Seit 30 Jahren ein Idyll für Kinder

12.6.2010, 00:00 Uhr
Seit 30 Jahren ein Idyll für Kinder

© Roland Fengler

»Man wollte damals einen Raum für Kinder schaffen, wo sie ihre Bedürfnisse ausleben können und wo sie sich mit der Natur beschäftigen können«, beschreibt Barfknecht die Motive der Gründergeneration. Ein solcher Platz war gar nicht so leicht zu finden. Der Trägerverein, dem die erst später dazugestoßene Barfknecht heute vorsteht, hatte sich bereits im Juli 1973 mit dem Ziel gegründet, einen Abenteuerspielplatz ins Leben zu rufen. Doch die spätere SPD-Politikerin und Bundesfamilienministerin Renate Schmidt, eine der Gründungsmütter, und ihre Mitstreiter mussten sieben Jahre kämpfen, bis 1980 endlich die Eröffnung des Abenteuerspielplatzes Goldbachwiese gefeiert werden konnte; er war nach dem Platz in Langwasser der zweite in Nürnberg.

Heute kommen zwischen Dienstag und Samstag täglich zirka 30 bis 50 Kinder zur Goldbachwiese. Sie können dort beispielsweise Tischtennis spielen, im Goldbach waten oder aber mit Holz arbeiten. Dabei kommt den 6- bis 14-Jährigen zugute, dass der hauptamtliche Einrichtungsleiter Oliver Garski nicht nur Erzieher, sondern auch gelernter Schreiner ist. Es gibt im Spielhaus einen Extraraum, in den sich Kinder zurückziehen können, wenn ihnen der Trubel zu viel wird. Hinzu kommen spezielle Tagesangebote: Mittwochs wird getöpfert, donnerstags gekocht.

Und es gilt weiter der Grundgedanke, dass der Nachwuchs sich ausleben soll: »Die Kinder dürfen hier laut sein. Wir haben auch welche, die kommen auf den Platz und schreien einfach. Und wir merken, wie gut ihnen das tut«, erzählt Garski. Freilich darf die freie Entfaltung nicht auf Kosten anderer gehen: Wer Ausdrücke sagt, muss – so eine der Regeln auf dem Platz – zum Beispiel zehn Nägel aus den Holzbauten auf dem Platz herauspulen. Die Kinder werden vorwiegend von den beiden hauptamtlichen Kräften Garski und Elina Popp betreut. Der Trägerverein profitiert dabei vom sogenannten Nürnberger Modell: Die Erzieher sind beim Jugendamt angestellt, werden von der Stadt aber gleichsam dauerhaft an den Verein »entliehen«. Der 42-jährige Garski, der einst als Praktikant anfing und im vergangenen September zum Einrichtungsleiter aufstieg, ist nun auch schon seit zehn Jahren auf der Goldbachwiese tätig. Noch ein Jubilar also.

Zirka 15 aktive Vereinsmitglieder, die ehrenamtlich mithelfen, unterstützen die beiden Erzieher – allen voran die Vereinsvorsitzende Barfknecht. Die 56-Jährige, die 1989 aus Elmshorn nach Nürnberg gekommen war, hat den Spielplatz rasch für sich und ihre Kinder Milko und Stefan entdeckt, die damals zwei und sechs Jahre alt waren. Doch in jenen Tagen befand sich der Verein nach dem Rückzug der Gründergeneration in einer schwierigen Situation. Das Spielhaus war teilweise abgebrannt, auf dem Gelände wucherte das Unkraut und er war zugestellt mit Kulissen, die das Theater gespendet hatte – was vor allem die Wespen freute, die dort ihre Nester bauten. »Der Platz war nicht mehr bespielbar«, erinnert sich Barfknecht. Hinzu kamen finanzielle Probleme. Barfknecht wurde vom Gericht 1990 als Notvorstand eingesetzt und riss das Ruder herum.

Viele Kinder kommen hungrig

Doch es folgten weitere Herausforderungen. In den 90ern etwa mussten sich die Betreuer um schwer traumatisierte Jugendliche kümmern, als die Kinder der Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem früheren Jugoslawien auf den Platz kamen. Und die sozialen Probleme machen auch vor der Goldbachwiese nicht Halt: »Viele Kinder kommen hungrig zu uns«, erzählt Barfknecht. Deswegen gibt es mittags seit dem Jahr 2000 belegte Brote. Auch bei den Hausaufgaben helfen die Betreuer, dieser Service wurde vor fünf Jahren eingeführt.

Die Kinder seien passiver, unselbstständiger geworden, sagt Barfknecht in der Rückschau. »Die Betreuer sind inzwischen mehr Animateure«, pflichtet Garski bei. Zudem wachse der Termindruck der Kinder, findet die Vorsitzende. Die Nachmittage unter der Woche sind oft mit Verpflichtungen belegt – deswegen hat die Goldbachwiese als einziger der elf Nürnberger Abenteuerspielplätze mittlerweile samstags geöffnet.

Auch künftig wird die Goldbachwiese auf die Herausforderungen der Zeit reagieren müssen – etwa, wenn die allmähliche Einführung der Ganztagsschule die offene Jugendarbeit vor neue Probleme stellt, weil die Kinder schlicht nachmittags nicht mehr kommen können. Allerdings kooperiert die Einrichtung schon jetzt mit der Scharrerschule, die jeweils dienstags etliche Erstklässler zur Mittagsbetreuung auf den Abenteuerspielplatz schickt. »Wir können uns auch vorstellen, dass wir irgendwann unter der Woche die Betreuung für Kinder aus der Ganztagsschule übernehmen und samstags und in den Ferien als offene Einrichtung arbeiten«, sagt Barfknecht. Doch das ist noch ferne Zukunft. In der Gegenwart wird heute erst mal gefeiert und mit einer kleinen Fotoausstellung auf 30 Jahre Abenteuerspielplatz zurückgeblickt. Barfknecht, die bei der Bundesarbeitsagentur arbeitet, wird wohl noch eine Weile die »Bossin« bleiben. »20 Jahre sind eine lange Zeit. Manchmal denke ich schon übers Aufhören nach. Aber ein Nachfolger ist nicht in Sicht.«

Und dann gibt es ja auch jene schönen Augenblicke, die ihr zeigen, dass sich der Einsatz lohnt. Vor einiger Zeit sei ihr in der Stadt zum Beispiel eine junge Frau voller Freude um den Hals gefallen. Elke Barfknecht hat etwas gebraucht, bis sie in ihr jene Helga erkannte, die vor vielen Jahren Stammgast auf dem Spielplatz war. »Das sind die Momente, in denen man weiß, wofür man die Arbeit macht«, sagt die »Bossin«.

Gefeiert wird heute, Samstag, von 15 bis 19 Uhr (Goldbachstraße 26).

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