Frankens Forscher: Geschichte und Geschichten in Stein gemeißelt

10.3.2017, 17:45 Uhr
Frankens Forscher: Geschichte und Geschichten in Stein gemeißelt

© Hermann Rusam

*Die Neunhöfer Marter mit den vier Steinkreuzen (Standort: Obere Dorfstraße, am Südrand von Neunhof). Das Steinkreuznest mit der fast dreieinhalb Meter hohen Martersäule steht an der alten Gemeindegrenze von Neunhof und Kraftshof. Die Martersäule mit ihrem rechteckigen Schaft und dem von einem Satteldächlein bekrönten kastenförmigen Bildaufsatz stammt aus dem Spätmittelalter. Die Südseite zeigt Maria und Johannes unter dem Kreuz, die Nordseite die Gegoriusmesse und auf der Westseite den heiligen Leonhard.

Die Neunhöfer Marter gilt als das älteste Flurdenkmal um Nürnberg, für das ein urkundlicher Beleg gefunden werden konnte. Um 1435 musste sie vom Täter als Sühnemal für den Totschlag an einem angesehenen Kraftshofer Bauern gesetzt werden. Auf der Rückseite des Schaftes befindet sich ein einer Speerspitze ähnelnder Handwerkszinken. Mit diesem Zeichen markierten einst böhmische Hafner Treffpunkte der wandernden Handwerksburschen. Zur ursprünglichen Gruppe gehörten nur die Steinkreuze rechts und links der Marter. Die beiden etwas abgerückt stehenden Steinkreuze wurden erst um 1896/9 hierher gebracht.

Der Sage nach sollen hier während des Bauernkrieges dreißig katholische Pfarrherren von Bauern hingerichtet worden sein. Andere vermuten hier ein Soldatengrab aus dem Dreißigjährigen Krieg. Früher erwartete der Kraftshöfer Pfarrer bei der Flurdenkmälergruppe den von Neunhof kommenden Leichenzug und geleitete ihn unter Glockengeläut zum Friedhof. Noch in jüngerer Zeit sollen Bauern vor der Martersäule ihren Hut gezogen haben. Die vier wuchtigen Steinkreuze mit der hochstrebenden Martersäule und den Türmen und Mauern der Kraftshöfer Wehrkirche im Hintergrund zeigen das von einem feierlichen Ernst getragene Bild einer altfränkischen Landschaft, wie es heute nru noch selten in dieser Schönheit zu finden ist.

*Die Kundigundenmarter (Standort: Bucher Hauptstraße 43). Jahrhunderte hindurch stand die durch ihre Massigkeit und Höhe auffallende Kunigundenmarter auf freiem Feld, etwa 100 Meter südlich des früheren Dorfeingangs von Buch. Rechts und links war sie flankiert von je einem wuchtigen Steinkreuz. Die Martersäule selbst mag auf eine fromme Stiftung zurückgehen, während die Steinkreuze vermutlich als Sühnekreuz von einem Totschläger als kirchliche Buße gesetzt werden mussten. Um 1880 sollen die beiden Steinkreuze bei Nacht und Nebel beseitigt worden sein.

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© Hermann Rusam

Die Gesamthöhe dieses größten Flurdenkmals im Knoblauchsland beträgt etwa 410 Zentimeter. Auf dem derb gestalteten Sockel steht ein auf drei Seiten mit gotischen Blendnischen verzierter hoher Schaft. Bildaufsatz mit Satteldach darüber sind zu fast bizarr erscheinenden Formen verwittert. Die Kreuzigungsgruppe im Bildaufsatz zeigt Christus mit ausgestreckten Armen an einem Kreuz hängend, dessen Arme wie Äste eines Baumes geschweift sind (sog. Astkreuz). Maria hat die Hände vor der Brust gefaltet, während Johannes klagend seinen Kopf auf die linke Hand stützt. Die beiden knienden Figuren unterhalb des Bildaufsatzes, vermutlich die Stifter der Säule, wurden von der Bevölkerung als Kaiser Heinrich II. und seine Frau Kunigunde gedeutet. Im Volksmund entstand daher der 1515 überlieferte Name S. Kunles-(= Kunigunden) Marter. Als marter bei puch wurde der Bildstock aber schon 1441 erwähnt. Ein weibliches Skelett und ein Totenschädel, die man bei der Marter gefunden hat, sprechen dafür, dass es sich bei den beiden Steinkreuzen tatsächlich um Sühnekreuze handelte.

*Das Zigeunergrab (Standort Kraftshofer Hauptstraße, gegenüber Hausnummer 96). Der an der ehemaligen Gemeindegrenze von Kraftshof und Buch stehende geradezu grazil wirkende Bildstock erhielt im Volksmund den Namen Zigeunergrab. 1906 hatte man in der Nähe ein auf einem flachen Holztrog gebettetes Skelett gefunden. Löcher im Schädel deuten auf einen gewaltsamen Tod hin. Ob dieser mit dem bei Zigeunern mehrfach bezeugten Brauch in Verbindung steht, alte, der Familie zur Last fallende Stammesangehörige zu töten, sei hier dahingestellt. Als seinerzeit der mit der Ausgrabung betraute Konservator die Knochenreste mitnehmen wollte, versuchten Kraftshöfer Bauern ihn daran zu hindern, hielten sie ihn doch allen Ernstes für den Hauptmann von Köpenick.

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© Hermann Rusam

Nahe der Martersäule sollen sich Anfang des vorigen Jahrhunderts noch drei kleine umgefallene Steinkreuze befunden haben. Der Sockel des Bildstocks verschmälert sich nach oben zu einem schlanken Schaft. Er wird, ebenso wie der Sockel selbst, an allen vier Seiten von einem Linienornament verziert. Eine Platte trennt den Schaft von dem ungewöhnlich hohen Bildaufsatz.

Die heutige Gesamthöhe der Marter beträgt etwa dreieinhalb Meter. Der Bildaufsatz zeigt im Osten die Kreuzigungsgruppe und an der westlichen Wetterseite das stark verwitterte
Relief eines Engelskopfes mit Flügeln. Die Fruchtgirlanden an den anderen beiden Seiten des Bildaufsatzes deuten darauf hin, dass der Bildstock im Mittelalter bei Bittprozessionen als Evangelienstation diente. Hier erflehte die Gemeinde den Segen des Himmels für das Gedeihen der Früchte auf dem Felde. Die für das Knoblauchsland ungewöhnliche künstlerische Ausgestaltung weist auf die Renaissance als Entstehungszeit hin. Der Bildstock dürfte kurz vor Einführung der Reformation in Nürnberg 1525 gestiftet worden sein.

*Der Blaue Stein (Standort: Georg-Höfler-Weg 6). Nur zwei Ruhesteine des Knoblauchslandes haben die Zeiten überdauert. Der eine steht neben einem Steinkreuz an der Einmündung des Kreuzsteinweges in die Poppenreuther Straße, der andere ist der hier stehende sogenannte Blaue Stein. Dieser wurde bereits 1467 mit den Worten bei den ruepäncken erwähnt. Ursprünglich stand er ungefähr zwölf Meter nördlich an der Bamberger Straße mitten im Acker.

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© Hermann Rusam

Er besteht aus einem etwa 82 Zentimeter hohen einfachen Sandsteinblock, der oben eine Stufe aufweist. Für die Sargträger, die früher die Toten von Lohe, Almoshof oder Schnepfenreuth zum Poppenreuther Friedhof schafften, diente der Blaue Stein als Totenraststein. Die Kötzenträgerinnen wiederum benutzten ihn als Abstellplatz für ihre Rückentragelasten. Der Stein war gerade so hoch, dass man in den Tragriemen ausruhen konnte, ohne die Rückenlast abnehmen zu müssen. Gelegentlich soll es freilich vorgekommen sein, dass die Kötzn aus Unachtsamkeit umkippte und die Tragriemen sich so unglücklich um den Hals der Trägerin legten, dass diese erdrosselt wurde. Im Volk glaubte man daher, der Stein würde geradezu den Tod anziehen, nachdem hier schon so viele Särge abgestellt worden waren.

Im 19. Jahrhundert erhielt der Stein eine weiß-blaue Bemalung, auf die sein heutiger Name Blauer Stein zurückgeht. Er diente damals als Wegweiser zu den fünf benachbarten Dörfern Thon, Schniegling, Höfles, Poppenreuth und Schnepfenreuth. 1956 wurde der Stein, wie hier abgebildet, vom Verein Deutsche Steinkreuzforschung restauriert. Reste der Bemalung waren noch um 1990 vorhanden. Die Informationstafel soll dazu beitragen, dass eines der ältesten Flurdenkmäler des Knoblauchslandes die ihm gebührend beachtet wird.

Es wäre für den Verfasser dieses Beitrages eine große Freude, wenn der eine oder andere Leser der NZ sich selbst einmal auf den Weg machen würde, um die vier beschriebenen Flurdenkmäler vor Ort auf sich wirken zu lassen.

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