Fahrbericht: Kia e-Niro 64 kWh

24.11.2020, 08:29 Uhr
Fahrbericht: Kia e-Niro 64 kWh

© Hersteller

Wie er aussieht: Der Kia e-Niro gehört zur populären Gattung der Crossover. Harmonisch proportioniert, muss er sich weder den Vorwurf der Biederkeit gefallen lassen noch jenen, so überfuturistisch daherzukommen wie ein Toyota CH-R, mit dem er größentechnisch – Länge: 4,38 Meter – nahezu gleichauf liegt. Von Anbeginn ist der Niro speziell für elektrifizierte Antriebe entwickelt worden; alternativ zur rein elektrischen Variante sind auch Hybrid-Versionen mit und ohne Stecker erhältlich. Erkenntlich macht sich der pure Stromer unter anderem durch einen geschlossenen Kühlergrill.

Wie er eingerichtet ist: Qualitativ so hochwertig, wie man es von Kia längst gewohnt ist und damit auch erwartet. Die Topversion "Spirit" schmückt sich auf Wunsch mit dekorativen Farbakzenten im Farbton "Electric Blue". Ergänzend zum digitalen Fahrerdisplay übernimmt der bis zu 26 Zentimeter (10,25 Zoll) große Touchscreen die Funktion einer Schaltzentrale und bietet eine schön plakative Split-Screen-Funktion.

Die unter dem Label "UVO Connect" gebündelten Online-Dienste liefern unter anderem Echtzeit-Verkehrsinfos, die Wettervorhersage oder Gefahrenwarnungen und helfen bei der Suche nach Stromtankstellen, wobei auch der verfügbare Ladestandard angezeigt wird. Zudem ist der Ladestand der Batterie via App abzufragen.

Fahrbericht: Kia e-Niro 64 kWh

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Statt des gängigen Automatik-Wahlhebels setzt der e-Niro auf einen runden Drehschalter, daran gewöhnt man sich schnell, eine feine Sache. Bei aller Digitalisierung haben die Kia-Designer auch einer Vielzahl von Schaltern und Tastern das Bleiberecht gewährt, hier wäre weniger mehr gewesen.

Dem Wechsel der Jahreszeiten stellt sich der Kia-Crossover ausstattungsabhängig mit kühlender Sitzventilation oder (im Modell mit 64-kWh-Akku) einer Wärmepumpe: Das System heizt den Innenraum auf, indem es die Abwärme der Klimaanlage und der elektrischen Komponenten nutzt. Das entlastet die Batterie ebenso wie der "Driver Only"-Modus der Air Condition, die dann nur das direkte Umfeld des Fahrers klimatisiert.

Wie viel Platz er hat: Crossover-typisch genug. Die leicht erhöhte Sitzposition unterstützt die gute Rundumsicht, bis auf den rückwärtigen Mittelbänkler fühlen sich alle Passagiere bequem untergebracht. Der Laderaum ist mit 451 bis 1405 Litern Fassungsvermögen für den Großeinkauf oder die elektrische Urlaubsreise gewappnet, in Kauf zu nehmen gilt es allerdings eine verhältnismäßig hohe Ladekante. 

Was ihn antreibt: Beim e-Niro hat der Kunde die Wahl zwischen einer kleinen und einer großen Lösung. Die kleine kombiniert einen 100 kW/136 PS starken Elektromotor mit einer 39,2-kWh-Batterie, in der großen betreiben eine 150-kW/204-PS-Maschine und ein 64-kWh-Akku Teambuilding. Bislang sehen Kias Erfahrungen mit der Käuferklientel so aus, dass sich deren überwiegender Teil für die stärkere Variante entscheidet, die wir somit auch für unseren Fahrbericht gewählt haben.

Wie weit er kommt: Der e-Niro 64 kWh treibt seinem Nutzer das Teufelchen der Reichweitenangst flugs aus. Wer der Normreichweite von bis zu 455 Kilometern (City-Zyklus maximal 615 Kilometer) zunächst misstraut, macht in der Praxis die Erfahrung, dass solche Distanzen vielleicht nicht ganz, aber doch annähernd zu erreichen sind. Sofern auf der Autobahn das "Gaspedal" nicht unternehmungslustig durchgedrückt und Selbstbeschränkung auf etwa 120 km/h geübt wird, muss der Koreaner erst nach 350 bis 400 Kilometern an die Ladesäule. Prädikat: Langstreckentauglich.

Fahrbericht: Kia e-Niro 64 kWh

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Die Technik bietet allerlei Möglichkeiten, dem e-Niro noch ein paar Kilometer mehr abzuluchsen. Beispielsweise durch die Wahl des Fahrmodus (Sport, Normal, Eco, Eco Plus), aber auch durch strategisches Rekuperieren. Während beim Benziner oder Diesel die Schaltpaddles am Lenkrad dazu da sind, sich durch die Fahrstufen der Automatik zu flippern, dienen sie hier dem Ansteuern der drei Rekuperationsstufen. Der höchste Grad ermöglicht das sogenannte "One-Pedal-Driving", bei dem das Fahrzeug vor der Ampel auch ohne Betätigen des Bremspedals zum Stehen kommt. Dies wirkt sich vor allem innerorts segensreich aus, der Bordcomputer hat uns hier eine beruhigende Reichweite von knapp 500 Kilometern signalisiert.   

Wie er lädt: Die Ladebuchsen sitzen an der Wagenfront. Das ist praktisch, erleichtert es doch, den e-Niro direkt vor der Ladestation zu positionieren. Wechelstrom tankt der Koreaner serienmäßig einphasig und bis 7,2 kW, die Komplettladung nimmt 15 Stunden in Anspruch. Eine empfehlenswerte Anschaffung ist der aufpreispflichtige (487 Euro) 3-Phasen-Onboard-Charger für 10,5 kW, mit dessen Hilfe der Lithium-Ionen-Polymer-Akku binnen sieben Stunden von 0 auf 100 Prozent Ladestand gebracht wird. Haushaltssteckdose? Ja, geht auch, dann hängt der e-Niro aber lange 29 Stunden am Strom.

Fahrbericht: Kia e-Niro 64 kWh

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Serienmäßig ist der elektrische Crossover auch fürs Schnellladen von Gleichstrom konzipiert (CCS-Standard), bis 80 kW zieht er an der Turbo-Station und befüllt seinen Akku in einer knappen Stunde von 0 auf 80 Prozent.

So viel zur Theorie. In der Praxis haben wir zum einen die Erfahrung gemacht, dass die zunehmende Populationsdichte an Elektrofahrzeugen beziehungsweise Plug-in-Hybriden (PHEV) für Gedränge an den Ladestationen sorgt. Die vier kostenfreien Säulen vor dem schwedischen Möbelhaus beispielsweise waren allesamt belegt, als wir hoffnungsvoll unseren e-Niro andocken wollten, ungeduldig patroullierten bereits zwei weitere Stromer vor den Stromquellen. An diesen tankten durchweg PHEVs, deren Fahrer entspannt auf ihren Tablets daddelten und ersichtlich nicht einmal den Standardkauf eines Teelichts getätigt hatten. An der vorgeblichen 350-kW-Schnellladesäule von Ionity wiederum (erst unlängst hat sich Kia dem Ladeverbund angeschlossen) konnten wir nur mit 40 kW laden, was sich nach zwanzig Minuten sogar auf 23 kW reduzierte.

Unwägbarkeiten, auf die sich der E-Auto-Fahrer ebenso einstellen muss wie auf teilweise nicht unerhebliche Strompreise, speziell bei Ionity kostet die Kilowattstunde stattliche 77 Cent.

Wie er sich fährt: Leise, mühelos, unangestrengt, antrittsstark. Elektroauto-typisch schiebt der e-Niro schon aus dem Stillstand mit seinem vollen Drehmoment (395 Newtonmeter) an, in 7,8 Sekunden flitzt er von 0 auf 100 km/h, bei 167 km/h setzt die Elektronik einen Schlusspunkt. Gut, dass uns die Verkehrszeichenerkennung mahnend an die Tempolimits erinnert hat, buchstäblich schnell wäre sonst der Führerschein gefährdet gewesen, zumal die elektrischen Kräfte durchaus dazu verleiten, dem ungeduldig drängelnden Hintermann aber mal zackig zu zeigen, was in so einem Stromer steckt.

Durch die Stadt huscht der Korea-Stromer flink und wendig, die leichtgängige Lenkung und die serienmäßige Rückfahrkamera unterstützen bei Rangiermanövern.

Tendenziell ist der Korea-Stromer eher straff abgestimmt, Stöße dürften gern etwas zuvorkommender absorbiert werden.

Was er verbraucht: Nach Norm 15,9 kWh/100 km. Wir haben im Schnitt 18,1 kWh/100 km protokolliert, ein guter Wert.

Fahrbericht: Kia e-Niro 64 kWh

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Was er bietet: Kia offeriert den e-Niro in drei Ausstattungsvarianten, sie heißen Edition 7, Vision und Spirit. Werksseitig bekommt das Basismodell unter anderem Adaptivtempomat mit Stop&Go-Funktion, Spurhalteassistent, Bluetooth-Freisprechen, DAB+-Radio, Frontkollisionswarner mit Fußgängererkennung, Klimaautomatik und die erwähnte Rückfahrkamera mit. Beim Vision-Level sind obendrein Navi, Apple CarPlay und Android Auto, Sitz- und Lenkradheizung, Park- und Regensensoren, Wärmepumpe, Verkehrszeichenerkennung sowie die Online-Dienste UVO Connect Standard.

Das Topmodell Spirit ergänzt dies beispielsweise um Ambientebeleuchtung, LED-Scheinwerfer, induktives Smartphone-Laden, Querverkehr- und Totwinkelwarner sowie ein JBL-Soundsystem.

Grundsätzlich gibt Kia eine 7-Jahres-Herstellergarantie.

Was er kostet: Ab 38.105 Euro (16 Prozent MwSt). Abzugsfähig ist die volle Umweltprämie in Höhe von 9480 Euro. Wer sich mit dem 100-kW-Modell bescheidet, ist ab 34.400 Euro dabei. Die Lieferzeiten betragen aktuell etwa ein halbes Jahr; wer hinsichtlich Farbe und Ausstattung flexibel sei, so heißt es bei Kia, könne auch schon ein paar Wochen früher zum Zuge kommen.

Was wir meinen: Hohe Reichweite, niedriger Verbrauch, üppige Ausstattung, relaxte Fahreigenschaften – der Kia e-Niro leistet wirkungsvolle Überzeugungsarbeit, wenn es um elektrisches Fahren geht. Trotz Subventionen ist sein Preis aber noch immer vergleichsweise hoch – der Niro Hybrid steht bereits ab 26.310 Euro in der Liste.

Ulla Ellmer

 

Die Daten des Kia e-Niro 64 kWh

Leistung 150 kW/204 PS bei 3800 - 8000/min, max. Drehmoment 395 Nm bei 0 - 3600/min. Batterietyp Lithium-Ionen-Polymer, Kapazität 64 kW/h, Ladeanschluss Typ 2 (einphasig bis 7,2 kW, optional dreiphasig bis 10,5 kW) und CCS (bis 80 kW).  Spitze 167 km/h, Beschleunigung 0 auf 100 km/h in 7,8 sec. Normverbrauch 15,9 kWh/100 km, Testverbrauch 18,1 kWh/100 km. Reichweite Norm max. 455 km Mix, 615 km Citymodus. CO2-Emission 0 g/km, Schadstoffklasse Elektrofahrzeug, Energie-Effizienzklasse A+. Länge 4,38 m, Breite 1,81 m, Höhe 1,56 m, Gepäckraum 451 - 1405 l, Leergewicht 1812 kg, zulässiges Gesamtgewicht 2230 kg, Zuladung 418 kg, Anhängerlast keine Anhängezugvorrichtung erlaubt. Reduktionsgetriebe, Frontantrieb. Versicherungs-Typklassen 20 (KH), 24 (VK), 20 (TK). Preis ab 38.105 Euro (16 Prozent MwSt).