Wir haben so sehr gegen alle Widerstände gekämpft, obwohl wir teilweise nichts zu essen hatten“, so Schardt zur Saison, in der die Spielerinnen teilweise sechs Monate auf ihre Gehälter warten mussten.

In den Spielen kämpfte die Spielmacherin auch in der Abwehr um jeden Zentimeter des Spielfeldes und zeigte erneut jenen unbedingten Willen, der sie zum absoluten Publikumsliebling machte: „Wenn ich ein Ziel habe, dann muss ich alles geben, um es zu erreichen. Das ist wie das Licht am Ende eines Tunnels, auf das man zugeht. Ich weiß nicht, ob ich von Natur aus so bin oder ob ich diese Denkweise dem Sport verdanke. Ich investiere immer einhundert Prozent.“

Eine Einstellung, die ankam. Die Fans lagen ihr Woche für Woche zu Füßen, benannten sogar das Maskottchen der Mannschaft nach ihr, und bereiteten ihr 2006 schließlich einen unvergesslichen Abschied vom Leistungssport. „Der Gedanke, mich als Legende verabschiedet zu haben, bereitet mir immer noch Gänsehaut“, so Schardt. „Es gab zu dieser Zeit eine sehr schöne und rührende Verbindung zwischen den Fans und der Mannschaft.“

Trotz der vielen Verletzungen blickt Cora Schardt zufrieden auf ihre Karriere zurück: „Eine Finalteilnahme in der Champions League wäre bestimmt noch etwas Besonderes gewesen. Aber eigentlich habe ich alles erreicht.“