Wie Theo Schöller zum «Eiskönig» aufstieg

3.9.2008, 00:00 Uhr
Wie Theo Schöller zum «Eiskönig» aufstieg

© Aus dem besprochenen Buch

Der Aufstieg Theo Schöllers ist oft und detailliert erzählt worden. In vielen Artikeln, die zu runden Geburtstagen des Nürnberger Selfmade-Unternehmers oder zu Firmenjubiläen erschienen sind. Sehr viel Neues über den Menschen Schöller und sein Werk ist auch auf den 192 Seiten der Biografie nicht zu erfahren - was wohl auch an der typisch fränkischen Zurückhaltung der Unternehmer-Familie liegt.

Der Erlanger Historiker Gregor Schöllgen hat sich mit Firmen-Geschichten ein zusätzliches, lukratives Standbein geschaffen: Er gründete das «Zentrum für Angewandte Geschichte», in dem ein Team mit der Aufarbeitung diverser Unternehmensarchive beschäftigt ist. Entstanden ist so bereits Schöllgens Buch über Leben und Werk Karl Diehls sowie ein Band über den Coburger Automobil-Zulieferer Brose.

Das «Zentrum» spielt Geld ein, weil die Firmen in der Regel für die Aufbereitung ihrer Geschichte zahlen. Schöllgen sieht in dieser sich selbst finanzierenden Art von Wissenschaft ein Modell, an dem sich seine Uni-Kollegen messen lassen müssten. «Wer sich mit dem, was er als Forscher denkt und tut, nicht grundsätzlich auch auf dem freien Markt positionieren kann, muss sich die Frage nach der Legitimation seines Tuns und damit nach der Berechtigung seiner Alimentierung durch die öffentliche Hand gefallen lassen», sagte er 2007 in einem Vortrag - und erntete mit dieser marktliberalen Position heftigsten Widerspruch anderer Erlanger Geisteswissenschaftler.

«Wundermacher» im Blick

Im Wintersemester 2008/09 hält Schöllgen an der Uni eine Lehrveranstaltung über «Die Wundermacher: Frankens Unternehmer und die deutsche Wirtschaft seit dem Zweiten Weltkrieg». Es geht um die Herzogenauracher «Turnschuh-Brüder» Dassler, Karl Diehl, die Brüder Schaeffler, Gustav Schickedanz - und eben auch um Theo Schöller, allesamt fränkische Akteure des «Wirtschaftswunders».

«Kinder, wenn ihr euch je einmal selbstständig machen solltet, dann wählt ein ,fressendes Geschäft‘, denn essen müssen die Leute immer», schärfte Mutter Schöller ihren beiden Söhnen Karl und Theo ein, nachdem das Schreinergeschäft ihres Vaters in der Hyper-Inflation der Weimarer Republik zusammengebrochen war. Und die beiden hielten sich an den Rat. Nach einem Ausflug in die Kinowerbung meldete Karl, der ältere Bruder, ein Gewerbe zur «Herstellung von Eiskrem» an.

Entdeckt hatte die Marktlücke Theo: «Es war ein zylinderförmiges Stück Vanille-Eis am Stiel, in Stanniolpapier gewickelt, das aus ei-nem Bauchladen an die Vorstellungsbesucher verkauft wurde», erinnerte er sich später an seine erste Begegnung mit Eis am Stiel während eines Berlin-Besuchs im Variete «Scala» 1935. Gerade mal 18 Jahre alt war Theo Schöller da.

Das Geschäft lief rasch glänzend. Zug um Zug kam Schöller jener Aussage nahe, die er damals im Freundeskreis machte: «Ich möchte mal Eis fabrikmäßig in solchen Mengen herstellen und in allen Geschmacksrichtungen in eigenen Lkw-Kolonnen in ganz Deutschland vertreiben. Da liegt Zukunft drin, wenn mer’s richtig anpackt.»

Er packte es richtig an, vor allem nach dem Krieg, in dem er sechsmal verletzt wurde und seine Familie nahezu alles Hab und Gut verlor. An der Bucher Straße (nicht an der «Bucherstraße», wie es im Buch konsequent falsch heißt) entstand das immer weiter wachsende Firmen-Areal. Die Brüder versorgten nach dem Krieg kurzzeitig auch Schulen mit Essen und starteten in den «Buchersälen» das bis 1958 florierende «Neue Theater» mit Bällen oder Operetten- und Theater-Gastspielen, die Stars wie Heinz Rühmann, Hans Albers oder Theo Lingen nach Nürnberg brachten.

1955 vollzog Theo Schöller den Bruch mit seinem Bruder Karl, einem «klassischen Konjunkturritter» (Schöllgen) und Bonvivant, der 1961 mit nur 47 Jahren starb. Unterstützung erfuhr er von einer Frau, die 1941 als 17-Jährige ins noch kleine Unternehmen eingetreten war: Friedl Hönle, die 1968 seine zweite Frau wurde und heute noch die Aktivitäten der 1988 ins Leben gerufenen «Theo und Friedl Schöller Stiftung» leitet.

Tipps von der Chefin

Schöllgen zeichnet chronologisch nach, wie das Eis-Imperium durch Zukäufe und Kooperationen (Mövenpick) wuchs und zuletzt an den Nestle-Konzern veräußert wurde. Und er streicht ein Erfolgsrezept des Unternehmer-Paares Schöller heraus: die enge Bindung der Mitarbeiter an «ihre» Firma - durch Geschenke und Prämien, aber auch durch intensive Kontakte. Viele Beschäftigte bekamen zum Beispiel den Ratgeber «Hallo Hausfrau, hallo Hausmann. Das schlaue Buch für alle Tage, erspart Zeit, Geld und manche Plage», geschrieben von Regine Friedl - ein Pseudonym, hinter dem sich Friedl Schöller verbarg.

«Gutes zu tun war sein Lebenselixier - Bescheidenheit war seine Größe»: So steht es auf dem Grabstein des am 23. Juni 2004 gestorbenen Unternehmers und Mäzens, der viel für seine Heimatstadt Nürnberg tat. In Schöllgens Buch, bebildert mit teils bisher unbekannten Fotos aus dem Firmenarchiv, ist auch dieses Engagement der Schöllers nachzulesen.

Gregor Schöllgen: «Der Eiskönig. Theo Schöller - Ein deutscher Unternehmer. 1917-2004», München 2008, Verlag C. H. Beck, 190 Seiten, 19,90 Euro.