Auf der Havel ist das Leben ein langer, ruhiger Fluss

27.3.2021, 07:35 Uhr
Gemächlich unterwegs: Blick auf die Havel zwischen Brandenburg und Berlin.

© Alexander Jungkunz Gemächlich unterwegs: Blick auf die Havel zwischen Brandenburg und Berlin.

Und der dabei auch noch jede Menge Spaß macht: Hausbooturlaub boomt. Aber wenn ich erzähle, dass wir schon seit ein paar Jahrzehnten durch die Kanäle und Flüsse Europas schippern, weil das einen ziemlichen Sucht-Charakter hat, wenn man einmal auf den Geschmack gekommen ist - dann fragen die meisten doch noch neugierig: Und, wie ist das so? Was braucht man da? Ist das riskant?

Drei Grundregeln für Hausboot-Urlaub

1) Die Crew muss passen. Man ist ein paar Tage oder Woche auf engem Raum, jede(r) muss mitziehen - also rausspringen beim Anlegen, mal abwaschen, einkaufen etc. - das geht nicht mit allen wirklich gut. Aber ein Team ist sinnvoll: Beim Anlegen etwa tut man sich zu dritt oder viert deutlich leichter als zu zweit. Und Jugendliche, die - anders als etwa ich - sehr gern an Land springen, können eine große Hilfe und Erleichterung für den Kapitän sein.

2) Wenig mitnehmen. Klamotten braucht man nicht viel; ein Boot führt zwar zu einem Steg, nicht aber zu einem Laufsteg. Und: Es ist, zumindest in den Schlafkabinen, eng auf einem Hausboot. Lebensmittel kann man unterwegs in aller Regel einkaufen. Schwere (vom Gewicht her... ) Getränke bunkert man am besten zu Beginn der Tour, da gibt es auch Stauflächen an Bord.

3) Einen Bootsführerschein braucht man zwar auf den meisten Gewässern nicht mehr. Grundkenntnisse im Manövrieren schaden aber nicht. Denn so ein Boot steuert sich doch gewaltig anders wie ein Auto. Am besten ganz sachte, behutsam. Lenken und "einparken", sprich anlegen gelingt dann besser - und mit zu viel Gas landen nicht nur Anfänger gern unsanft an der Kaimauer oder am Nachbarboot, was die Stimmung nicht wirklich steigert.

Dann aber kann es auch schon losgehen. Zum Beispiel in Hennigsdorf nördlich von Berlin. Dort weist uns Jens Konnopka von Flexmarine ein auf der "Lilly", einem acht Meter langen Boot, mit dem wir zu zweit vier Tage und drei Nächte unterwegs sind. Konnopka hat sich - wie viele andere Verleiher - spezialisiert auf floss-ähnliche Boote mit einem container-ähnlichen Quader als Wohn- und Schlafraum, die bei Familien beliebt sind.

Gefährlicher Fehler beim Schleusen

Wir fahren ein Stück weit die Havel entlang und biegen ab in den Havelkanal - eine Abkürzung für Berufsschiffer auf dem Weg gen Westen. Es geht durch eine Schleuse (langsam rein, vorsichtig festmachen - aber die Seile nie, nie, nie festzurren: das Boot sinkt oder steigt ja!), und nach ein paar Stunden sind wir wieder auf der Havel.

Und erreichen unser erstes Nachtquartier, das Städtchen Ketzin. In der Nähe führt eine Fähre über die Havel, in einem Nebenarm des Flusses liegt die Marina. Da meldet man sich an, zahlt eine (überschaubare) Liegegebühr und kann dann an Land die Sanitäreinrichtungen nutzen (die es an Bord auch gibt, allerdings eben ziemlich eng).

Jens Winkelmann ist mit seinem Wasserkiosk auf dem Vilzsee unterwegs und verkauft geräucherte Forellen an eine Urlauberfamilie aus Darmstadt, die auf dem Hausboot "Berlin" unterwegs sind.

Jens Winkelmann ist mit seinem Wasserkiosk auf dem Vilzsee unterwegs und verkauft geräucherte Forellen an eine Urlauberfamilie aus Darmstadt, die auf dem Hausboot "Berlin" unterwegs sind. © Jens Büttner, NNZ

Bummeln durch den Ort, bald im von den Wellen leicht hin- und hergeschaukelten Boot einschlafen - und am nächsten Morgen geht's weiter, den Fluss entlang, der sich manchmal zu Seen-Breite erweitert, nach Brandenburg an der Havel. Eine kurvenreiche, gemächliche Fahrt durch eine wunderbar grüne Landschaft. "Das Leben ist ein langer, ruhiger Fluss" - dieser Filmtitel kommt einem hier sehr naheliegend und entspannend vor.

Die Altstadt von Brandenburg ist durchzogen von Seitenarmen der Havel und bietet sich mit etlichen Anlegestellen für einen Zwischenstopp an. Wer mag, kann sich einen Spaß daraus machen, möglichst viele Exemplare der insgesamt 27 Waldmops-Skulpturen zu suchen, die dort an Loriot erinnern, den gebürtigen Brandenburger und Mops-Fan.

Und immer Fisch zum Essen

Am nächsten Tag fahren wir einen Teil der Strecke zurück - die da aber stets ganz anders aussieht. Unser Ziel ist Werder an der Havel, dessen kleine Altstadt auf einer Insel am Fluss liegt. Auch hier empfiehlt sich - naheliegenderweise - Fisch zum Abendessen.

Endspurt dann (leider) schon an Tag drei - zurück nach Hennigsdorf, und zwar auf einer Strecke, entlang der es jede Menge zu sehen gibt. Wieder entlang der Havel, vorbei an Caputh, über den Templiner See und durch Potsdam, mit Blick auf Schloss Babelsberg und mal nicht mit dem Auto über, sondern mit dem Boot unter der Glienicker Brücke durchfahren.

Ab da geht's durch den Wannsee, auch er nur eine (große) Ausbuchtung der Havel. Wir passieren die Sacrower Kirche, die Pfaueninsel, die Zitadelle von Spandau - und an Tegel vorbei landen wir am Nachmittag im Ausgangshafen. Drei Tage, so entspannend wie eine ganze Woche - auch das eine typische Hausboots-Erfahrung: Man erholt sich doppelt so schnell wie in einem "normalen" Hausboot. Auch, weil selbst Hyperaktive zur Ruhe gezwungen werden. Davonlaufen geht nicht...

Schleuse bei Spandau

Schleuse bei Spandau © e-arc-tmp-20210319_103337-1.jpg, NNZ

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