Frankens ForscherI: Für König Karl IV. waren Juden nur eine Geldquelle

9.2.2018, 19:03 Uhr
Frankens ForscherI: Für König Karl IV. waren Juden nur eine Geldquelle

© Stadtarchiv Nürnberg

Die erste sichere Kunde von Juden in Nürnberg stammt aus dem Jahr 1146, als der erste Stauferkönig Konrad III. die in den rheinischen Gebieten verfolgten Juden in Nürnberg aufnahm. Lange war man der Ansicht, dass damals am Südende der Sebalder Stadt in der sumpfigen und ungesunden Talaue der Pegnitz, die immer wieder von Überschwemmungen heimgesucht wurde, ein erstes Judenviertel entstand. Doch weder "archivalische noch archäologische Belege" (Birgit Friedel) können diese These stützen.

Erst das IV. Laterankonzil 1215 legte für Juden den Ghettozwang fest, und so spricht Vieles dafür, dass erst um die Mitte des 13. Jahrhunderts den Juden das Gelände des späteren Haupt- und Obstmarktes als Ghetto zugewiesen wurde. Um diese Zeit der wirtschaftlichen Blüte Nürnbergs war auch die vorletzte Stadtmauer vollendet worden, die auch das Judenviertel umschloss. Rasch nahm die Judengemeinde Nürnbergs an Zahl und Bedeutung zu. Einen Höhepunkt dieser Entwicklung stellte 1296 zweifellos die Einweihung der ersten Synagoge an der Stelle der späteren Frauenkirche dar.

1298 kam es in ganz Franken zu einem grauenvollen Progrom (so genannter "Rindfleischpogrom"). Anlass war ein angeblicher Hostienfrevel. Eine Hostie soll von Juden mit Nadeln durchstochen und in einem Mörser zerstampft worden sein. Daraufhin habe sie zu bluten angefangen. Um der Verfolgung zu entgehen, flohen die Nürnberger Juden auf die Burg ihres königlichen Schutzherrn. Hier, wie so oft, erwies sich aber der königliche Schutz auch bei der Judenverfolgung am 1. August 1298 als wirkungslos.

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© Stadtarchiv Nürnberg

Die Nürnberger Burg wurde gestürmt und teilweise niedergebrannt. 628 jüdische Männer, Frauen und Kinder wurden erschlagen. König Albrecht sah in dem Judenmord einen Einbruch in seine Reichssphäre und in der Tötung so vieler Juden eine Schmälerung seiner Einkünfte. In Nürnberg wurden mehrere Landfriedensbrecher aus der Stadt verbannt, eine Strafe, die im Verhältnis zum Umfang der Gräueltaten mehr als gnädig war. Immerhin waren König und Rat gewillt, Ruhe und Ordnung wieder herzustellen. Für den Kaiser stellten die Juden eine ergiebige Geldquelle dar. Für seine Schutzherrschaft erhielt er von den Nürnberger Juden um die Mitte des 14. Jahrhunderts jährlich 2000 Pfund Heller, das heißt genauso viel, wie von der gesamten übrigen Nürnberger Bevölkerung. 1348 hatten die Handwerker in Nürnberg im so genannten Handwerkeraufstand den patrizischen Rat gestürzt und einen Handwerkerrat eingesetzt.

Ende November 1349 kam Karl IV. nach Nürnberg und setzte am 1. Oktober wieder einen patrizischen Rat ein. Als der König nach Prag abgezogen war, sandte ihm der Rat den Ratsherrn Ulrich Stromer nach, der am 16. November 1349 die Ausstellung der so genannten Markturkunde erreichte, die der Stadt die Verfügungsgewalt über das Judenviertel zusprach. Der König gab die Genehmigung angesichts des Mangels der Stadt an einem großen Platz "daran die leut gemeinlich an (=ohne) gedrenge kaufen und verkaufen mügen". Karl IV. verzieh der Stadt im Voraus, falls beim Abbruch des Judenviertels die unter seinem Schutz stehenden Juden zu Schaden kommen sollten.

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© Andreas Würfel/Historische Nachrichten von der Juden-Gemeinde, Nürnberg 1755.

Die Markturkunde machte den Weg frei zu einer der blutigsten Judenverfolgungen in Nürnberg. Zwischen dem 5. und 7. Dezember 1349 fiel die Nürnberger Bevölkerung über die Juden her und erschlug und verbrannte sie, ohne dass der Rat dagegen einschreiten wollte oder konnte. Einer späteren Überlieferung nach sollen die Juden auf dem Judenbühl, dem heutigen Stadtpark, verbrannt worden sein. Doch gibt es dafür keinen sicheren Beleg. Wie das seit der Judenverfolgung von 1298 weitergeführte und heute in der Schockenbibliothek in Jerusalem aufbewahrte "Memorbuch Machsor" der Judengemeinde berichtet, sind damals 562 Personen dem Progrom zum Opfer gefallen. Ganze Familien mit bis zu 12 Personen wurden ermordet. Unter den Opfern befanden sich auch etliche Nachkommen der 1298 Getöteten. Nach der Zählung von 1338 betrug die Zahl der Juden in Nürnberg 2006, bei einer geschätzten Gesamteinwohnerzahl von 15 000.

Anlass für die Judenverfolgung von 1349 war in Nürnberg nicht die Pest, die hier erst zwei Jahre später ausbrach. Nach dem früheren Stadtarchivdirektor Werner Schultheiß öffnete offensichtlich der von König Karl IV. eingesetzte neue patrizische Rat dem Pöbel ein Ventil für dessen Unmut über den Zusammenbruch des Handwerkerrats, über die drohende Bestrafung der Aufrührer und über die durch das Stocken des Handels eingetretene Finanznot der Stadt.

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© Stadtarchiv Nürnberg

In einem Aufsatz von 1978 zeigte Professor Wolfgang von Stromer, ein Nachfahre jenes Ulrich von Stromer, die besondere Rolle auf, die Karl IV. beim Judenmord in Nürnberg spielte. Wie aus mehreren Urkunden eindeutig hervorgeht, war für den König schon Monate vor dem Pogrom der Mord an den Juden eine beschlossene Sache. Als Beleg sei eine Urkunde vom 27. Juni 1349 angeführt. In ihr versprach Karl IV. seinem Hauptwidersacher, dem Markgrafen Ludwig von Brandenburg, dafür, dass dieser ihn endlich als König anerkannte, nach freier Wahl drei der besten Judenhäuser zu Nürnberg "wann die juden daselbst nu nehst werden geslagen". Der König, der die erste deutsche Universität in Prag gegründet hatte, der als der gebildete Fürst seiner Zeit galt, der christliche Herrscher des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, ist zugleich der "hauptverantwortliche Schreibtischtäter" (von Stromer) am Judenprogrom von 1349. In unversöhnlicher Schroffheit stehen sich die Gegensätze gegenüber. Auf dem Teil des Judenviertels legte man nun zwei Märkte an, den Haupt- und den Obstmarkt. Das Gelände wurde aufgeschüttet und planiert. Der neue Hauptmarkt entwickelte sich zum geschäftlichen Mittelpunkt der beiden nun verbundenen Stadthälften. An der Stelle der Synagoge ließ Karl IV. die Frauenkirche, eine Marienkirche, errichten.

Diese Maßnahme stellte aber sicherlich nicht, wie Werner Schultheiß meinte, einen Akt der "Sühne" Karls IV. "für seinen Wortbruch" an den Juden dar, sondern durch den Bau einer Marienkirche an der Stelle der früheren Synagoge sollte der Triumph der Kirche über die Synagoge verherrlicht werden, galt doch Maria als die Verkörperung der Kirche (ecclesia). Beispiele ähnlicher Art kennen wir aus Regensburg, Rothenburg, Würzburg oder Köln, wo ebenfalls an der Stelle früherer Synagogen Marienkirchen errichtet wurden.

1902, weit über ein halbes Jahrtausend, nachdem die Juden aus ihrem Ghetto vertrieben wurden, spendete der jüdische Hopfenhändler Kommerzienrat Ludwig von Gerngros eine Nachbildung des wegen der damaligen Finanznot von Nürnberg an den Zaren verkauften Neptunbrunnens auf dem Nürnberger Hauptmarkt. Da es sich um eine jüdische Stiftung handelte, musste der Brunnen auf Anordnung der Nationalsozialisten 1934 vom nunmehrigen "Adolf-Hitler-Platz" verschwinden. Heute steht er im Stadtpark.

Der Nürnberger Hauptmarkt ist der zentrale Platz der Stadt. Wie kein anderer Ort in Nürnberg sollte er für uns heute ein Symbol für die gemeinsame Geschichte von Juden und Christen in dieser Stadt sein.

 

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