Fahrbericht: Honda e Advance

1.1.2021, 18:38 Uhr
Fahrbericht: Honda e Advance

© Hersteller

Wie er aussieht: Anders als beim Mini oder beim Fiat 500 gibt es für den Honda e kein berühmtes Vorbild aus früheren Jahren, das die Designer hätten zitieren können. Zumindest der erste Honda Civic war ihnen aber Inspiration. Und so haben sie dem Stromer einen schicken Retro-Stil auf den 3,89 Meter kurzen Leib geschneidert – und ihn gleichzeitig mit modernen Elementen auf zeitgemäße Linie gebracht. Den kulleräugigen LED-Scheinwerfern etwa, und den versenkten Türgriffen, die dem Fahrer zuvorkommend entgegensurren, sobald er sich mit dem Autoschlüssel nähert. Und dass der Honda e ein Fünftürer ist, wird erst auf den zweiten Blick deutlich, denn die Griffe der Fondtüren verstecken sich unauffällig in den C-Säulen. Apropos versteckt: Wo sind eigentlich die Außenspiegel? Antwort: Verbannt in die Vergangenheit, stattdessen ragen kleine Träger mit wachsamen Kameraäuglein aus den Flanken des Japaners. Der Verzicht auf die sperrigen Spiegel tut auch der Aerodynamik gut.

Wie er eingerichtet ist: Spektakulär. So etwas wie die Kommandozentrale des Honda e hat man in der Kleinwagenklasse noch nicht gesehen, und auch sonst sucht es seinesgleichen. Die gesamte Breite des Cockpits wird von Bildschirmen eingenommen, die sich optisch zu einer Einheit fügen. Das hinter dem Lenkrad positionierte Display liefert die wichtigsten Fahrinformationen, die beiden Touchscreens rechts daneben sind fürs Navi und das Multimediale zuständig. Praktischerweise lassen sie sich mit einem Klick austauschen, was einerseits den Vorteil hat, dass sich der Fahrer die gerade benötigten Funktionen in griffgünstige Nähe holen kann – und andererseits bedeutet, dass auch der Beifahrer bequem mit Streamingdiensten oder Radioprogrammen spielen kann.

Die Position des Links- beziehungsweise Rechtsaußens nehmen jene Monitore ein, auf die das Bild der Außenspiegel-Kameras übertragen wird. Im Nu haben wir uns mit dieser modernen Lösung angefreundet und die gestochen scharfe Darstellung mit der sichtfelderweiternden Weitwinkeleinstellung sowie den hilfreichen Abstandslinien schätzen gelernt. Nicht recht gewöhnen konnten wir uns dagegen an den gleichfalls digitalen Innenspiegel, zu dem es im „Advance“-Modell keine rein analoge Alternative gibt, der sich aber umschalten lässt. Und bedauerlicherweise fehlt inmitten all der Topmoderne eine induktive Lademöglichkeit fürs Smartphone.

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Schön aber, dass es noch diverse Drehregler und Direkttaster gibt, für Klimatisierung und Sitzheizung beispielsweise. Dass die intelligente Sprachsteuerung bestens funktioniert. Dass neben dem HDMI-Anschluss auch Steckdosen für maximal 1500 Watt vorhanden sind. Und dass die Holzblenden und die grauen Sitzbezüge eine geschmackvolle Lounge-Atmosphäre schaffen, die technoide Kühle gar nicht erst aufkommen lässt.

Wie viel Platz er hat: Hinter dem sowohl längs- als auch höhenverstellbaren Lenkrad lässt es sich gut einrichten, die Sitze sind bequem, lediglich an Seitenhalt fehlt es etwas. Das Sofa im Fond bietet nur zwei Personen Platz, hinsichtlich der Beinfreiheit ist mit Einschränkungen zu rechnen. Mit 171 Litern fällt auch der Kofferraum ziemlich mini aus. Die Rücksitzlehne kann umgeklappt werden, allerdings nur komplett und nicht geteilt. Das Gepäckabteil wächst dann auf 861 Liter.

Was ihn antreibt: Ein 113 kW/154 PS starker Elektromotor, der 315 Newtonmeter Drehmoment entwickelt. Als Energiespeicher dient ein Lithium-Ionen-Akku, dessen Kapazität mit 35,5 kWh eher bescheiden ausfällt.

Honda begründet den geringen Energieinhalt damit, dass er als Reichweitengenerator für die üblichen Pendlerdistanzen ausreicht. Ein größerer Akku mit mehr Kapazität würde mehr wiegen, teurer kommen und die CO2-Bilanz stärker belasten. Ähnlich argumentiert Mazda beim MX-30.

Alternativ zum "Advance" gibt es ein Honda-e-Basismodell, das sich mit 100 kW/136 PS bescheidet und dann gleich 4150 Euro weniger kostet.

Fahrbericht: Honda e Advance

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Wie er sich fährt: Großartig. Eine echte Schau ist zunächst der kleine Wendekreis von gerade einmal 8,6 Metern. Dass der Honda e gefühlt auf dem sprichwörtlichen Bierdeckel dreht, liegt auch am Hinterradantrieb – die Vorderräder werden nicht von der Antriebswelle und der Lenkung „belastet“, somit können sie besonders weit einschlagen. Auch die direkte Lenkung ist der Wendigkeit förderlich. Und der tiefe Schwerpunkt sowie die optimal im Verhältnis 50 : 50 austarierte Gewichtsverteilung generieren ausgesprochen spaßige Fahreigenschaften.

Der Elektromotor schiebt den kleinen Japaner entschlossen und geschmeidig an, schon aus dem Stand, denn das hohe Drehmoment von 315 Newtonmetern steht elektroautotypisch vom Fleck weg zur Verfügung. In 8,3 Sekunden flitzt der Stromer von 0 auf 100 km/h, die Höchstgeschwindigkeit ist auf 145 km/h begrenzt.

Rekuperiert wird vierstufig über Lenkradpaddles, über eine Taste lässt sich zusätzlich das besonders intensive "One-Pedal-Driving" aktivieren, bei dem das Bremspedal nahezu obsolet wird.

Sobald der Fahrer samt Autoschlüssel das Wageninnere entert, ist der Stromer übrigens auch schon startbereit. Der Startknopf muss gar nicht mehr bemüht werden, es genügt, per Tastendruck die gewählte Fahrstufe einzulegen, und der Wagen setzt sich –  vom Fußgänger-Warnton einmal abgesehen - geräuschlos in Bewegung.

Wie weit er kommt: Die technischen Daten nennen eine WLTP-Reichweite von 210 Kilometern. Das haben wir nicht ansatzweise geschafft. Bestenfalls brachten wir es auf 135 Kilometer. Fairerweise muss gesagt werden, dass die Temperaturen zum Zeitpunkt unseres Tests winterlich niedrig lagen, bei frühlingshafter Milde kommt man sicherlich eine Ecke weiter, wir schätzen insgesamt 150 bis 170 Kilometer. In unseren Breitengraden ist es aber nun mal über mehrere Monate hinweg kalt. Und als die Grade dann noch weiter sanken und die Regionen um den Gefrierpunkt erreichten, wollte der Honda e schon nach 115 Kilometern wieder an die Steckdose. Selbst für ein Auto, das sich als Zweit- und Stadtwagen sieht, ist ein solcher Aktionsradius arg knapp.

Fahrbericht: Honda e Advance

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Wie er lädt: Den Ladeanschluss hat Honda in die Fronthaube integriert. Eine ebenso elegante wie praktische Lösung, da die meisten Ladestationen frontal angesteuert werden und die Buchse ansonsten bequem von beiden Seiten zugänglich ist. Entriegelt wird die schwarze Abdeckung entweder mithilfe der Fernbedienung des Fahrzeugschlüssels oder einer App (My Honda+).

Kleine Batterie, schnelle Ladezeit: So einfach ist es leider nicht ganz. Denn Wechselstrom (AC) zieht der Honda e nur ein- und nicht dreiphasig. Nominell zwar mit 6,6 kW. Aber: In Deutschland ist einphasiges Laden nur bis maximal 4,6 kW zulässig. Tatsächlich muss der Japaner somit selbst an der 22-kW-Ladestation über acht Stunden lang ausharren, bis sein Akku komplett befüllt ist. Haushaltssteckdose, ja, das geht auch, hier müssen für eine Vollladung allerdings fast 19 Stunden Geduld aufgebracht werden.

Dank eines CCS-Anschlusses ist der Honda e auch fürs Schnellladen von Gleichstrom (DC) gerüstet, maximal 56 kW kann er verarbeiten. Das bedeutet, dass der Akku binnen einer halben Stunde auf 80 Prozent Ladestand gebracht ist. Klingt gut, dürfte für die meisten Nutzer allerdings Theorie bleiben. Denn: Die meisten Turbo-Ladesäulen finden sich entlang der Autobahnen - und somit außerhalb des Einsatzgebiets des Kurzstrecken-Stromers.

Was er verbraucht: Nach Norm 17,8 kWh. Unser Durchschnittsverbrauch lag bei 22,5 kWh. In der Stadt erreichten wir 18,0 kWh, auf der Autobahn schnellte der Stromkonsum schon mal auf 33 kWh.

Was er bietet: Ungemein viel. Aluräder, Assistenzsysteme wie Verkehrszeichenerkennung, Adaptivtempomat, aktiver Spurhalte- und Fernlichtassistent sowie eine Rückfahrkamera sind ebenso serienmäßig wie die digitalen Außenspiegel, das Multimedia-Navi, Sitzheizung, Klimaautomatik und ein Panorama-Glasdach. Das Advance-Paket, das beim stärkeren 154-PS-Modell Standard ist, sieht außerdem Einparkautomatik, Totwinkelassistent, Lenkradheizung, ein 360-Grad-Kamerasystem sowie den digitalen Innenspiegel vor.

Was er kostet: Ab 38.000 Euro – oh weh. Immerhin ist die Innovationsprämie von 9570 Euro abzugsfähig, bleiben also 28.340 Euro. Und wenn das Basismodell mit 136 PS und ohne Advance-Paket reicht – worüber man nachdenken sollte -  fährt der Honda e schon ab 33.850 Euro vor.

Was wir meinen: Der Honda e ist das Designerstück unter den Elektro-Minis. Sein digitales Innenleben erscheint einzigartig. Auf der Straße benimmt er sich ebenso wendig wie lebendig, der hohe Preis erfährt durch die ungewöhnlich umfangreiche Ausstattung Absolution. Was leider etwas den Spaß verdirbt, ist die selbst für ein Stadtauto recht geringe Reichweite.

Ulla Ellmer

Die Daten des Honda e Advance

Leistung 113 kW/154 PS, max. Drehmoment 315 Nm. Batterietyp Lithium-Ionen, Kapazität 35,5 kW/h. Ladeanschluss Typ 2 (bis 6,6 kW) und CCS (bis 56 kW). Spitze 145 km/h, Beschleunigung 0 auf 100 km/h in 8,3 sec. Reichweite WLTP 210 km. Normverbrauch 17,8 kWh/100 km, Testverbrauch 22,5 kWh. CO2-Emission 0 g/km, Schadstoffklasse Elektrofahrzeug, Energie-Effizienzklasse A+. Länge 3,89 m, Breite 1,75 m (inklusive kamerabasierter Außenspiegel), Höhe 1,51 m (inklusive Antenne), Kofferraum 171 -  bis 861 l. Leergewicht 1595 kg, zulässiges Gesamtgewicht 1870 kg, Zuladung 275 kg. Automatisches 1-Gang-Getriebe, Heckantrieb. Versicherungs-Typklassen 13 (KH), 25 (VK), 16 (TK). Preis ab 38.000 Euro.