Künstliche Regenbogenhaut ist kaum mehr sichtbar
08.07.2008, 00:00 Uhr
Jeder kann sich vorstellen, dass Menschen mit Aniridie zunächst einmal unter der Entstellung leiden, die eine ganz oder teilweise fehlende Iris mit sich bringt. Aber das ist nicht das einzige Problem. Vor den stigmatisierenden Blicken der Mitmenschen schützt eine dunkle Brille. Nicht so leicht «auszublenden» - im wahrsten Sinn des Wortes - sind dagegen die verschiedenen Auswirkungen einer Aniridie auf das Sehvermögen. Beim gesunden Auge steuert die Iris als Blende den Lichteinfall auf die Netzhaut des Auges. Wenn sie fehlt, tritt das Licht fast ungehindert ins Augeninnere. Dadurch sind Aniridie-Patienten besonders blendempfindlich und müssen ständig eine verdunkelte Brille oder entsprechende Kontaktlinsen tragen. Außerdem nehmen sie Kontraste weniger gut wahr und die Schärfentiefe ist verringert. Häufige Begleiterscheinungen sind zudem: ständig abnehmende Sehkraft, Trübung der Linse («Grauer Star»), Erkrankung des Sehnervs («Grüner Star»), Schielen und eine Verengung des Sichtfelds.
Für diese Patienten gibt es jetzt eine neue Form der Hilfe: Die «Artificial Iris», die künstliche Iris. Iris-Prothesen gab es zwar bisher auch schon, die neue künstliche Iris biete aber wesentlich mehr Möglichkeiten und Komfort, versichert Arthur Messner, technischer Vorstand der Herstellerfirma «Human Optics» in Erlangen. «Dadurch, dass unsere neue künstliche Iris aus Silikon besteht, lässt sie sich aufrollen. Somit ist bei der Operation lediglich ein Schnitt von etwa zwei Millimetern notwendig, um die Iris ins Auge einzusetzen, wo sie dann von innen entfaltet wird.»
Davon abgesehen, dass bei den Wettbewerbsprodukten ein Schnitt von zehn Millimetern nötig sei, erziele «Human Optics» mit seiner künstlichen Iris auch ästhetisch wesentlich größere Erfolge. «Der Augenarzt schickt uns ein Foto, auf dem entweder das gesunde Auge des Patienten oder das Auge mit der Rest-Iris abgebildet ist. Auf dieser Grundlage fertigen wir dann drei Iriden an, die nahezu gleich ausschauen. Falls dem Operateur beim Eingriff aus Versehen eine Iris unsteril werden sollte, hätte er noch zwei Stück auf Vorrat.»
Die Farbpigmente, die in die künstliche Iris eingearbeitet werden, sind auch für Allergiker unbedenklich, weil sie komplett von einer Silikonschicht umgeben sind. Das Silikon muss übrigens auch nicht mehr ausgetauscht werden. «Es wäre lediglich bedenklich, wenn der Patient auf Silikon allergisch reagiert», räumt Arthur Messner ein. «Leider können wir derzeit auch kein anderes Material anbieten.»
Einem auf Silikon allergischen Patienten bleibt dann also nur, auf ein älteres Produkt auszuweichen und alle damit verbunden Nachteile in Kauf zu nehmen. Die jeweilige Krankenkasse wird’s freuen, kommt sie so doch um einiges günstiger weg. Womit wir beim Kostenfaktor wären: «Das ist schwierig zu beziffern. Je nach Aufwand - zum Beispiel Teiliris oder nicht, Fixierung ja oder nein - bewegen wir uns in einer Spanne von 4000 bis 8000 Euro.» Die älteren künstlichen Iriden der Wettbewerber kommen auf etwa die Hälfte.
Arthur Messners Erfahrung nach, sollten sich Patienten nicht wundern, wenn sie von Krankenkassen den Rat bekommen, sich doch weiterhin mit einer dunklen Sonnenbrille zu behelfen: «Aus Sicht der Krankenkassen genügt für die reine medizinische Versorgung oft eine Sonnenbrille oder eine spezielle Kontaktlinse, die einfach aufs Auge gesetzt wird und einen Ring hat, der als Blende fungiert.»
Wie bei nahezu allen neuen Behandlungsverfahren liege es im Ermessen der Krankenkassen, die Operation nach einer Prüfung durch den medizinischen Dienst zu genehmigen, oder nicht. «Beides passiert. Dazu lässt sich keinerlei Regelmäßigkeit feststellen», so Messner.
Wenn jemand an Aniridie leidet - die Erkrankungsrate liegt in Deutschland bei 1 : 80 000 - und sich für die neue künstliche Iris interessiert, wie würde dann das konkrete Prozedere ablaufen? «In der Regel wenden sich Patienten als erstes an ihren konventionellen Augenarzt», so Messner. «Dieser wird seinen Patienten aufklären oder sich mit uns in Verbindung setzten, um zu klären, ob die Operation tatsächlich für den Patienten geeignet ist. Wenn ja, folgt die Überweisung an einen Operateur. Hier bieten wir auch Adressen von Ärzten an, die bereits Erfahrung mit unserer künstlichen Iris haben. Der Operateur wird eine weitere Untersuchung machen und uns schließlich den Bestellbogen für die künstliche Iris zuschicken, mit Foto und allen anderen wichtigen Informationen.»
Einer der Operateure ist Prof. Dr. Hans-Reinhard Koch, der die neue künstliche Iris auch maßgeblich mit entwickelt hat. «Die Artificial Iris bedeutet einen entscheidenden Schritt für die Behandlung von Aniridie oder schwerer Irisdeffekte. Die funktionellen und ästhetischen Eigenschaften sowie eine optimale biologische Verträglichkeit entsprechen erstmals den Forderungen an einen idealen Irisersatz», sagt der renommierte Bonner Augenexperte. In Wien führte er kürzlich eine Operation durch, die unmittelbar auf dem Kongress der Deutschen Ophthalmochirurgen mitverfolgt wurde.
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