Vom Speerwerfen ins Handballtor

10.6.2005, 00:00 Uhr
Vom Speerwerfen ins Handballtor

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Zu Zeiten, als Mittelstreckenläufer Karl-Friedrich Haas 1956 in Melbourne die Silbermedaille über 400 Meter holte, gab es in Erlangen eine deutsche Jugendmeisterin im Speerwerfen, später holte sie sich in der gleichen Sportart den Titel als Juniorin.

Werfen, das konnte die junge Sportlerin von der SGS Siemens Erlangen schon immer gut. Wenn man als Nesthäkchen unter drei Schwestern und einem Bruder aufgewachsen ist und auf der Straße wie in Feld, Wald und Flur sich unter einer Horde Jungens durchzusetzen hat, dann muss man schon etwas tun, um nicht unter zu gehen. Unter anderem: nie wie ein Mädchen werfen.

Als 16-Jährige hat Hannelore Menzel dann bei der SGS Siemens auch Handball gespielt und wurde sofort in die erste Mannschaft beordert. Drei Jahre hat sie dort gespielt, in den damals noch ausgetragenen Großfeldspielen im Sturm, denn bei den großen Toren war sie zu klein.

Und dann kam der Ruf des 1. FC Nürnberg. Da hat die Hanne an so manchen Tagen wie auf Kohlen gesessen, dass der Vater mit dem Auto endlich von der Arbeit kam. Dann gabs auf die Schnelle einen Fahrerwechsel, und auf gings ins Training zum Club.

Mit einer ihrer Stärken hat sie so manche Stürmerin zur Verzweiflung gebracht: ihrer Bierruhe. Spektakulär rumhampeln war nicht ihre Sache. Stellungsspiel und ein gutes Auge war gefragt und ihre gefürchtete Fußabwehr. Dafür klappten als gute Werferin die weiten Abwürfe genau auf die Mitspielerin. „Das ging deshalb gut, weil wir sehr schnelle Stürmerinnen hatten“, sagt Hanne Menzel rückblickend.

20 Jahre lang war die gebürtige Erlangerin als Handball-Torhüterin aktiv. Wie viele Spiele sie für den 1. FC Nürnberg bestritten hat, kann sie beim besten Willen nicht mehr sagen, aber die Länderspiele hat sie schon gezählt: Auf 29 hat sie es in sieben Jahren gebracht. Zwei Weltmeisterschaften hat sie erlebt. Bei fünf Deutschen Meistertiteln hat sie mitgewirkt, einmal auf dem Kleinfeld und bei den restlichen in der Halle.

Und auf eines ist sie besonders stolz: Das Silberne Lorbeerblatt für besondere sportliche Verdienste. Eigentlich wollte sie ihre Karriere nach dem 1. FC Nürnberg in Pyrbaum ausklingen lassen, doch dann wurde sie noch einmal in der Zweitliga-Mannschaft des Clubs gebraucht. Also ist sie mit 40 Jahren noch einmal angetreten. Trotz vieler Angebote - ein Wandervogel war die Hanne nie.

Zehn Meisterschaften haben die damals als „Handball-Muttis“ bezeichneten Spielerinnen um Lydia Bauer oder Gerda Reitwießner insgesamt eingefahren. In diesem Jahr kam noch eine elfte durch die heutige Mannschaft dazu. Da ist man den ruhmreichen Fußballern des 1. FC Nürnberg glatt um zwei Titel voraus.

Aber ein Spiel hat die Hanne nie vergessen. Spontan sprudelt es aus ihr heraus: „Das war im Europapokal der Meister gegen Kiew. Das war ein Jahrhundertspiel. Die Clubhalle war proppenvoll. Wir haben 10:5 gewonnen, und ich hatte vier Siebenmeter gehalten. Im Rückspiel haben wir dann aber leider mit sechs oder sieben Toren verloren.“

Gut in Erinnerung sind Hanne Menzel auch die vielen Reisen, ob mit der Nationalmannschaft oder mit dem Verein. „Eine unserer ersten Reisen mit dem Club war nach Israel. Das war wirklich faszinierend.“

Eine Sportlerkarriere ohne ein Bonmot ist wie nicht gelebt. Da schmunzelt Hanne Menzel: „Ich habe damals zu der für Bayer Leverkusen spielenden Heike Schukies gesagt: Wenn du mal deutscher Meister werden willst, dann komme nach Nürnberg. Wir sind danach nie wieder Meister geworden.“

Heute, so blickt Hannelore Menzel auf die deutschen Meisterinnen von 2005, „ist das Spiel athletischer geworden, es gibt mehr Wurfvarianten, und über die 60 Minuten wird insgesamt schneller gespielt. Ich habe mich echt über die Erfolge der Mannschaft von Trainer Herbert Müller gefreut. Schade, dass niemand auf die Idee gekommen ist, die alten Meister einzuladen.“ Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Denn eines haben die beiden Mannschaften gemeinsam: den Zusammenhalt. Trotz finanzieller Engpässe hat sich das Team um Cora Christenau in diesem Jahr vom Pokalsieg und vom Titelgewinn nicht abhalten lassen.

„Fünf Mark gab es für einen Trainingsabend“

Über finanzielle Engpässe kann Hanne Menzel allerdings nur schmunzeln, wenn sie sich an ihre Zeit erinnert: „ Fünf Mark gab es für einen Trainingsabend und zehn für einen Punkt. Und das ist hinterher beim Zusammensitzen in der alten Club-Gaststätte sofort wieder draufgegangen und hat natürlich nicht gereicht. Überhaupt, das Umfeld war wie eine große Familie. Das Wichtigste war das Zusammenkommen. Wir waren ja auch alle aus der Region. Aber auch mit den anderen Abteilungen hatten wir guten Kontakt.“

Fußball spielten die Alt-Meisterinnen mit ebenso viel Begeisterung wie heute die Nachfolgerinnen. „Manchmal waren wir krachkaputt vom Training und hatten Muskelkater. Aber wenn dann ein Ball ins Spiel kam, sind wir wieder gerannt“, erinnert sich die Hanne.

Auch heute noch treffen sich die „Handball-Muttis“ regelmäßig. Zumindest die Kartelrunde am Mittwoch, wo Rommé gespielt wird. Sportlich lässt es Hanne Menzel heute natürlich langsamer angehen. Nordic Walking wird von ihr bevorzugt, und sie schwingt sich auch mal aufs Fahrrad. Mit Tennis muss sie da schon bremsen, denn im rechten Knie ist als Andenken vom Handball eine Arthrose zurückgeblieben. Und beruflich hat sich bei ihr nicht viel geändert. Bei der Personalabteilung von Siemens Erlangen kann sie 40-jähriges Jubiläum feiern.

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