Pia Praetorius gibt in St. Egidien den Ton an

28.2.2009, 00:00 Uhr
Pia Praetorius gibt in St. Egidien den Ton an

© Gerullis

Alte Musik ist die Leidenschaft der agilen Dirigentin. Deswegen suchte sie die Werke von zwei Komponisten heraus, die im 17. Jahrhundert eng mit dem Gotteshaus in der Nürnberger Altstadt verbunden sind: Johann Erasmus Kindermann und Melchor Franck. Ihre Werke werden zu den festlichen Aufführungen erklingen. Dass sie aber nicht nur die Verbindung in die Geschichte darstellen, sondern auch in die Gegenwart, das ist Pia Praetorius Verdienst.

Mit Geduld und Hartnäckigkeit hat sich die Künstlerin einen Ruf erarbeitet, der weit über die Grenzen der Stadt hinausreicht. Das zahlt sich aus. Denn inzwischen kommen Choreografen, Tänzer, Sänger und Musiker von Rang gerne nach Nürnberg, um an einer Inszenierung mitzuwirken. Die Zusammenarbeit mit der erfahrenen Dirigentin verspricht ein Gänsehautgefühl. Nicht nur für die Mitwirkenden, sondern auch für das Publikum.

«Ich beschäftige mich sehr lange und intensiv mit der Nürnberger Musikgeschichte», beschreibt die kompetente Musikexpertin, wie sie sich einem Thema nähert. In Kirchenarchiven und im Germanischen Nationalmuseum wird sie häufig fündig. Aus der kompositorischen Grundlage entwickelt sie dann eine Aufführung, die Augen und Ohren der Besucher gleichermaßen anspricht.

Das schlichte Gotteshaus, in dem heute 500 Menschen Platz finden, bietet einen würdevollen Rahmen für Experimente. Diese wagt Pia Praetorius gerne. Auch bei den Konzerten Anfang März wird sie modernste Technik für eine Bilderprojektion einsetzen. Schon allein aus der Kombination von Computer gesteuerter Animation und alter Musik erwächst ein reizvoller Kontrast. Ihn in Töne zu kleiden, ist eine Herausforderung, die von der Dirigentin gerne angenommen wird.

Die zierliche Frau hat es im Lauf ihres Lebens gelernt, Konventionen hinter sich zu lassen. Aufgewachsen im thüringischen Nordhausen hatte sie zu DDR-Zeiten keinen leichten Start ins Berufsleben. Das Elternhaus führt Pia Praetorius und ihre beiden Brüder frühzeitig an die Musik heran. Da sie aber in keiner der staatlich verordneten Jugendorganisationen Mitglied gewesen sei, habe sie kein Abitur machen dürfen, berichtet sie. Ihre Eltern seien sehr verzweifelt darüber gewesen.

Dann aber habe ausgerechnet der Marxismus/Leninismus-Lehrer ihrer Brüder die rettende Idee gehabt. Pia sollte Kirchenmusikerin werden. Das entsprach ihren Begabungen und erwies sich als der richtige Weg. Mit Hilfe einer Ausnahmegenehmigung habe sie mit 16 Jahren ihr Studium in Halle aufgenommen, erinnert sie sich.

Mit dem Bürgerprotest und der folgenden Grenzöffnung veränderte sich das Leben der Künstlerin dramatisch. Über verschiedene Stationen gelangte sie zunächst ins Allgäu und vor zehn Jahren dann nach Nürnberg. Hier fühlt sie sich wohl. Gerade hat sie eine Wohnung in der Nordstadt bezogen, nur 18 Minuten zu Fuß von ihrem Arbeitsplatz entfernt. Im Prinzip arbeitet Pia Praetorius in einem Männerberuf. Denn Dirigentinnen, die es weit gebracht haben, finden sich sogar weltweit relativ selten.

«Es hat viel mit Autorität zu tun, aber man benötigt auch pädagogisches Geschick», beschreibt sie ihre Position im Orchester. Sie verzichtet auf Hilfsmittel wie einen Dirigentenstock. Wenn es möglich ist, platziert sie alle Mitwirkenden so, dass sie gut zu sehen ist. «Musik entsteht nur, wenn ich zeige, was ich will», sagt sie. Dies sei eine Konzentrationsleistung. «Die Musik läuft im Kopf und ich versuche diese Musik zu vermitteln», fügt sie hinzu. Wenn die Töne nicht zueinander passen, müsse sie sofort eingreifen und korrigieren. Eine weitere Aufgabe sehe sie darin, «das Orchester so zu inspirieren, dass es bei der Aufführung über sich hinaus wächst». Diese Leistung sei nicht beliebig reproduzierbar. Daher vermeidet es Pia Praetorius, dasselbe Stück mehr als ein oder zwei Mal zu zeigen.

Danach denkt sie über ein neues Arrangement nach. «Ich arbeite von Projekt zu Projekt», gesteht die Kirchenmusikerin. Eigentlich mache sie fast nichts anderes. Ihr Alltag sei mit dieser Tätigkeit durchwoben. Wenn sie einmal abschalten möchte, zieht sie sich auf ihren «Landsitz» in die Hersbrucker Schweiz zurück und pflegt ihre Rosen.

Was sie antreibt? «Ein inneres Feuer.» Was sie angehenden Dirigentinnen mit auf den Weg geben würde? «Wenn man Geld verdienen möchte, sollte man etwas anderes machen». Sollten aber die nötige Geduld, Ausdauer und Neugierde sowie der Wunsch, mit Menschen gemeinsam etwas zu erarbeiten, im Mittelpunkt stehen, seien schon wichtige Voraussetzungen erfüllt. Sie selber jedenfalls, und das sagt sie nach einer ganz kurzen Denkpause, würde nie etwas anders machen wollen.

Konzerte in St. Egidien: 1. März, 10.30 Uhr, Festgottesdienst und 8. März, 20 Uhr, Konzert & Videoinstallation, weitere Infos

http://www.egidienkirche.de/

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