Echte Nürnberger Knöpfe
04.10.2011, 18:08 Uhr
Dieses Museum sollte es sein. Es war der Wunschort der Familie Reuter. Hier sollte dieses gewichtige Stück ihrer Vergangenheit einen neuen Platz finden und für alle erfahrbar werden. Denn die Geschichte der Fabrik handelt nicht nur von Knöpfen. Es geht auch um das düsterste Kapitel dieses Landes, um die Folgen der Nazi-Herrschaft und um eine besondere Freundschaft.
Anneliese Reuters Vater Christian Büttner hatte 1906 im Alter von 13 Jahren seine Ausbildung in der Knopffabrik begonnen, die das jüdische Brüderpaar Hieronymus und Adolf Herzfelder gegründet hatte. 1938 mussten deren Nachkommen ihren Betrieb für einen Bruchteil seines tatsächlichen Werts an einen neuen Besitzer verkaufen und aus Deutschland fliehen. Geschäftsführer unter dem neuen Inhaber wurde Christian Büttner. Er ließ nach dem Krieg die zerstörte Fabrik in der Gibitzenhofstraße wieder aufbauen.
Schon 1945 bekam er von der US-Militärregierung die Erlaubnis, erneut Knöpfe zu produzieren. Und er setzte sich dafür ein, dass die Herzfelders ihr Eigentum zurückbekommen – mit Erfolg: Im Jahr 1950 war dieses Ziel erreicht. 1951 wurde Christian Büttner zum Teilhaber, 1956 zum alleinigen Besitzer des Betriebs. „Die Herzfelders haben meinem Vater nach dem Krieg gefragt, ob er die Firma übernehmen will“, erzählt Anneliese Reuter. „Sie hatten selber keine Nachkommen mehr.“
Ein altes Foto in der Ausstellung des Museums Industriekultur zeigt Christian Reuter mit seiner Frau Rosine und dem Ehepaar Theodor und Ida Herzfelder. Sie waren Freunde geworden. Und so wurden Knöpfe auch zum Lebensthema der Reuters. Anneliese Reuter arbeitete im Betrieb ihres Vaters mit und wurde nach dessen Tod Besitzerin. Ihre Tochter Stefanie wuchs sozusagen in der Knopffabrik auf, kam jeden Tag nach der Schule und half den Arbeiterinnen beim Sortieren der Hirschhorn-Knöpfe. Später hat sie Betriebswirtschaft studiert; das Lebenswerk ihres Großvaters ist ihr ein Herzensanliegen geblieben.
Die Firma, die einst in viele Länder der Welt lieferte, konnte irgendwann mit der Billigkonkurrenz nicht mehr mithalten. 1974 wurde die Produktion eingestellt, aber immerhin weiter ein erfolgreicher Großhandel mit Knöpfen betrieben. Im Mai dieses Jahres löste Anneliese Reuter die Firma aus Altersgründen auf – nach 132 Jahren endet damit die Geschichte der Knopffabrik Herzfelder in Gibitzenhof.
Stefanie Reuter-Auernheimer freut sich sehr, dass das Museum Industriekultur das Erbe ihrer Familie bei sich aufgenommen hat. „Es kam für uns nur dieses Haus infrage.“ Ein großer Teil des Fundus’ befindet sich im Depot, ein kleiner ist in Vitrinen ausgestellt. „Für uns ist diese Sammlung ein enormer Glücksfall“, sagt Kuratorin Regine Franzke. „Es sind traumhaft schöne Stücke dabei.“
Museum Industriekultur, Äußere Sulzbacher Straße 62. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 9 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag, 10 bis 18 Uhr, Tel. 231-3875, wwww.museum-industriekultur.de
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