Brückenschlag mit Goethe und Volksmusik

11.3.2011, 19:09 Uhr
Brückenschlag mit Goethe und Volksmusik

© Hagen Gerullis

Ender Ses, Vorstand des Bildungsvereins Mesale e.V., ist stolz auf sein „Ass im Ärmel“ beim Finale der diesjährigen deutsch-türkischen Kulturolympiade. „Dieser Vortrag soll für Aufmerksamkeit sorgen“, sagt er. Das Besondere: Neslihan wird bei ihrem türkischen Schlaflied von einem Mädchen mit den Liedern „La Le Lu“ und „Guten Abend, gut’ Nacht“ unterbrochen.

In der Türkei haben Gute-Nacht-Lieder eine lange Tradition. „Schon meine Mutter hat mir dieses Lied vorgesungen“, erklärt Neslihan. Ihre Eltern stammen aus der Türkei, sie selbst ist in Deutschland geboren und besucht die achte Klasse der Mittelschule Oberasbach. Dieses Jahr ist Neslihan schon zum zweiten Mal mit dabei und kennt deshalb keine Aufregung. Was vielleicht auch daran liegen könnte, dass ihr das Singen im Blut liegt. „Bei uns zu Hause wird den ganzen Tag gesungen – in Deutsch und Türkisch“, sagt sie.

Auftritt in der Porsche Arena

Neslihan hat sich zuerst in Nürnberg und dann im Vorentscheid in Paderborn für das Finale der Kulturolympiade in Stuttgart qualifiziert. Mit zehn weiteren Nürnberger Schülern wird sie am 20. März in der Porsche Arena ihr Können vor 5500 Zuschauern unter Beweis stellen. Kinder mit und ohne Migrationshintergrund werden dann deutsches oder türkisches Literatur- und Kulturgut präsentieren.

Die Gewinner deutscher Beiträge dürfen dann Deutschland bei der „Internationalen Türkisch-Olympiade“ in der Türkei repräsentieren. Dort werden Teilnehmer aus 130 Ländern erwartet.

Organisiert wird die deutsch-türkische Kulturolympiade von Academy e.V., einem Verein, der sich für die Bildungsarbeit von Jugendlichen mit Mitgrationshintergrund engagiert. Dieser ist Dachverband unter anderem von Mesale e.V. aus Nürnberg.

Ziel der Kulturolympiade ist es, Menschen verschiedenster Kulturen zusammenzubringen und den Austausch zwischen ihnen zu fördern. Das Motto der Veranstaltung lautet deshalb: „Kultur verbindet“. Es wird zwischen den Kategorien Lyrik, Gesang und Tanz unterschieden.

Die Nürnberger haben darauf geachtet, in Vergessenheit geratene Werke auszuwählen. Somit wird nicht nur eine Brücke zwischen den Kulturen, sondern auch zwischen Tradition und Moderne geschlagen.

Die elfjährige Emine Beyza Üyrüs wird Theodor Storms „An die Freunde“ vortragen. Eine Gruppe Schüler türkischer, griechischer und eritreischer Herkunft wird das Lied „Meine Heimat - unser blauer Planet“ singen.

Auch eine Heimatmelodie fehlt nicht. Bei „So ein Stückerl Heimat“ von Volksmusikstar Stefanie Hertel werden die zwei Töchter irakischer Eltern sogar rosa Trachtenkleider tragen. Drei Monate Vorbereitungszeit haben sich für die Nürnberger gelohnt. Die Texte der Kinder und Jugendlichen sind perfekt einstudiert und werden in akzentfreiem Hochdeutsch, das kein Franke zustande brächte, vorgetragen.

Ender Ses sieht in der Kulturolympiade die Chance, die Schüler der verschiedensten Länder besser kennenzulernen und zu fördern. „Wenn die Kinder auf einer Bühne vor der Jury stehen, stärkt das natürlich ihr Selbstbewusstsein“, sagt er – und das nicht nur, wenn türkische Kinder deutsche Volkslieder singen. Eine besondere Attraktion wird beim Finale ein Werk Goethes sein, das ins Türkische übersetzt wurde. Im Gegensatz dazu wird ein Stück des Dichters und Volksmusikinterpreten Asik Veysel auf Deutsch gesungen. Deutsches und türkisches Kulturgut auf einer Bühne – besser könnte kein Politiker Integration zustande bringen.

Für Ender Ses ist Integration ein mittlerweile schon abgenutzter Begriff. „Integration funktioniert am besten über Bildung, Sprache und Kultur. Aber man muss auch etwas dafür tun“, sagt er. Im Fall der Kulturolympiade haben er und sein Verein Mesale e.V. es sogar geschafft, die Eltern der Teilnehmer zu erreichen. Diese sind stolz auf ihre Kinder und haben Busse organisiert, die sie alle zum Finale nach Stuttgart bringen werden. Mit der deutsch-türkischen Olympiade soll den Kindern Spaß an ihrer Muttersprache oder einer Fremdsprache vermittelt werden. Ses erklärt das so: „Die Olympiade ist eine Bereicherung für die türkische und die deutsche Seite. Integration hat ein Gesicht bekommen.“

Verwandte Themen


Keine Kommentare