Können wir essend die Welt verändern?

26.10.2012, 14:25 Uhr

Traditionell finden in dieser Saison viele Volksfeste und Veranstaltungen rund um das Essen und Trinken statt – wie auch auf der Lebensmittelmesse „Il Salone Internazionale del Gusto“, wo tutto ruota intorno al gusto (sich alles um den Geschmack dreht): Bis Montag kann man auf der Turiner Messe einzigartige Delikatessen und Feinkost aus der ganzen Welt verkosten.

Heuer wird die internationale Slow Food Messe das erste Mal mit der Veranstaltung „Terra Madre“ (Mutter Erde) zusammengeführt: Das 2004 von Slow Food ins Leben gerufene Netzwerk schützt und fördert lokale und verantwortliche – das heißt nachhaltige – Herstellungsmethoden. Das Motto des diesjährigen Salone lautet „Cibi che cambiano il mondo“ (Lebensmittel, welche die Welt ändern). Ob Lebensmittel die Welt ändern können?

Dass der Wunsch nach einer modernen „Renaissance“ auch in der Welt des Genusses gedeiht, ist schon lange nichts Neues – genauso wenig wie, dass die Zukunft der Lebensmittel in der Tat unsere Zukunft ist: qualità della vita (Lebensqualität), Lebenserwartung und sostenibilità (Nachhaltigkeit) sind auch von unserem Ernährungsstil abhängig und sind Themen, die mittlerweile zu unserem Alltag gehören. Wenn Feuerbach Recht hatte und „der Mensch ist, was er isst“, muss man sich ernsthafte Gedanken machen über das seit Jahren zunehmende Phänomen der übergewichtigen Kinder auf der Halbinsel – angeblich der dicksten Europas: Pasta, Pizza und Brot zusammen mit Snacks, fertigen Produkten und Softdrinks – und dazu kaum Bewegung und das extreme Bemuttern der italienischen mamme – sind die Auslöser für diesen ungesunden Ernährungsstil, der mit der italienischen Essenskultur nichts mehr gemein hat.

Die ursprünglich italienische Bewegung Slow Food – der englische Name sorgt oft für Verwirrungen – beschäftigt sich seit langem mit der Erziehung al gusto (zum Geschmack) und dem Schutz des Rechtes al piacere (auf Genuss). Che un piatto piaccia (Dass ein Gericht schmeckt), ist aber nicht genug: Wichtig ist die Förderung der Qualität des Essens! Deswegen werden seit 2000 auch sogenannte Presidi-Projekte von Slow Food gefördert: Es handelt sich um konkrete Beispiele für nachhaltige Landwirtschaft, die regionale Tierarten und Kulturpflanzen, denen sonst das Aussterben droht, und deren Produkte schützen: wie den Bitto-Käse aus der Lombardei, die Bamberger Hörnla und den fränkischen Grünkern.

Ritorno al futuro

Liegt die Veränderung letztendlich dort, wo wir herkommen? In der Küche scheint das der Fall zu sein: Italienische Kuchenchefs schöpfen für ihre feinen Speisen aus traditionellen Rezepten, den sogenannten ricette della nonna (Omas Rezepten) – dass „gallina vecchia fa buon brodo“ (man noch nicht zum alten Eisen gehört; wortwörtlich: eine alte Henne gute Brühe macht) ist eigentlich keine neue Weisheit! Und wenn Experimentierfreude noch dazu kommt, schmecken die „alten“ Gerichte der Tradition noch viel besser: Preiswerter als die mit exotischen Zutaten zubereiteten Speisen und nachhaltiger sind sie in jedem Fall. Vielleicht haben doch diejenigen Recht, die von un ritorno al futuro (einer Rückkehr zur Zukunft) sprechen.

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