Eine einmalige Erfolgsgeschichte

7.11.2010, 11:30 Uhr
Eine einmalige  Erfolgsgeschichte

© Manfred Marr

Seit den 1930er Jahren hat Nürnberg als Radsport-Hochburg einen guten Namen. Die vielen Welt-, Europa- und deutschen Meistertitel waren allerdings stets reine Männersache. Frauenradsport war bei den Vereinen der Region nie ein Thema. Auch 1991 noch nicht, als man das erste Radrennen um die Nürnberger Altstadt durchführte. „Diese tolle Veranstaltung ist ohne ein Frauenrennen nur eine halbe Sache“, kritisierte damals Ilse Lehner-Eckhart, die Frauenwartin des Bayerischen Radsport-Verbandes. Zwei Jahre lang kämpfte sie unerbittlich, bis ab 1993 alljährlich auch schnelle Radamazonen um die Stadtmauern brausten.

Mit diesem Erfolg gab sich die couragierte Nürnbergerin jedoch nicht zufrieden. Ihr Ziel war es, den immer populärer werdenden Frauenradsport auch in Nürnberg zu etablieren. Mit Herbert Oppelt, dem damaligen Vorsitzenden des Tourenclubs Nürnberg, fand sie einen ebenso begeisterten Mitstreiter. „Der Frauenradsport ist bei uns in Deutschland entwicklungsfähig, man muss dafür aber noch sehr viel tun“, stellten beide übereinstimmend fest und schmiedeten gemeinsam Pläne für eine erste Nürnberger „Bundesliga-Damen-Mannschaft“ die im Trikot des „Tourenclubs“ starten sollte.

Tatkräftig unterstützt wurden Ilse Lehner-Eckhart und Herbert Oppelt vom damaligen BRV-Straßenfachwart Hans Schleicher (RV Karbach). 1994 entstand so das erste Nürnberger Bundesliga-Team. Stolz präsentierte man acht junge Frauen, eine Auswahl bayerischer Spitzenfahrerinnen. Ilse Lehner-Eckhart und Hans Schleicher fungierten als sportliche Leiter. Schleichers 18-jährige Tochter Regina, die Jüngste der Mannschaft, sorgte für eine echte Sensation , als sie in Braunfels überraschend die Straßen-DM gewann.

Dieser Meistertitel und zahlreiche weitere Siege waren eine gute Basis für die weitere erfreuliche Entwicklung des Damen-Radsports. Bereits 1995 hatte man beim TCN erneut Grund zum Feiern. Im tschechischen Trutnov gewann Regina Schleicher nach rasantem Endspurt die „U23“-Europameisterschaft. Auch in der Bundesliga lief es für die TCN-Mädels immer besser, doch Herbert Oppelt war noch nicht zufrieden, nachdem seine Mädels drei Jahre lang hinter dem RSC Regensburg den zweiten Platz erkämpft hatten. „ Wir müssen unsere Mannschaft verstärken“, lautete seine Parole. Die 18-jährige Allgäuerin Kerstin Scheitle und die Hamburgerin Susanne Plambeck waren als „erste Einkäufe“ zwei absolute Volltreffer. Scheitle kam als Vize-Weltmeisterin und deutsche Meisterin der Juniorinnen nach Nürnberg, Plambeck war langjährige erfolgreiche Nationalfahrerin. Mit ihrem Ehemann Frank Plambeck, der einst als Amateur zur deutschen Spitzenklasse zählte, fand das fränkische Frauen-Team außerdem seinen ersten sportlichen Leiter, der die TCN-Frauen zu vielen weiteren großen Erfolgen führte.

Eine einmalige  Erfolgsgeschichte

Einen weiteren großen Schritt nach vorne brachte das Jahr 1997, als es gelang, die amtierende Straßen-Weltmeisterin Barbara Heeb aus der Schweiz für das Team zu gewinnen. Im folgenden Jahr kam es zu einer Fusion: Vier Schweizerinnen und zehn deutsche Fahrerinnen bildeten nun ein Mix-Team, das den Schriftzug „Nürnberger-Emmi“ auf dem Trikot trug, nachdem man die Nürnberger Versicherung und die Schweizer Großmolkerei Emmi als gemeinsame Sponsoren gewonnen hatte. Vom verstärkten neuen Team wurden nun vor allem internationale Erfolge erwartet, für die Top-Fahrerin Barbara Heeb auch prompt sorgte: Die Allrounderin wurde WM-Dritte, war Zweite der Tour de France, und zur Freude der fränkischen Fans gewann sie zweimal hintereinander das Rennen rund um die Altstadt.

Im Jahr 2000 wurde die Nürnberger Versicherung alleiniger Hauptsponsor

Nachdem der Schweizer Co-Sponsor trotz der vielen Erfolge wieder ausgestiegen war, wurde die Nürnberger Versicherungsgruppe ab dem Jahr 2000 alleiniger Hauptsponsor der Mannschaft, die nun als „Equipe Nürnberger Versicherung“ startete. Die deutsche Ex-Meisterin Vera Hohlfeld und die Neuseeländerin Jacinda Coleman verstärkten das Team, das zahlreiche internationale Rennen gewann und in der Bundesliga souverän den Ton angab. Die Equipe gewann die Bundesliga-Teamwertung 2000 überlegen und mit Kerstin Scheitle erstmals auch die Einzelwertung.

Weitere internationale Verstärkung erhielt die Nürnberger Equipe 2001 durch Schwedens mehrfache Meisterin Jenny Algelid und Österreichs Straßenmeisterin Andrea Purner. BeiAlgelid begeisterte mit ihrem Solo-Sieg beim Altstadtrennens 1997, den sie 1998 wiederholte.

Eine noch günstigere Situation ergab sich 2002 für die Equipe, als feststand, dass sich die Nürnberger Versicherung als Sponsor der Männer-Mannschaft „Team Nürnberger“ zurückziehen wird, um sich künftig nur noch im Frauen-Radsport zu engagieren. Team-Manager Herbert Oppelt nutzte diese Chance clever. Nach Hanka Kupfernagel, und der Australierin Margret Hemsley verpflichtete Oppelt Ende 2002 die beiden damals erfolgreichsten deutschen Fahrerinnen Petra Roßner und Judith Arndt.

Eine einmalige  Erfolgsgeschichte

Mit Arndt und Roßner kam auch Junioren-Europameisterin Trixi Worrack aus Cottbus, womit Herbert Oppelt für die Saison 2003 endlich sein lange ersehntes „Dream Team“ komplett hatte, das nun als erstes und einziges deutsches Frauen-Profi-Team die UCI-Lizenz erhielt. Während Hanka Kupfernagel und Jenny Algelid nach viel Verletzungspech und Krankheiten nicht mehr an alte Erfolge anknüpfen konnten, trumpften nun Worrack, Arndt und Roßner ganz groß auf: Trixi Worrack holte in Spalt den deutschen Meistertitel, Arndt und Roßner begeisterten bei Klassikern und Weltcup-Rennen.

2004 eroberte die Equipe erstmals die Spitze der Weltrangliste, die Judith Arndt zugleich in der Einzelwertung anführte. Sämtliche deutschen Meistertitel gingen ab sofort an das Nürnberger Profi-Team, gekrönt wurde das Rennjahr 2004 mit der Silbermedaille, die Judith Arndt nach bravourösem Rennen bei den olympischen Spielen in Athen gewann.

Einen mindestens ebenso wichtigen „Sieg“ errangen Equipe-Chef Herbert Oppelt und sein Sohn Alexander im Jahr 2005 nach zähen Verhandlungen mit dem Radsport-Weltverband UCI: Das Frauen-Rennen um die Nürnberger Altstadt erhielt den Weltcup-Status. Die große Freude und Ehre wurde komplettiert, als die Australierin Oenone Wood, die man 2005 ins Team holte, den bislang einzigen Weltcup-Gesamtsieg für die Equipe erkämpfte. Auch bei den Weltmeisterschaften mischten Fahrerinnen der Equipe Jahr für Jahr kräftig mit. Zweimal trumpften sie ganz groß auf: Judith Arndt gewann 2005 den Straßen-Titel und Regina Schleicher, die nach fünf Jahren in Italien zurückgekehrt war, erkämpfte sich das Regenbogentrikot der Weltmeisterin 2006. Die unglaubliche Erfolgsbilanz der Equipe erreichte damit ihren Höhepunkt.

Letzte Glanzlicher durch Trixi Worrack

Internationale Rundfahrt-Siege, deutsche Meistertitel in Serie und Bundesliga-Siege konnte man bei der Equipe auch in den folgenden Jahren noch reichlich feiern. Einer der letzten großen Höhepunkte war der zweite Platz von Trixi Worrack bei der WM 2008. Trixi Worrack war es auch, die nach dem Ausstieg der Nürnberger Versicherung das nun in Equipe Noris Cycling umbenannte Team mit großer Energie anführte. Obwohl das Notbudget 2010 nicht für das übliche Trainingslager und auch nicht das gewohnte Rennprogramm reichte, schlugen sich Trixi Worrack und ihre verbliebenen Teamgefährtinnen sehr beachtlich.

Worrack wurde Siebte der Straßen-WM, Madeleine Sandig holte die deutsche Bergmeisterschaft, Bianca Purath gewann die Einzelwertung und die Equipe zum achten Mal in Folge die Teamwertung der Bundesliga. Am meisten freuten sich Herbert und Alexander Oppelt über Worracks Abschiedsgeschenk, den Sieg beim Nürnberger Altstadtrennen.
 

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