Die Sehnsucht nach dem süßen Nichtstun

23.03.2009, 00:00 Uhr
Die Sehnsucht nach dem süßen Nichtstun

© Christgau

Die Eurovision-Fanfare. Bilder von einem für uns typischen Italien mit Sonne und Meer sowie südländischer Lebensart. Und die Frage, was denn eigentlich ein Schlager sei. Udo Dirnaichner, promovierter Jurist und im Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus verantwortlich für Erwachsenenbildung, erinnerte daran, dass als Schlager jedes erfolgreiche Lied galt, ob von Mick Jagger oder Roy Black gesungen. Schlager als gleichbedeutend mit dem neudeutschen «Hit».

Doch wo war der Ursprung für die deutschen Schlager der Nachkriegszeit? Schon in den Jahren 1939 bis 1943 wurden die Grundlagen als Auftragsarbeiten von Größen wie Gerhard Winkler und Ralph Maria Siegel geschaffen. «Auch die Unterhaltungsindustrie wurde gleichgeschaltet», so Udo Dirnaichner, «der Schulterschluss mit Mussolini sollte den Deutschen durch die Musik nahe gebracht werden.» Das Lied vom Chianti-Wein und die Capri-Fischer würden die Liebe zu Italien wecken. Doch durch den Kriegsverlauf sollte der Erfolg auf sich warten lassen. Mit der Landung der Amerikaner auf Capri, mit dem Sturz Mussolinis war das Italienische nicht mehr erwünscht, die Capri-Fischer landeten auf dem Index, Platten wurden eingestampft und das Lied aus dem Radio verbannt.

Doch nach dem Krieg wurde es zum Symbol für den Aufschwung. Die Sehnsucht der Deutschen nach Wärme und Gelassenheit, der Wunsch, Trümmer und Grauen hinter sich lassen zu können, erfüllte sich zunächst in der idealisierten Welt der Schlager.

Udo Dirnaichner schlug mit Begeisterung und Freude die Brücke von dieser Traumwelt hin zu der Erfüllung jener Vorstellungen in der Italienbegeisterung und der Reiselust der fünfziger und sechziger Jahre. Seine Präsentation war ein Wechselspiel aus Musik und Bildern, Filmsequenzen und wunderbaren Porträts der Stars vergangener Tage.

Und sie war umfassend. Er skizzierte die Entwicklungen der Musik in Deutschland und Italien, die gegenseitigen Einflüsse. Udo Jürgens‘ Anfänge auf Italienisch, das Musikfestival in San Remo, der Grand Prix Eurovision de la Chanson mit seinen Stars. Udo Dirnaichner erweckte die Zeit, in der noch nicht Effekthascherei sondern eine großartige Stimme ausschlaggebend war, wieder zum Leben. Über Caterina Valente sagte er treffend: «Ihr verdanke ich mein Erkennen, dass eine Stimme allein ein großartiges Instrument sein kann.» Domenico Modugno, der als «Mr. Volare» den italienischen Schlager weltberühmt machte, Gigliola Cinquetti – an ihnen und vielen anderen zeigte er die sehr unterschiedlichen Facetten des italienischen Schlagers. Und vor allem mit dem verdienten Erfolg. Nach München, Regensburg und Augsburg begeisterte Udo Dirnaichner auch die rund 50 Zuhörer in Nürnberg. Und er wird das Thema weiter

bearbeiten. Ein weiterer Vortrag, der auf die späteren Entwicklungen eingehen soll, ist schon in Planung. Jan Christgau

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