«Ich spreche als Bote der Opfer»

28.01.2008, 00:00 Uhr
«Ich spreche als Bote der Opfer»

© Gerullis

Stránsky war sieben Monate in Auschwitz-Birkenau, erst musste er einige Tage Steine schleppen, dann kam er als Betreuer in den Kinderblock. «Wir haben die Kinder dort auch unterrichtet. Das war eigentlich verboten. Ein Kind hat Wache gehalten und uns gewarnt, wenn ein SS-Mann kam», erinnert er sich. Die Kleinen waren für die schrecklichen Experimente des furchtbaren Arztes Josef Mengele vorgesehen, den Stránsky in Auschwitz-Birkenau kennenlernen musste: «Der hat die Kinder auf den Schoß genommen und sich Onkel nennen lassen. Und dieselben Kinder hat er dann umgebracht.»

Gestern hat Stránsky über diese schrecklichen Erlebnisse anlässlich des NS-Opfer-Gedenktages bei einem Zeitzeugengespräch im Doku-Zentrum und einer Gedenkveranstaltung am Platz der Opfer des Faschismus gesprochen.

Stránsky, 1921 in Prag geboren, überlebte drei Konzentrationslager: 1941 wurde der Prager Jude von den deutschen Besatzern nach Theresienstadt deportiert, Ende 1943 musste er nach Auschwitz. Im Juli 1944 kam er in das Konzentrationslager Schwarzheide im Kreis Cottbus, wo er Zwangsarbeit leisten musste. Noch im April 1945 wurde Stránsky dann als einer von 300 Gefangenen zurück nach Theresienstadt auf den sogenannten «Todesmarsch» geschickt, den rund 100 Gefangene nicht überlebten.

Stránsky, der dann wieder nach Prag zurückkehrte, arbeitete später als Geschäftsführer eines großen tschechischen Verlags. Über das Grauen der Nazi-Zeit wollte er viele Jahre nicht sprechen. Erst seit 1999 agiert Stránsky als «Bote der Opfer», besucht Schulklassen, nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern und erzählt aus seinem Leben. Ob es ihm nicht schwer fällt, das Grauenhafte immer und immer wieder zu wiederholen? «Ja, aber es ist meine moralische Pflicht», sagt der heute 86-Jährige.

Manchmal, meint Stránsky, verlaufe die Geschichte absurd; aber es gebe auch «positive Absurditäten»: So war er 2006 als Redner auf einem Symposium der Bundeswehr geladen. «Wenn mir das früher einer gesagt hätte, dass ein Jude vor deutschen Offizieren über den Holocaust spricht, hätte ich gesagt, der spinnt.» Und auch die Reaktionen der Schüler, die er bei seinen Besuchen kennenlernt, spenden ihm Hoffnung, dass sich das Grauen der Nazi-Zeit nicht wiederholt: «Sie sind sehr offen und stellen gute Fragen.»

Und manche zeigen auch Initiative: Wie etwa die Abiturientinnen Özlem Cakmak und Deniz Yasadur, die gemeinsam mit anderen Schülern ein Buch über das Schicksal der jüdischen Schülerinnen am ehemaligen Mädchenlyzeum/Realgymnasium Findelgasse-Frauentorgraben während der Nazi-Jahre erarbeitet haben. Die beiden Schülerinnen stellten das 2007 erschienene Werk bei der Gedenkveranstaltung am Platz der Opfer des Faschismus nochmals vor. Neu aufgelegt wurde derweil ein 1974 erstmals erschienenes Buch von Hermann Schirmer, das den antifaschistischen Widerstand in Nürnberg beleuchtet.

Hermann Schirmer: Das andere Nürnberg. Pahl-Rugenstein-Verlag, 257 Seiten, 10 Euro.

Sigena-Gymnasium (Hg.): «Verfolgt, vertrieben, ermordet.» Das Schicksal der Jüdinnen an einer Nürnberger Oberschule 1933-1945. Sandberg-Verlag, 112 Seiten, 10 Euro.

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