Sollen Dürers Entwürfe im Rathaus rekonstruiert werden?

18.10.2012, 08:00 Uhr
Die Politik versuchte die Euphorie der Altstadtfreunde zu bremsen: (v.l.) Sebastian Brehm (CSU), Elke Leo (Grüne), Günther Moosberger (Moderator), Werner Schultheiß (Förderverein kulturhistorisches Museum) und Karl-Heinz Enderle (Altstadtfreunde). Nicht im Bild: Anja Prölß-Kammerer (SPD).

© Michael Matejka Die Politik versuchte die Euphorie der Altstadtfreunde zu bremsen: (v.l.) Sebastian Brehm (CSU), Elke Leo (Grüne), Günther Moosberger (Moderator), Werner Schultheiß (Förderverein kulturhistorisches Museum) und Karl-Heinz Enderle (Altstadtfreunde). Nicht im Bild: Anja Prölß-Kammerer (SPD).

Die Altstadtfreunde hatten zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, um Klarheit zu schaffen, wie es nach der Projektion von „Dürers Triumphzug“ im August mit dem alten Rathaussaal weitergeht. Gekommen waren Anja Prölß-Kammerer, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, Sebastian Brehm, Fraktionsvorsitzender von der CSU, Elke Leo, Vizefraktionschefin der Grünen, sowie Werner Schultheiß, Förderverein Kulturhistorisches Museum, und Karl-Heinz Enderle, Vorsitzender der Altstadtfreunde.

Wenngleich es keine eindeutige Antwort gab, ob die Entwürfe Dürers rekonstruiert werden sollen oder nicht, so diente die Veranstaltung doch der Klärung von Positionen. Prölß-Kammerer stellte für die SPD fest, dass die Forderung „Dürer zurück in den Rathaussaal!“ irreführend sei: „Es gibt nur eine Rekonstruktion der Rekonstruktion von Dürer.“ Prölß-Kammerer bezweifelte auch, dass die Basis für eine Rekonstruktion der 1521 entworfenen Wandmalereien ausreichend sei. Ihr Hinweis, dass die finanzielle Situation der Stadt angesichts der Investitionen in den Schul- und Kinderbereich eine Ausmalung des Rathaussaales eigentlich verbiete, kam bei den rund 150 Besuchern im Bildungszentrum als „Totschlagsargument“ nicht gut an.

Ein Besucher erinnerte daran, dass die Rekonstruktion der Entwürfe Dürers eine Investition in den Tourismus sei. Mit „Buhs“ wurde Prölß-Kammerers Hinweis quittiert, dass man für eine Wiederausmalung des Rathauses Dias verwenden müsse, die von denen aufgenommen wurden, die schuld an der Zerstörung des Rathaussaales seien. Gemeint waren Farbdias, die 1943 und 1945 vor der Zerstörung des Saales aufgenommen wurden, um ihn im Fall seiner Zerstörung wieder aufbauen zu können. Laut Prölß-Kammerer möchte die SPD den Saal so lassen, wie er ist: „Man kann die einstige Pracht erahnen.“

Laut Sebastian Brehm stand der alte Rathaussaal auf der Liste mit repräsentativen Bauwerken, die im Krieg zerstört wurden und die dann wieder aufgebaut werden sollten. Von dieser Festlegung habe sich die Stadt in den achtziger Jahren entfernt. 1989 hatte der damalige SPD-Fraktionschef Jürgen Fischer bei der Diskussion über eine Ausmalung des Rathaussaales von einer „Denkpause“ gesprochen. Seit 23 Jahren liege jetzt das Thema auf Eis. „Wir wollen den Einsatz einer Expertenkommission, um einen gangbaren Weg für die Rekonstruktion der Entwürfe Dürers zu prüfen“, sagte Brehm. Es werde eine fundierte Entscheidungsgrundlage benötigt. Auch müsse ein Konzept erarbeitet werden, wie das Rathaus als Geschichtsort erlebbar gemacht werden könne. Ein klares Ja zur Wiederausmalung blieb Brehm aber schuldig. Den Hinweis von Moderator Günther Moosberger, dass Kulturreferentin Julia Lehner eher gegen eine Ausmalung sei, wies Brehm zurück.

Elke Leo hält dagegen eine Machbarkeitsstudie über die Rekonstruktion von Dürers Triumphzug für überflüssig: „Machbar ist das. Aber wie teuer wird es?“ Leo zeigte sich von der Multimediaschau „Dürers Triumphzug“ zwar beeindruckt, doch solle der Saal ein Saal für alle Nürnberger bleiben: „Wir sind zwar erst am Beginn eines Diskurses, doch wir Grünen sind tendenziell gegen eine Ausmalung. Auch mit Rücksicht auf die Finanzen.“

Altstadtfreunde kritisieren Multimediaschau

Werner Schultheiß, Vorsitzender des Fördervereins kulturhistorisches Museum, verwies darauf, dass der große Rathaussaal mit seinen Holzpaneelen derzeit wie von Ikea aussieht: „Ich befürworte eine Ausmalung nach Dürer.“ Es gebe mit dem Konzept Dürers eine geistige Kontinuität, die unstrittig sei. Es sei „kleinkariert“, darüber zu diskutieren, „wer den Pinsel gehalten hat“. Karl-Heinz Enderle erhob schwere Vorwürfe gegen die Macher der Multimediaschau, weil sie die vorhandenen Farbdias von 1943 nicht im Zusammenhang gezeigt haben: „Es ist für eine Rekonstruktion eigentlich alles vorhanden. Es fehlen nur unwesentliche Teile der Girlanden.“ Auch die Süd- und die Ostseite des Saales seien gut dokumentiert.

Enderle erinnerte daran, dass es 1977, nachdem die Altstadtfreunde auf den zwar wieder aufgebauten, aber im Inneren völlig unausgebauten Rathaussaal hingewiesen haben, einen einstimmigen Stadtratsbeschluss für die Rekonstruktion des Saales gegeben habe. Allerdings, und das sei die „Erbsünde der Debatte“, wurden stets mehrere Varianten der Ausmalung diskutiert. In Augsburg, wo der alte Rathaussaal ebenfalls zerstört war, habe dagegen von Anfang an ausschließlich die Rekonstruktion eine Rolle gespielt. In Nürnberg wurden mehrere Künstler eingeladen, Vorschläge für die Ausmalung einzureichen. Allerdings habe es keinen abschließenden Beschluss gegeben, sondern nur eine „Denkpause“, so der Vorsitzende der Altstadtfreunde: „Die Dias aus den letzten Kriegsjahren wurden zu spät entdeckt, um die Diskussion in den achtziger Jahren noch zu beeinflussen.“ Die Altstadtfreunde wollen jedenfalls am Ball bleiben.
 

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