Glitschige Diven planschen vor Fünen
21.04.2018, 08:00 UhrWas für eine Diva. Springt, präsentiert sich glitzernd, schlank, elegant. Taucht ab, verschwindet, lässt sich noch einmal blicken. Und ist weg. Völlig egal, womit ihre Fans die Diva locken - sie verweigert sich.
So ist sie, die Meerforelle, wissenschaftlich korrekt Salmo trutta trutta genannt. Wobei im Süden Deutschlands nur Eingeweihte wissen, dass es überhaupt so etwas gibt, eine Meerforelle. Im Norden sieht das anders aus. Da stehen sie an den Stränden, die Angler, und testen Blinker und Wobbler, Spinner und Durchläufer und wie sie alle heißen. Wurf um Wurf, Stunde um Stunde, Tag um Tag.
Man muss aber nicht nur angeln hier: Odense etwa ist ein sehenswertes Städtchen mit Fachwerkhäusern und Kirchen und einer Geschichte, die weit zurückreicht bis zu den Wikingern. In der Universitätsstadt fließen die Historie und Moderne zusammen. Und so wächst in der ausgedienten Lagerhalle Storms Pakhus der "Streetfood Market", eine wilde Mischung aus Künstlern und jungen Köchen, die in Containern ihre ersten Schritte in die Selbstständigkeit wagen - etwa mit den kreativsten Hotdogs der Welt -, während draußen vor der Stadt ein vermögender und spleeniger Graf sein Wasserschloss Egeskov zum Natur- und Freizeitpark ausgebaut hat mit einem Museum für seine 700 Oldtimer.
Vor 40 Jahren hatte ein Bürgermeister auf Fünen die Idee, die Meerforellen könnten mehr Touristen bringen, jene, die angeln. Sie haben ihn für einen Spinner gehalten als er vorschlug, die Flussläufe müssten renaturiert und den Forellen ihr natürlicher Lebensraum zurückgegeben werden. Es war auf Fünen wie überall auf der Welt: Der Mensch hat die Gewässer in Betonrinnen gezwängt, Staudämme errichtet und Abwasser eingeleitet.
Den Meerforellen war das nicht gut bekommen, wenn sie wie die Lachse zum Laichen die Flüsse und Bäche hochziehen und ihre Eier über Kiesbänken im klaren Wasser ablegen. Heute können sie das wieder tun, denn mittlerweile haben die Füner dank des Bürgermeisters gut 200 Wasserläufe der Natur zurückgegeben.
Ferien-Anglerhäuser direkt am Wasser
Seitdem steigt die Population der Tiere. Und mit ihr die Zahl der Touristen. Die Dänen, ein angelverrücktes Volk, richten sich darauf ein. In den Ferienhausanlagen haben sie spezielle Anglerhäuser eingerichtet - mit Filetierplatz draußen und großen Tiefkühltruhen drinnen. Angelläden gibt es ohnehin an jeder Ecke. Und Typen wie Claus Eklundh Christiansen.
Claus ist Angelguide und das, was sich der Laie unter einem Wikinger vorstellt: Bullig, die Haut wettergegerbt, die blonden Haare und der wilde Bart von grauen Strähnen durchzogen.
Ginge es nach ihm, er stünde ab Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang im Meer auf der Jagd nach Meerforellen, nach Flundern, Dorschen oder Hornhechten. Weil aber Fisch allein nicht satt macht, betreut er nachmittags an einer Schule die Kinder.
Touristen bringt er bei, wie sie die Angel halten, den Köder auswerfen, kurz, den Fisch ins Verderben locken. Was ein mühsames Geschäft sein kann. Denn Meerforellen sind scheue Wesen, die sich entlang der krautigen Seetangstreifen nahe dem Strand herumdrücken. Wer schon mal geangelt hat, weiß, wie lästig das Pflanzenmeer im Meer sein kann.
Gut, dass es Spots wie das Forschungszentrum Fjord & Baelt gibt in Kerteminde. Und gut, dass auf Fünen die Entfernungen nie wirklich weit sind. In Kerteminde forschen sie an Schweinswalen und an Seehunden. In einigen Aquarien tummeln sich noch andere Tiere der Ostsee.
Die Meerforelle gehört dazu. Diplombiologe Jacob Højer Kristensen führt seine Besucher durch die Anlage, erklärt das Leben der Forellen und das der Krabben. Und viermal am Tag zeigt er, wie er mit den Seehunden umgeht und was er mit den Walen erforscht. Es ist eine ernsthafte, wichtige Mission. Er und seine Kollegen waren beteiligt, als Wissenschaftler neue Netze für die Fischerei mit Warnsignalen für die Wale entwickelt haben. Weil jedes Jahr bis zu zehntausend in den Netzen verendet waren. "Dazu mussten wir aber erst einmal herausfinden, auf welche Geräusche sie wie reagieren", sagt Kristensen.
Wenn sie keine Lust hat, beißt sie nicht
Die Forellen im Aquarium dienen eher der Unterhaltung. Oder jenen zur Anschauung, die am Strand leer ausgegangen sind. Denn wenn die Forelle keine Lust hat, beißt sie nicht, egal, wie hübsch der Durchläufer (Köder) angerichtet ist, wie oft der Angler ihn ins Meer schleudert und zurückholt. Einmal, zehnmal, tausendmal.
Das Fangen ist nicht so wichtig. Es ist die Ruhe am Strand, die frische, kühle Luft, das Meditative der immer gleichen Wurfbewegung. Und das Gefühl, für ein paar Tage in einer anderen Welt zu sein und doch nur ein paar Autostunden von zuhause entfernt. Und ganz nebenbei gibt es jede Menge guter Lokale, die Meerforellen auf der Karte haben, für alle Fälle.
Mehr Informationen:
www.visitfyn.de und bei www.novasol-fishing.de, die unter anderem spezielle Angelhäuser anbieten und diese Reise unterstützt haben.
Wer sich Claus Eklundh Christiansen als Angelguide anvertrauen möchte, findet ihn bei http://boatfishing.dk.
Das Schloss Egeskov ist allemal einen Besuch wert. Es vereint alte Pracht mit modernem Flair. www.egeskov.dk/de
Das maritime Forschungszentrum Fjord & Belt liegt am Hafen von Kerteminde. Viermal am Tag trainieren die Wissenschaftler mit ihren Seehunden und Schweinswalen. Und sie machen das öffentlich, Zuschauen lohnt sich. www.fjordbaelt.dk
Ein Erlebnis der besonderen Art: Bridgewalking über den Kleinen Belt. In schwindelerregenden 60 Metern Höhe geht es über eine alte Eisenbahnbrücke – außen, nicht innen, und nur über ein schmales Gitter. www.bridgewalking.de
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