Stuckdecke im Melanchthon-Gymnasium soll wieder bemalt werden

1.9.2010, 18:15 Uhr
Stuckdecke im Melanchthon-Gymnasium soll wieder bemalt werden

© Roland Sauerbeck

Dass die kostbare Arbeit des prominenten Stukkateurs Donato Polli (1663-1738) in Vergessenheit geriet, hat vor allem damit zu tun, dass es das besagte Gartenhaus samt Garten seit 1908 gar nicht mehr gibt. Es musste seinerzeit dem Neubau des Melanchthon-Gymnasiums weichen. Allerdings waren die städtischen Bauverantwortlichen wohl vom schlechten Gewissen geplagt, als sie das Haus samt Stuckdecke vor dem Abbruch noch einmal inspizierten. Denn sie erstellten nicht nur eine genaue fotografische Dokumentation des barocken Meisterwerkes, sondern zerlegten die Stuckdecke vor Ort in akribischer Feinarbeit in Tausende von Puzzleteilen - um sie anschließend im Neubau des Gymnasiums wieder zusammenzusetzen.

Wer sich seither während einer Ansprache in der Schulaula gelangweilt zur Decke wendet, blickt erstaunt auf Akanthusblätter, Palmzweige und spärlich bekleidete Jünglinge. Sie sind kunstvoll um fünf Bildfelder gruppiert, die allerdings leer sind. Die Gemälde aus der Bauzeit der Decke, vermutlich von dem Nürnberger Maler Johann Andreas Gebhard (1656-1725) erstellt, hat man nämlich vor hundert Jahren, sei es aus technischen oder finanziellen Gründen, nicht mitgepuzzelt.

"Ohne Bilder ist die Decke unvollständig"

"Ohne die Bilder ist die Decke nur unvollständig", findet Lothar Seifert, der am Melanchthon-Gymnasium Latein und Griechisch unterrichtet. Er hat seit Jahren an vielen Rädchen gedreht, um Pollis Rahmen wieder zu füllen: Behördenbriefe, Vorträge, Archivbesuche, Spendenaufrufe. Eine restauratorische Voruntersuchung kam zum Ergebnis, dass sich die Gemälde dank der Fotos von 1908 gut rekonstruieren ließen.

Gebhardts Farbgebung kann man aus seinen erhaltenen Werken (wie etwa in Schloss Neunhof bei Lauf) erschließen. Gut 20 000 Euro an Spenden sind auf dem Schulkonto schon eingegangen, davon allein die Hälfte von der Firma Staedtler. Die Gesamtkosten taxiert Seifert auf 70000 Euro. Und die Restauratoren stehen Gewehr bei Fuß: "Wenn das Geld da wäre, könnten die Bilder binnen einiger Wochen fertig sein." Eine Schule, die auf ihr humanistisches Erbe pocht, sei in der Pflicht, sich eines solchen künstlerischen Erbes anzunehmen, findet der 42-Jährige. Dass das Melanchthon-Gymnasium am 23. April 2011 mit großem Tamtam seinen 100. Geburtstag feiert, soll dem Vorhaben weiteren Auftrieb verleihen.

Die fünf vergessenen, aber nicht verlorenen Gemälde erlauben einen einzigartigen Blick auf die Weltsicht und das Selbstverständnis einer Nürnberger Kaufmannsfamilie des 18. Jahrhunderts. Auftraggeber war der Bauherr des Gartenhauses, Georg Rössler, der als "Genannter des Größeren Rates" zu den Oberen Zehntausend der städtischen Patriziergesellschaft gehörte. Im Zentrum der Decke, gefertigt etwa im Jahr 1700, befand sich die Darstellung einer Szene aus dem antiken Götterhimmel: "Merkur wird aus dem Olymp in Georg Rösslers Garten geschickt". Das Bild wird eingerahmt von Darstellungen der vier damals bekannten Erdteile.

Auf den gestochen scharfen Schwarzweiß-Fotografien erkennt man mehr oder weniger exotisch anmutende Eingeborene mit Federschmuck oder Turban, umgeben von nicht minder exotischen Tieren oder Handelswaren. Alle Figuren blicken in Richtung des wesentlich komplexeren Europa-Bildes: Europa thront inmitten von Attributen von Kultur wie Bücher, Musikinstrumente, Globus und Uhr. Im Hintergrund erhebt sich ein prächtiges Handelsschiff, zu Europas Füßen liegen Kaiserkrone und Reichsapfel. Die Kunsthistorikerin Sabine Poeschel schreibt dazu: "Ich bin mir sicher, dass es sich bei Europa um eine Personifikation Nürnbergs handeln soll." Denn alle Bildmotive, von der Reichskrone bis zum Globus, lassen sich gut auf die Geschichte Nürnbergs beziehen. Das Bild wäre dann gewissermaßen die Illustrierung eines Satzes von Philipp Melanchthon: "Nürnberg ist das Licht, das Auge, die Zierde und der schönste Schmuck ganz Deutschlands."

Darstellung der vier Erdteile

Nicht zuletzt, findet Lothar Seifert, entspricht das Bildprogramm dem Selbstbild der Schule. Die Rückbeziehung auf kulturelle Werte der Antike, wie sie im Bild des Götterhimmels zum Ausdruck kommt, steht neben einer erklärten Weltoffenheit, hier symbolisiert durch die Darstellung der vier Erdteile: "Genaues Hinschauen eröffnet neue Perspektiven in Vergangenheit und Zukunft."

Nähere Informationen und die Darstellung der Bilder im Internet unter www.melgym.de, dort auf "Profile". Spendenkonto 382912659 bei der Hypovereinsbank Nürnberg, BLZ 76020070, Stichwort "Aula".