Die Binghöhle bei Streitberg

10.10.2010, 04:28 Uhr
Die Binghöhle bei Streitberg

© Ute Fürböter

Der idyllische Luftkurort gefiel schon Ignatz Bing. Und hier gelang dem Nürnberger Geheimen Kommerzienrat und Spielwarenfabrikanten 1905 eine sensationelle Entdeckung. Am südwestlichen Steilhang des Schauertals stieß er auf eine Höhle. Alle Welt hatte dort bloß ein Dachsloch vermutet.

Wenige Jahre vor seinem Tod im Jahr 1918 erklärte Bing überglücklich: „Die von mir entdeckte und erschlossene Bing-Höhle bildet für den Franken-Jura das hervorragendste Naturwunder, zu dem alljährlich Tausende wandern, um sich daran zu erfreuen und zu erheben...“

Tatsächlich waren auf Anhieb 7000 Menschen in die 1906 eröffnete Schauhöhle geströmt. Mittlerweile lockt sie jährlich zwischen 35.000 und 40.000 Besucher an. Einfach, weil sie wirklich von märchenhafter Schönheit ist. Weil man hautnah wie nirgends sonst an faszinierenden Tropfsteingebilden vorbei kommt. Weil man wie durch eine Bildergalerie spaziert. Weil man unvergleichliche Kristallbildungen sieht.

Forscherfrühstück in Bings „Villa Marie“

Alle Wege vom Bahnhof in Streitberg bis hinauf zur Höhle – sie liegt immerhin 375 Meter über Normalnull – sind bestens ausgeschildert. Und alle führen zunächst Richtung Dorfplatz. Bevor man ihn passiert, sollte man sich einen Blick auf die „Villa Marie“ gönnen, wo Ignatz Bing gewohnt hat. Besuchern, die der Besitzer persönlich durch seine Höhle geführt hatte, reichte er anschließend hier ein Frühstück. Die Villa befindet sich zwischen dem „Posthotel“ (außer Betrieb) und dem ehrwürdigen Gasthof und Hotel „Schwarzer Adler“ (geöffnet 11.30 Uhr bis 20 Uhr, kein Ruhetag) am Ende einer kleinen Gasse. Auffällig sind der turmartige Anbau sowie die Geweihe an der Fassade des Haupthauses.

Die Binghöhle bei Streitberg

Gleich hinter dem „Schwarzen Adler“ zweigt die kürzeste Strecke ab. Binnen 15 Minuten ist man schon vorm Höhleneingang – und außer Puste nach den vielen Stufen. Die bequemere Tour geht geradeaus über den Dorfplatz. Nach ein paar Metern stoßen wir links auf den Wegweiser. Der „Höhlenweg“ führt uns ans Ziel. Die Steigung hält sich in Grenzen. Und man hat dabei einen traumhaften Blick auf die Ruine Neideck. Sie thront auf steilem Fels – davor blitzt Streitbergs goldene Kirchturmspitze.

Hinab in die Unterwelt geht es nur mit Führer. Trotzdem muss man nicht lange vor dem Eingang warten. Dafür sorgen fünf festangestellte Leute. Und die sprühen vor Wissen. Allein hätten wir nicht einmal die wichtigste Besonderheit herausgefunden.

Steter Tropfen höhlte den Stein

Also: Diese fränkische Jurahöhle verdankt als einzige in unserer Gegend ihre Entstehung einem ehemaligen unterirdischen Fluss. Dabei handelte es sich um einen Zubringer der damals höher fließenden Wiesent. Vor 150 bis 200 Millionen Jahren, als oben Dinosaurier herumstampften, besaß dieser Höhlenfluss einen Durchfluss von 1550 Liter pro Sekunde. Die heute größte Karstquelle der Fränkischen Schweiz, die Stempfermühlquelle bei Behringersmühle, bringt es nur auf 570 Liter pro Sekunde.

Der Höhlenfluss strömte vom jetzigen Ausgang zum Eingang der Höhle. Ihre Anlage und Raumformen besitzen jedenfalls einen völlig anderen Charakter als beispielsweise Sophien- oder Teufelshöhle. Riesige Hallen sucht man hier vergeblich. Die Binghöhle liegt auch nicht im Schwammkalk oder Dolomit, sondern in geschichtetem Kalk. Herrschen drunten nun neun oder zwölf Grad Celsius, sommers wie winters? Nebensächlich! Zumal man sich unentgeltlich warme Jacken ausleihen kann.

Und gleich noch eine frohe Botschaft, diesmal für Hundebesitzer: Ihre Lieblinge dürfen mit auf Expedition gehen. An der Leine, klar. Außerdem kosten die Vierbeiner extra. Aber nur 50 Cent. Das Vergnügen der Tiere dürfte sich jedoch in Grenzen halten. An der majestätischen Riesensäule in der Dr.-Kellermann-Grotte muss man sich vorbeiwinden. Trotzdem ist der Ausflug absolut ungefährlich.

Meist kann man wie auf einem Promenadenweg wandeln. Manchmal muss man den Kopf einziehen. So ist die Höhe gleich hinterm Eingang nur 140 Zentimeter hoch. Die durchschnittliche Breite beläuft sich auf ein bis zwei Meter. An der tiefsten Stelle befindet man sich 30 Meter unter dem Waldboden.

Die Augen gehen über. Zuerst in der Tropfsteingalerie, dann im Kerzensaal von einzigartiger Schönheit. Vor dem Diamant-Felsen mit seinen glitzernden Kristallen. Später beim Anblick des Muschel-Felsens mit Tausenden von ausgewaschenen Muscheln des Jurameeres. In der herrlichen Kristallgrotte, die seit dem Besuch des ehemaligen Prinzen von Bayern im Jahre 1908 auch „Prinz-Ludwig-Grotte“ genannt wird – die Aufzählung ist unvollständig. In einem kleinen See am bisherigen Ende der Höhle – sie ist auf einer Länge von rund 300 Metern erschlossen, zu Bings Zeiten waren es nur 230 Meter – wurden bei Wasserproben im Jahr 2005 Urzeitkrebse entdeckt. Diese Tierchen galten bereits seit 80 Jahren in Franken als ausgestorben und haben sich in den vergangenen 350 Millionen Jahren kaum verändert. Wir haben natürlich keine zu Gesicht bekommen.

Wir steigen 55 Stufen, dann sind wir wieder am Tageslicht. Wer sich nun ebenfalls ins Abenteuer stürzen möchte, sollte sich sputen. Mit einem Kindernachmittag am 2. November (Anmeldung nicht erforderlich) endet nämlich die Höhlensaison. Danach muss man sich bis Mitte März 2011 gedulden.

www.binghoehle.de

Anfahrt: R-Bahn 2 bis Forchheim, dort umsteigen in R 22 bis Ebermannstadt. Weiter mit Regionalbus 389 nach Gößweinstein.

Mit dem Auto: A 73 bis Forchheim, dann B 470 über Ebermannstadt.

Öffnungszeiten: täglich von 9 – 17 Uhr, bis 2. November.

Eintrittspreise: Erwachsene 3,50 Euro, Kinder (4-14) 2 Euro, Schüler 2,50 Euro. Familienkarten (2 Erwachsene, bis zu 4 Kinder) 9 Euro.

Führung außerhalb der Öffnungszeiten auf Anmeldung in der Touristinformation Muggendorf/Streitberg, Forchheimer Str. 8, 91346 Wiesenttal, Tel. 09196/19433

In der Touristinformation lagern Funde aus der Binghöhle, von Keramik aus der Bronzezeit über mittelalterliche Fallen bis hin zu Tierknochen.