Auch Fehlurteile konnten ihm den Spaß nicht nehmen

9.11.2007, 00:00 Uhr
Auch Fehlurteile konnten ihm den Spaß nicht nehmen

© Marr

Von 1963 bis 1987 gewann Schindler, der 1961 in Katzwang seine neue Heimat fand, rund 50 Steherrennen, holte acht DM-Medaillen und eine WM-Silbermedaille. Der legendären «Nürnberger Steherschule», mit der 1967 in der Bundesrepublik der Aufschwung des Amateur-Stehersportes begann, gab Peter Schindler als erfahrener Routinier wesentliche Impulse. In den 70er Jahren war der auch als Schrittmacher gefragte Jubilar zugleich als erster bayerischer Lizenz-Trainer unermüdlich für die Jugendlichen des RC Herpersdorf im Einsatz.

Als 14-Jähriger begann Peter Schindler 1951 mit dem Radsport, der in der Familie lag: «Mein Vater und mein Bruder waren viele Jahre auf Bahn und Straße aktiv.» Vor allem seinen älteren Bruder Kurt, der in den Vorkriegsjahren zu den besten deutschen Profi-Stehern zählte, eiferte Peter Schindler beim SC Chemnitz nach. Dreimal war er auf Bahn und Straße Jugend-Mannschaftsmeister der DDR. Auf der Bahn spezialisierte er sich ab 1959 auf den in der DDR sehr populären Amateur-Stehersport und zählte bald zu den Besten. Im DDR-Nationaltrikot startete er 1959 in Amsterdam erstmals bei einer WM.

Nach seiner Flucht in den Westen 1961 wurde sehr zu seiner Freude in der Bundesrepublik neben dem traditionellen Profi-Stehersport auch der Amateur-Stehersport eingeführt. Schindler, der sich dem RC Herpersdorf angeschlossen hatte, trainierte emsig auf der Reichelsdorfer Piste. Gemeinsam mit Bruder Kurt, der schon viele Jahre in Katzwang lebte, und als Schrittmacher mit Heinz Jakobi viele große Siege feierte, absolvierte Schindler «am Keller» eisern Trainingsrunden. «Der Haken dabei war nur, dass ich nun nicht mehr ,Staatsamateur’ der DDR war, sondern täglich acht Stunden als Mechaniker in Nürnberg arbeitete», erinnert er sich an sein erstes Jahr im Westen.

Unvergessen bleibt ihm seine erste Deutsche Meisterschaft im Westen am 12. August 1961 in Berlin: «Das war einen Tag vor dem Mauerbau, die Lage und die Stimmung in ganz Berlin waren sehr gespannt, das hat mich als Zonenflüchtling zusätzlich belastet. Kurt war ebenso froh wie ich, als wir wieder im Flugzeug saßen.»

Im Koffer hatten die Brüder die Bronzemedaille für den dritten Platz der DM. «Eigentlich wäre mehr drin gewesen, doch ich hatte an diesem Tag einfach nicht die Nerven», erinnert sich Schindler, der in den Folgejahren zur Spitzenklasse der Amateursteher zählte. 1963 bis 1966 qualifizierte er sich noch viermal für das DM-Finale und wurde 1963 Vierter der WM in Belgien.

1966 sollte es endlich mit dem deutschen Meistertitel klappen. Das hatte sich zumindest Herpersdorfs unvergessener Mäzen Andreas Egerer vorgenommen, der für die Meisterschaft in Frankfurt den Belgier Gus Meuleman - einen der weltbesten Profi-Schrittmacher - für Schindler engagierte. «Es lief bei mir auch auf Anhieb großartig hinter Gus. Zusammen mit dem jungen Frankfurter Lokalmatador Andreas Bennewitz hatte ich im Finale schon nach wenigen Minuten alle übrigen Fahrer überrundet. Als Bennewitz in der zweiten Rennhälfte entkräftet ausstieg, griffen die beiden Topfavoriten Günter Weil und Adi Eifler abwechselnd an und überholten mich. Im rasanten Rundenwirbel verlor das Kampfgericht die Übersicht. Nach einer Stunde hatten Gus und ich die DM vor Weil und Eifler gewonnen. Zumindest für uns war das klar, doch die Jury, die meinen Protest ablehnte, hatte unsere Runde Vorsprung übersehen», schildert Schindler die «schwärzeste Stunde» seiner Karriere.

Als man ihn dann auch noch bei der WM-Nominierung überging, war Schindler so frustriert, dass er enttäuscht seinen Rücktritt vom Rennsport erklärte.

Doch seine Radsportbegeisterung war damit nicht erloschen. Nachdem der Bayerische Radsportverband die über 60 Jahre alte Radrennbahn am Reichelsdorfer Keller renovieren ließ und der Verein 1967 zehn Schrittmachermaschinen anschaffte, um mit ihnen fränkische Amateursteher und Schrittmacher auszubilden, war Schindler plötzlich wieder gefragt und ließ sich nicht lange bitten. Zusammen mit dem damals 21-jährigen Dieter Durst, mit Toni Rottmann, Udo Empter, Hans Galler und Manfred Höflich zählte Schindler zu den ersten Teilnehmern der legendären «Nürnberger Schrittmacher-Schule».

«Mein Vorteil war es natürlich, dass ich als Einziger vorher schon als Steher im Sattel gesessen war und den Neulingen manche Tricks und Tipps vermitteln konnte», erzählt er schmunzelnd und fügt hinzu: «Am aufmerksamsten war dabei stets Dieter Durst. Er hat damals seine Lektion als Schrittmacher unheimlich schnell und gut gelernt».

Als unumstrittene Nummer eins der neuen fränkischen Schrittmacher-Gruppe war Schindler ab 1968 der meistbegehrte Mann auf dem Motor. In seinem Windschatten fuhren der Herpersdorfer Gerhard Duschl, der Stuttgarter Horst Schütz und zweimal der Berliner Rainer Podlesch zum Deutschen Meistertitel. Mit Rainer Podlesch, den er als den «damals besten Fahrer» bezeichnet, stand Schindler 1973 auch als Vize-Weltmeister auf dem Treppchen.

Auch Straßenmeister Dieter Flögel, den späteren Weltmeister Jean Breuer und die mehrfachen deutschen Meister Horst Duschl, Klaus Burges und Roland Renn hatte Schrittmacher-Routinier Peter Schindler im Laufe der Jahre mehrfach an seiner Rolle. «Ich erinnere mich gern an Dieter Flögel. Als reiner Straßenfahrer fuhr er auch als Steherneuling sehr bald erstaunlich stark und ehrgeizig.» Stundenlang könnte Schindler, der 1987 sein letztes Rennen mit Dieter Flögel fuhr, von seinen Fahrern, von vielen Rennen und Pisten erzählen.

Zum Spaß sitzt der erstaunlich jung gebliebene Jubilar noch immer gerne im Sattel, und den Radsport verfolgt er nach wie vor sehr aufmerksam. Obwohl Schindler seit zwei Jahren in Regensburg wohnt, ist er bei den Rennen der Steher in Reichelsdorf fast immer zur Stelle. «Es freut mich sehr, dass man diese Rennbahn erhält und noch immer den Stehersport pflegt», sagt die Herpersdorfer Schrittmacher-Legende.

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