Stammgruppen statt Klassen

8.9.2003, 00:00 Uhr
Stammgruppen statt Klassen

© Göb

Für die Kleinen ist der erste Eindruck ihrer Schule ganz spielerisch, die gegenseitige Bewunderung für die Kunstwerke in der Gruppe ist groß. Doch Irmtraut Schmidt hat an der ersten Jenaplanschule in Süddeutschland auch mit diesem Gruppenspiel eines der pädagogischen Grundprinzipien von Jenaplan verwirklicht — „Stammgruppen“ statt Klassen.

An der Uni Jena entwickelt

Die reformpädagogische Schule, die mit diesem Schuljahr in Mögeldorf in Schulräumen an der Billrothstraße den Unterricht aufnimmt, wurde als Modell in den 20er Jahren von Peter Petersen an der Uni in Jena entwickelt. Die „Stammgruppen“ sind jahrgangsübergreifend, Erst- bis Drittklässler werden in Nürnberg miteinander lernen. Darin besteht ein Kernpunkt der Pädagogik, die Kinder dürfen und müssen ihre soziale Kompetenz ständig erproben und anwenden. Ältere können Jüngeren helfen, sie lernen miteinander etwas zu erarbeiten und sich gegenseitig zu unterstützen, der soziale Prozess der Gruppe wird gezielt als Teil der Wissensvermittlung angesehen und integriert.

Soziale Tugenden werden als Leistung anerkannt, den anderen zu akzeptieren, eine andere Meinung zu respektieren ist Teil dessen, was abverlangt wird. Für Irmtraut Schmidt hat das Konzept von Anfang an Vorteile: „Wenn Kinder von Anfang an lernen, Eigenverantwortung zu übernehmen, dann glaube ich persönlich, dass sie weiterkommen, als wenn sie immer vorgekaut bekommen, was sie tun müssen.“

Kursphasen im Nebenraum, in denen konzentriert gearbeitet wird, wechseln mit Phasen ab, in denen offen miteinander drinnen oder draußen kommuniziert und auch mal gespielt werden darf. Die Lehrerin weíß um ihre Verantwortung, etliche der Kinder auf den Übertritt ans Gymnasium vorzubereiten. Bücher und Noten gibt es keine.

Es gibt keine Noten

Für Oskar Seitz, Professor an der EWF in Nürnberg und wissenschaftlicher und ideeller Begleiter des Modells, sind das Vorteile. „Wir sind der Meinung, dass Noten die Leistungsbereitschaft von Schülern vergiften, sie diskriminieren manche Schüler eher.“ Als ehemaliger Grund- und Hauptschullehrer kennt er die Praxis, Leistungsnachweise werden in anderer Form erbracht. „Wir werden zwei, drei Mal im Jahr den Eltern einen Lernentwicklungsbericht geben, in denen dezidiert über den momentanen Leistungsstand des Schülers berichtet wird.“

Engagierte Eltern sind die Voraussetzung, damit das Konzept funktioniert. Nicht nur in Zusammenarbeit mit den Lehrern, wenn gemeinsam überlegt wird, wie Schwächen gefördert werden können. „Jenaplanschule ist auch eine Elternschule“, findet Seitz, der sich eine gute Schule niemals vorstellen kann, ohne die Eltern einzubinden und hier viel Potenzial ungenutzt sieht.

185 Euro Schulgeld

„Wir versuchen von Anfang an, Elternarbeit zu integrieren bis in den Unterricht hinein - bis zu bestimmten Grenzen.“ Daneben müssen die Eltern monatlich 185 Euro für die Privatschule bezahlen, wenn sie die Ganztagsbetreuung haben wollen, kommen nochmals etwa 50 Euro drauf. Seitz sieht hier dadurch noch eine soziale Auslese der Schüler, er hofft darauf, dass irgendwann Kinder aller Schichten kommen.

Die ersten zwei Jahre unterstützt der Freistaat Jenaplan mit 75 Prozent der Personalkosten, danach sollen es 100 Prozent werden, doch die Unterrichtsmittel müssen privat finanziert werden, genauso die Miete für die Schulräume an die Stadt.

Sabine Göb

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