Wenn bei der Bahn «alle Stricke reißen«

4.1.2008, 00:00 Uhr

Die Bundesbehörde ist als Rechtsaufsicht für Technik und Planung sowohl bei der Deutschen Bahn AG in Staatsbesitz, als auch bei deren Konkurrenten zuständig. Sie ist als Prüfungsinstanz vorbeugend tätig und führt nach Betriebsunfällen die Ermittlungen. Der «Beauftragte für Unfalluntersuchung« des EBA erstellt darüber eine Statistik.

Unter «Zugtrennungen bei Reise- und Güterzügen« weist sie zwar von 2006 auf 2007 eine Halbierung (37:18) auf, aber um 50 Prozent abgenommen hat nur die Fallzahl bei Güterzügen. Darin enthalten sind auch zwei Fälle auf der Strecke Fürth-Würzburg. Bei Reisezügen ist sie dagegen konstant geblieben: Den Vorfall Fürth schon eingerechnet, waren es auch im vergangenen Jahr wieder drei.

Einen deutlichen Rückgang von 28 auf elf Fälle verzeichnet die EBA-Statistik auch bei den an Zugtrennungen beteiligten Güterwagen von DB Railion. Auch widerlegt die Bahnaufsicht in Bonn die Legende, dass an solchen Vorkommnissen überwiegend ausländische Wagen oder Fahrzeuge privater Konkurrenten der DB AG beteiligt wären: Der Anteil ausländischer Wagen halbierte sich von sechs auf drei, jener der «Privaten« stieg jedoch von drei auf vier Fälle.

Kupplungsbruch häufigste Ursache

Über diese Zahlen hinaus weiß das Amt aber nur zu berichten, dass die Bahn AG den Bruch des Kupplungsbügels als häufigste Ursache nennt. «Eine weitere Untersuchung durch das EBA erfolgt bei dieser Angabe nicht, so dessen Sprecherin Bettina Baader auf Anfrage der NZ. Gerade da aber werden Mitarbeiter des DB-Konzerns hellhörig und wünschten sich eigentlich Aufklärung. So klagen insbesondere Lokomotivführer landauf landab darüber, dass immer mehr Güterzüge, seit geraumer Zeit aber auch immer öfter Reisezüge miserabel gekuppelt seien.

Die Folge solch schlechter Arbeit kennen sie nur zu gut: «Wenn die Kupplung lang gemacht ist, sind die Abstände zwischen den Puffern so groß, dass die Wagen beim Bremsen aufeinanderstoßen und beim Anfahren an den Kupplungshaken ruckartig anreißen. Meist bricht dabei der Kupplungshaken an der schwächsten Stelle am Zughaken. Stöße und Zerrungen schaden Fahrzeug und Transportgut - egal, ob es sich um tote Materie oder um Reisende handelt«, erläutert Lokführer Richard K. (Name geändert) das Dilemma seines Berufsstandes.

Grund zum Klagen hat aber auch das Fahrpersonal im Reisezugdienst der DBPersonenverkehrAG: Lokführer und Zugbegleiter erleben wie ihre Kunden immer öfter, dass zu lang gekuppelte Waggons beim Anfahren ruckartig auseinander gezogen und besonders bei plötzlichen Vollbremsungen wieder aufeinander gestoßen werden, unterstreicht ein Nürnberger Fernverkehrs-Lokführer, der ungenannt bleiben will.

Den Hinweis, dass Zugtrennungen um so seltener werden, je mehr ICE-Züge die DB einsetzt, quittieren die Lokmänner mit einem gequälten Lächeln: «Fahren Sie doch mal mit, oder schauen Sie sich die ICE von außen an! Da erkennt selbst der Laie, dass wir immer öfter mit betrieblich relevanten Mängeln zu kämpfen haben: Defekte Scheibenwischer, mangelhaft gewartete oder leere Scheibenwaschanlagen, vielfach gestörte Pfeifeinrichtungen, oft nicht schließbare Bugklappen der Kupplungen an den Zugenden und dadurch gestörte elektrische Kontakte an den Kupplungen sind nur einige der nahezu täglich auftretenden Mängel«, klärt ein Betroffener nach einer Tour von Leipzig bis München den neugierigen Reisenden auf. Sein Fazit: «Wir können nur froh sein, dass wir keinen richtigen Winter haben ...!«

Der ICE als «Zug-Killer«

Dass sogar der ICE selbst ein Auslöser ärgerlicher Zwangsbremsungen sein kann, wissen Betriebseisenbahner in Zügen und am Gleis nur zu gut. Reisende dagegen dürfen dies erahnen, wenn ihnen entschuldigend eine «Signalstörung« als Ursache eines plötzlichen abrupten Halts genannt wird. Der wahre Grund: Auf manchen Strecken, die der ICE-3 befährt, lösen Störströme aus dessen Transformator eine magnetische Beeinflussung der Zugsicherungsanlagen aus. «Opfer« sind nicht ertüchtigte «Radarfallen«, die sogenannten Geschwindigkeitsprüfabschnitte.

Sobald der ICE den nächsten Gleisabschnitt geräumt hat, geht zwar das Signal dahinter wieder auf «Grün«, der Prüfmagnet aber bleibt durch die Störung in Stellung «Zwangsbremsung«. Prompt wird der nachfolgende Zug aus voller Fahrt auf Null heruntergebremst - so geschehen etwa am 22. August 2007 auf der Strecke Würzburg-Fürth im Bahnhof Emskirchen (Kreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim).

Die Wirkung war von durchschlagendem Erfolg: Das abrupte Bremsmanöver zerriss den Zug aus Zementsilowagen in vier Teile, weil gleich drei Kupplungshaken im Zugverband rissen. Das Ereignis zur Mittagszeit hatte zwar nur Sachschaden zur Folge, doch die Auswirkungen auf den Zugverkehr waren gravierend: Nach gut einstündiger Vollsperrung war die Strecke bis 19.45 Uhr nur eingleisig befahrbar; einige Züge fielen aus, etliche wurden umgeleitet, viele hatten Verspätung und Reisende wieder einmal das Nachsehen.

Nahezu identisch waren die beiden anderen Güterzug-Trennungen in Siegelsdorf (2006) und Neustadt/Aisch (2007). In beiden Fällen waren ausländische Wagen in Zügen von DB-Wettbewerbern die Verursacher. In einem Fall, so berichten Lokführer, sei der Kollege wohl einigermaßen überfordert gewesen. Es gab nicht nur Sprachprobleme, sondern auch ein gewaltiges technisches Manko: Ein Teil des Zuges fuhr ungebremst durchs Land.

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