Romantisch auch ohne Raubrittervergangenheit

10.12.2011, 00:00 Uhr
Romantisch auch ohne Raubrittervergangenheit

© Ute Fürböter

Obwohl der weitab von jeglichem Großstadt-Rummel gelegene 127-Seelen-Ort Hohenstein nebst trutziger Felsenburg unser Ziel ist, werden sich unsere Spuren überraschend mit denen von Superstar Mick Jagger und Band kreuzen. Doch bevor es soweit ist, müssen wir erst einmal loswandern.

Start der Tour ist am Bahnhof Rupprechtstegen

Wer jetzt schon hungrig ist, dem kann geholfen werden! Jenseits der Gleise steht ein dunkelgrüner Eisenbahnwaggon aus den 1930er Jahren. Den hat man zum „Rast-Waggon“ aufgepeppt. Allerdings kann man sich Bayerischen Obazden, Bratwürste, Pizza und Co. nur samstags ab 12 und sonntags ab 10 Uhr schmecken lassen, es geht aber auch auf Anfrage: 09152/7889969.

Noch ein Tipp für die Fußmüden: Im „Rast-Waggon“ können auch Fahrräder entliehen werden. Im Falle eines Falles muss man sich allerdings wappnen und bereit sein, auch mal zu schieben. Schließlich sind wir in der Frankenpfalz.

Genug der Vorrede! Wir orientieren uns am backsteinernen Bahnhofsgebäude. Links davon befindet sich ein Wegweiser. Wir wandern mit Rotkreuz Richtung Hohenstein und Grießmühle. Der Weg ist sehr gut ausgeschildert.

Zuerst laufen zur Pegnitz hinunter, gehen rechts über die Brücke, überqueren die Straße und biegen links in den Mühlenweg. Er ist asphaltiert und schlängelt sich am Flusslauf entlang. Gleich hinter dem Ort recken sich markante Felsnadeln in den Himmel.

Jede Menge Bänke laden zum Verweilen. Wir passieren das Senioren- und Pflegeheim, einen riesigen modernen Komplex mit viel Glas, und wandern vor der Hornbachmühle rechts ab, wie gewiesen.

Ein kurzes Stück geht es mäßig bergauf durch prächtigen Mischwald.

Riesen scheinen hier vor Urzeiten mit Felsbrocken wie mit Murmeln gespielt zu haben. Der Weg wird bald abschüssig. Ein Bächlein säumt ihn. Fast eben geht es vorwärts. Wir balancieren über eine schmale provisorische Holzbrücke. Eine breitere solide Brücke folgt. Wer sie überquert, kommt zwar kurz vom Weg ab, aber das lohnt sich.

Unter alten Buchen sprudelt eine Kalktuffquelle. Ihre Wassertemperatur beträgt das gesamte Jahr hindurch nahezu konstant sechs bis zehn Grad. Im Winter findet man also eine eisfreie Wärmeinsel vor. Direkt gegenüber der Quelle steht wieder eine Bank. Kaum ein Lichtstrahl fällt an diesen Ort. Die Szene gleicht einem Gemälde.

In einem kühlen Grunde, da geht kein Mühlrad mehr

Zurück auf unserem Wanderweg erreichen wir schnell die Grießmühle. Wir laufen quer über den Mühlhof. Kein Mühlrad klappert im kühlen Grunde. Die einstige Getreidemühle ist vom Verfall gezeichnet. 1955 wurde der Mahlbetrieb eingestellt, nach fast tausend Jahren (974 wurde die Mühle erstmals erwähnt).

Aber weiter! Hinterm Mühlengrund geht es stetig aufwärts. Neben uns murmelt das Bächlein. Noch ein paar Schritte – ein kleiner Wasserfall rauscht zu Tale. Kaum lichtet sich der Wald, sehen wir schon die ersten Häuser des Örtchens Teuf. Wir folgen der Asphaltstraße bis zur Kreuzung. Am Gasthof biegen wir rechts ab. Wir ahnen nichts Schlimmes, dann sichten wir ein pinkfarben getünchtes Haus. Was für ein Anblick! Zum Glück müssen wir nicht daran vorbei. Davor biegen wir links ab.

Die Straße macht eine scharfe Linkskurve. Genau dort zweigt unser Weg ab. Er führt nach rechts. Nun geht es und höher und höher. Rund zehn Minuten später ist alle Anstrengung vergessen. Eine fruchtbare Hochebene mit Feldern und Streuobstwiesen liegt vor uns.

Wenige Schritte nur, dann folgt das eigentliche Aha-Erlebnis: Linker Hand thront auf gewaltigem, steil aufstrebendem Dolomitfels die Burg Hohenstein hoch über dem fränkisch-oberpfälzischen Jura. Eine Märchenburg – kein Zweifel! Mit 634 Metern über Normalnull ist der dazugehörige Ort Hohenstein der höchste bewohnte Punkt Mittelfrankens. Bis vor wenigen Jahren befanden sich in der Ortsflur zudem Deutschlands höchstgelegene Hopfengärten.

An Fachwerkhäusern vorbei spazieren wir bis zur ersten Kreuzung. Eine kleine Hinweistafel zeigt an, wo sich der – schmale! – Aufgang zur Burg befindet. Links nämlich! Wir setzen uns in Bewegung – und stehen schon davor. Zuerst passieren wir die 1553 erbaute untere Burg, das sogenannte „Langhaus“. Danach gelangt man zur Oberburg, deren Entstehung wohl bis in die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts zurückreicht.

Kleine Enttäuschung: Das kühne Felsennest beherbergte niemals Ritter noch Raubritter, sondern Vögte, Pfleger oder Amtsleute. „Seit jeher war es eine Verwaltungsburg“, weiß Georg Maul zu berichten. Der 69-Jährige ist der erste Vorsitzende des schon im Jahr 1899 gegründeten Verschönerungsvereins Hohenstein, dem die geschichtsträchtige Burg gehört. Bis zu 8000 Besucher besichtigen sie jedes Jahr.

Der Blick geht hier 80 Kilometer weit übers Land

Jetzt ist die hölzerne Burgpforte allerdings verschlossen. Zwischen Dezember und Februar herrscht Winterruhe. Der Aufstieg über insgesamt 137 steinerne Stufen lohnt sich trotzdem: Vom Gipfelplateau des 30 Meter hohen Felsblocks hat man einen einzigartigen Fernblick. Bei klarem Wetter kann man bis zu 80 Kilometer weit ins Land schauen – hinüber zum Ochsenkopf zum Beispiel.

Romantisch auch ohne Raubrittervergangenheit

© Ute Fürböter

Wir haben uns satt gesehen. Nun wollen wir uns satt essen. An den berühmten Hohensteiner Windbeuteln natürlich. Tatsächlich gehen uns die Augen über, als die Kellnerin im gemütlichen „Gasthof Felsburg“ – direkt am Fuße des Burgwegs gelegen – ein mit etwa 15 Zentimetern Durchmesser ebenso gigantisch wie köstlich aussehendes Gebäckstück namens Felsbrocken (aufgepeppt mit Walnuss-Eis, Sahne und Karamellsoße) serviert.

Ob die Rollings Stones das auch gegessen haben? Fakt ist: Essen und Trinken haben Mick Jagger und Kollegen geschmeckt. Das hat der Rockstar den Wirtsleuten Brinke sogar schwarz auf weiß gegeben, wie ein unter Glas hängendes Autogramm belegt. Bloß die Jahresangabe fehlt. Doch dem Glücklichen schlägt bekanntlich keine Stunde. Nur wir müssen uns sputen, weil die Dämmerung naht.

Theoretisch könnten wir denselben Weg zurückgehen, den wir gekommen sind. Doch zur Abwechslung und eingedenk der Kalorien, die wir intus haben, wählen wir den rund zwei Kilometer längeren Heiner-Treuheit-Weg. Dazu laufen wir Richtung Dorfausgang, vorbei am Windbeutelcafé „Hohensteiner Hof“ (zehn verschiedene Windbeutelfüllungen, darunter kräftige mit Lachs und Leberkäs) sowie dem „Burg Stüberl“ (fränkische Spezialitäten) und biegen auf den Wanderparkplatz links ein.

Durch den grasbewachsenen Graben gleich rechts gelangen wir in einen Hohlweg. Uns leitet das Edelweiß, in dessen Mitte eine Sonne strahlt. Die fast immer ebene, manchmal auch leicht abschüssige Stecke führt über Siglitzberg und Enzendorf bis zum Bahnhof von Rupprechtstegen. Übrigens: Wer viel zu viel gegessen hat, kann von Hohenstein aus auch den Bus nehmen.

Romantisch auch ohne Raubrittervergangenheit

© NZ Infografik

Anfahrt: Mit R3 bis zum Bahnhof Rupprechtstegen

Ruhetage der Gasthöfe in Hohenstein: „“: am Mittwoch (Achtung: Urlaub vom 28.11. bis 3.12.)

Windbeutelcafé „Hohensteiner Hof“: am Montag und am Dienstag

„“: am Mittwoch

Mehr Informationen in unserer Rubrik Essen und Trinken!

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