Gebiss weg, Patient arm dran

4.9.2009, 00:00 Uhr
Gebiss weg, Patient arm dran

© Niklas

Bei Frau E. kam in dieser Lage noch ein sehr peinliches Problem hinzu. Ihre Zähne waren weg. Die rüstige Seniorin vermisste nach ihrer Bypass-Operation im Nürnberger Südklinikum das Gebiss. Welchen Weg die Zähne nahmen, während ihre Besitzerin unter den Händen der Operateure von Bett zu Bett verlegt wurde, verliert sich in der Geschichte.

Die Dame und ihre Tochter R. schwören bis heute, dass sie den Zahnersatz am Morgen der Operation – die man nur ohne Gebiss antreten darf – in einer leeren Cremedose zum Kulturbeutel und zur Kleidung legten. Dieses Bündel wurde auf die spätere Station gebracht – bis auf Gebiss und Hausschuhe. Die Schuhe tauchten wieder auf. Die Zähne jedoch reihen sich ein in die leblosen Gegenstände, die sich im Klinikum ab und zu von dannen machen und vermutlich unbemerkt von gierigen Müllsäcken verschlungen werden.

Das Ärgernis wäre zu vermeiden gewesen, hätte die Familie das gute Stück in der offiziellen «Zahnprothesen»-Plastikschachtel der Stationen gelagert, sagt Klinikumssprecher Peter Petrich. Darum hätten die Schwestern auch gebeten. Doch beide Seiten verhielten sich wohl nicht ganz tadellos. Die ermüdende Suche nach den Zähnen machte die Tochter R. wütend, sagt sie, und ihre Mutter halb depressiv. Die alte Dame habe achselzuckend Gulasch und Schwarzbrot vorgesetzt bekommen, sei angesichts ihres zahnlosen Redens pampig angeredet worden, und die Tochter kam sich alleingelassen vor.

«Man kann sich nicht genug um jemanden kümmern», bedauert der Klinikumssprecher und schildert, dass das Personal mindestens siebenmal nach dem Gebiss suchte und der Seniorin während der zweieinhalb Wochen selbstverständlich die Weichkost der Mund-Kieferpatienten anbot. Frau E.s Zahnarzt nahm noch am Krankenbett Abdrücke, aber die Herstellung der neuen Prothesen dauerte ein paar Wochen.

Wenn im Südklinikum sonst ein Gebiss verloren geht, finden es meist die Helfer in der Spülküche auf dem Tablett, nachdem der Patient es in der Serviette vergessen hat. Dann schaltet sich das hauseigene Fundbüro ein. Es besteht aus einer ordentlich inventarisierten Schreibtischschublade im Büro der Bauplanungsabteilung. 200 Fundsachen laufen jährlich auf, ähnlich viele im Nordklinikum. Dazu zählen Geldbörsen, Autoschlüssel, Stethoskope, Uhren, Jacken, Eheringe, Brillen, Wollhandschuhe, Gehstöcke, Handyladegeräte und Wecker.

Ingrid Mantsch, die Fundbürobetreuerin im Süden, kann sich nur wundern, warum viele dieser Dinge von niemandem vermisst werden. Einmal tauchte zum Beispiel ein herrenloser Rollstuhl auf. Was nach einem Vierteljahr nicht vermittelt ist, übernimmt das städtische Fundbüro. Mantsch rät, bei einem geplanten Krankenhausaufenthalt Wertgegenstände daheim zu lassen oder aber an der Anmeldung ins Schließfach zu sperren.

Das war beim Gebiss schlecht möglich. Dessen Akte ist mittlerweile geschlossen. Die Versicherungskammer Bayern, die solche Verlustfälle für das Krankenhaus möglichst kulant zu entschädigen versucht, bot einen Vergleich an. 280 Euro musste Frau E. für ihren Zahnersatz-Ersatz dann noch bezahlen. Sie wird ihn jetzt besonders gut hüten. isa

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