Volles Risiko mit Mohnpesto und Wildtauben-Paté

20.12.2012, 16:00 Uhr
Volles Risiko mit Mohnpesto und Wildtauben-Paté

© Stefan Hippel

Romana Schemm ist ein Nasenmensch. Wenn sie kleine Manufakturen und Bauernhöfe in Deutschland und ihrem Lieblingsurlaubsland Österreich besucht, atmet sie den Duft von Mohnpesto, spürt das Kitzeln der Säure von Ribisel-Essig, saugt den Geruch von Vanille-Wildtauben-Paté ein. „Ich bin ein Genießer, der mehr Geld für gutes Essen als für schicke Kleidung ausgibt“, sagt die 56-Jährige.

Schemm, roter Schopf in schwarzem Rolli, ist gelernte Bankkauffrau und war lange in der Leasingbranche tätig. Nebenbei studierte sie Betriebswirtschaftslehre. „Als ich das Diplom in der Tasche hatte, hab ich sofort gekündigt“, erzählt sie. Ihr Traum damals: ein kleines, aber feines Restaurant. Um das nötige Kleingeld zu verdienen, nahm sie einen Job in der Biogas-Branche an. Doch immer wenn Zeit war, fuhren sie und ihr Mann durch die Lande — besuchten hier eine Schinkentrocknerei, da einen Quittenbauern. Einen Laden in Nürnberg, wo sie für sich und ihre Gäste Besonderes auf den Tisch bringen konnte, suchte sie allerdings vergeblich. So wurde aus der Vision vom eigenen Restaurant die vom eigenen Delikatessenladen. Und die machte sie 2008 wahr.

Volles Risiko mit Mohnpesto und Wildtauben-Paté

© Stefan Hippel

Die schwere in Holz gefasste Glastür des „“ am Weinmarkt öffnet sich, herein kommt eine ältere Dame, die sich die Nässe aus dem Mantel klopft. „Was Besonderes für eine Freundin, die gerne kocht“, möchte sie. Schemms Mitarbeiterin führt sie vorbei an gut einem Dutzend Sardinenbüchsen, hin zu dem meterlangen Gewürzregal, wo unter anderem Salz aus allen Ecken der Welt steht.

Zwar mag das im Nudelwasser keinen Unterschied machen — doch ob man auf sein medium gebratenes Steak Flusssalz streut, das aus dem australischen Murray River ausgespült wurde und das in Flocken auf der Zunge schmilzt, oder stattdessen das geräucherte Seesalz aus Essex wählt, macht für Feinschmecker den entscheidenden Unterschied aus.

„Mit diesem Laden ist mein Traum wahr geworden“, sagt Schemm, während sie eine in Kakao gewälzte Mandel zum Probieren reicht. Der Kontakt mit den Kunden, der Besuch auf Messen, das Gespräch mit Bauern und Winzern — all das ist für sie die Erfüllung. Allerdings: Leben kann sie von dem Geschäft, das sie nun im vierten Jahr in der nördlichen Altstadt betreibt, noch nicht.

Projekt „Meisterhändler“

Dass die Menschen lieber McDonald’s oder den Pizzadienst beehren, statt sich selbst an den Herd zu stellen, ist laut Schemm aber nicht der Grund. Es sei vielmehr die Lage, die ihr und den kleinen Läden rund um den Bereich der Kirche St. Sebald Sorgen macht. „Hierher verirrt sich in der Regel nur, wer weiß, dass er uns hier findet“, sagt sie. Laufkundschaft? Fehlanzeige. An verkaufsoffenen Sonntagen aufzumachen lohne sich zum Beispiel gar nicht, sagt Schemm. Sie engagiert sich daher beim Verein „Erlebnis Nürnberg“, der sich unter anderem der Belebung der nördlichen Altstadt verschrieben hat.

Pistazien, Chili- und Marillenkernöl: Ladenchefin Romana Schemm hat ihr Sortiment so gewählt, als wäre sie selbst eine potenzielle Kundin.

Pistazien, Chili- und Marillenkernöl: Ladenchefin Romana Schemm hat ihr Sortiment so gewählt, als wäre sie selbst eine potenzielle Kundin. © Stefan Hippel

Mit dem Marketingkonzept „Die Nürnberger Meisterhändler“ sollen nun auch Auswärtige gelockt werden. Eine eigens gegründete Jury hat mit Unterstützung des Bayerischen Wirtschaftsministeriums und der Stadt bisher 17 Geschäfte ausgewählt, die sich durch besonderen Service und Sortiment auszeichnen. Neben „DelikatEssen“ unter anderem mit dabei: die Confiserie Neef, der „Senfladen“ oder Hut Brömme. Eine Broschüre, die in verschiedenen Läden ausliegt, zeigt neben einem Kurzporträt der Geschäfte auch eine Route, in der Touristen, Nürnberger oder Menschen aus dem Umland bei einem gemütlichen Spaziergang alle Läden ablaufen können. Schemm ist das ein Anliegen, denn: „Breite Gasse schön und gut — doch den wahren Charakter einer Stadt prägen doch wir Kleinen.“

Die „Kleinen“ sind es auch, die Schemm zu ihren Lieferanten zählt. Ob die Apfelsecco-Kellerei aus Kunreuth, der Chilibauer aus dem Kamptal oder das Weingut in der Steiermark — in ihre Regale kommt nur, was sie selbst auch auf dem Teller oder im Glas haben möchte, sagt sie. Ein Bio-Siegel ist dabei keine Voraussetzung. Weil Bio allein für Schemm nicht automatisch auch gut ist. Zum anderen, weil viele ihrer Zulieferer zwar auf artgerechte Tierhaltung achten, aber zum Beispiel kein teures Biofutter zukaufen oder anbauen wollen oder können. „Ich vergewissere mich vor Ort, wie die Umstände sind — und erst dann bestelle ich“, sagt Schemm.

Mit allen Sinnen einkaufen

Das geht freilich nicht immer. Den Ingwer aus Australien oder die Sesampaste aus dem Libanon habe sie nicht persönlich bis an den Herstellungsort zurückverfolgt. Allerdings vertraue sie da ihren Zwischenhändlern, die sie von Veranstaltungen wie der Genießermesse oder dem Genussfestival Wien kennt und von denen sie weiß, dass sie ähnliche Maßstäbe anlegen.

Doch mit schönen Worten allein will Schemm ihre Kunden nicht überzeugen. Deshalb dürfen Feinschmecker bei ihr mit allen Sinnen einkaufen — am Olivenöl nippen, vom flockigen Salz kosten oder am Garam Masala schnuppern. „So, wie ich es selbst eben auch am liebsten mag.“

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