Fahrbericht: Mercedes GLB 200

25.8.2020, 15:35 Uhr
Fahrbericht: Mercedes GLB 200

© Hersteller

Wie er aussieht: Stattlich. Kaum zu glauben, dass unter der 4,63 Meter langen, 1,83 breiten und 1,66 Meter hohen Karosserie die gleiche Plattform steckt, die auch A- und B-Klasse nutzen. Mit 2,83 Metern bietet der GLB denn auch ganze zehn Zentimeter mehr Radstand als der B-Mercedes. Seine SUV-Identität versucht der GLB gar nicht erst schamhaft mit einem soften Crossover-Outfit zu kaschieren, selbstbewusst steht er zu ihr. Schließlich weiß Mercedes, was seine Kunden wollen, jedes dritte Modell mit Stern ist inzwischen ein SUV. Die muskulöse Geradlinigkeit mit klassisch steilem Heck, kurzen Überhängen und einer prägnanten Front steht dem GLB gut, sie vermittelt Eigenständigkeit und Charakter, beides Merkmale, die im boomenden Kompakt-SUV-Segment zunehmend verloren gehen.

Wie er eingerichtet ist: Einsteigen, Platz nehmen und wohlfühlen. Alles im GLB vermittelt eine Attitüde von Luxus und Premium. Bei ihrem Tun sind die Innenarchitekten sehr stilsicher vorgegangen, nur ob man das etwas martialisch aussehende Lüftungsdüsen-Trio mag, ist letztlich Geschmackssache. Das Widescreen-Cockpit, bei dem das digitale Kombiinstrument und der Infotainment-Bildschirm zu einer optischen Edel-Einheit mit brillanter Darstellung verschmelzen, kennt man bereits aus der A- und B-Klasse. Standard sind im GLB zwei 7-Zoll-Screens, optional gibt es die noch opulentere 2 x 10,25-Zoll-Lösung.

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Wie er mit sich umgehen lässt: Sowohl das digitale Kombiinstrument als auch der Touchscreen lassen sich geradezu schwindlig konfigurieren. Einerseits beeindrucken solch vielfältige digitale Möglichkeiten. Andererseits können die Bildschirme für den Kunden aber auch zu Problemzonen werden – weil er nicht mehr durchblickt und kapituliert oder, noch schlimmer, in die Ablenkungsfalle gerät. Tatsächlich muss man sich auch ins digitale Innenleben des GLB erst einmal einarbeiten, man sollte sich Zeit dazu nehmen und keinesfalls während der Fahrt auf Erkundungstour durchs Infotainment gehen.

Mercedes hat freilich viel Gedankengut darin investiert, das System über die MBUX-Bedienstruktur (Mercedes-Benz User Experience) zu ordnen und intuitiv zugänglich zu machen. Vieles geht im GLB über den Touchscreen, aber das ist nicht alles. Auch etliche Direkttaster bieten Zugriff auf die essenziellen Funktionen, die Lautstärke lässt sich über ein schickes Rädchen am Lenkrad verstellen, für den Beifahrer gibt es ein separates. Außerdem erfolgt der Umgang mit den multimedialen Welten und denen der Fahrzeugfunktionen über die beiden kleinen Mini-Sensortasten am Volant, das Touchpad auf der Mittelkonsole, optional auch per Gestensteuerung und via frei formuliertem Sprachbefehl. Die Aufmerksamkeit des GLB bekommt der Fahrer dabei auf den Zuruf "Hey Mercedes" und darf dann buchstäblich mit hohem Verständnis rechnen.  

Wie viel Platz er hat: Dass SUVs den ehedem so beliebten Großraumlimousinen das Wasser abgegraben haben, ist nichts Neues. Der GLB betreibt hinsichtlich des großzügigen Platzangebots und der Variabilität besonders cleveren Ideenklau bei den Vans. Bereits die hohe Sitzposition auf komfortablem Gestühl ist was für alle, die gern den Überblick behalten. Vor allem aber: Auf Wunsch (1288 Euro) lässt sich eine dritte, wegklappbare Sitzreihe mit zwei zusätzlichen Einzelsitzen ordern, konzipiert für Personen bis zu 1,68 Metern Körpergröße. Wie wohl sie sich ganz hinten fühlen, konnten wir nicht ausprobieren, unser Testwagen hatte es bei Fünfsitzigkeit belassen.

Die Lehne des Mobiliars in Reihe zwei wiederum ist im Verhältnis 40:20:40 teil- und umklappbar sowie siebenstufig in der Neigung verstellbar. Außerdem kann die Sitzbank um 14 Zentimeter längs verschoben werden, nur leider nicht serienmäßig, sondern gegen ein Aufgeld von 418 Euro.

Auch der klappbare Beifahrersitz (174 Euro) und die elektrische Heckklappe (452 Euro) kosten extra.

Eine Spitzenposition im Segment nimmt der GLB mit seinem Kofferraumvolumen von 570 bis 1805 Litern ein. Praktisch: Das Rollo zur Abdeckung lässt sich unter dem Ladeboden verstauen.

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Was ihn antreibt: SUV und Diesel – diese Kombination ist längst nicht mehr in Stein gemeißelt. Gern darf es inzwischen auch ein Benziner sein. Der 120 kW/163 PS starke Vierzylinder, der im GLB 200 Dienst tut, beschert gegenüber dem 110 kW/150 PS-Selbstzünder im GLB 200d immerhin eine Ersparnis von knapp 1500 Euro. Dafür lässt es sich lange tanken.

Das gemeinschaftlich mit Renault entwickelte Triebwerk beschränkt sich auf 1,33 Liter Hubraum, fährt bereits bei 1620 Touren ein maximales Drehmoment von 250 Newtonmetern auf und führt eine weitgehend harmonische Ehe mit dem serienmäßigen 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, das sanft, schnell und passgenau zwischen den Gängen wechselt.

Ob dem GLB-Fahrer das aufgebotene Leistungspotenzial reicht, hängt vom Anforderungsprofil ab. Ja, sportlich ambitionierte Naturen werden womöglich murren. Und sicher, das DCT könnte ein bisschen mehr Muntermacher für den Turbo spielen. Dennoch empfanden wir den GLB 200 als völlig ausreichend motorisiert, 207 km/h sind allemal eine adäquate Reisegeschwindigkeit.

Akustisch hält sich der GLB weitgehend zurück, nur bei energischem Tritt aufs Gaspedal verliert er sein an sich ruhiges und gelassenes Wesen, um in eine unmutiger angestrengte Tonlage zu verfallen.

Wie er sich fährt: Bestens. Die Fahrwerksabstimmung ist ebenso perfekt gelungen wie das feinfühlige und präzise Ansprechverhalten der Lenkung. Souverän meistert der GLB Schlaglöcher und Querfugen, sensibel federt er an und beherrscht kunstfertig den Spagat zwischen Langstreckenkomfort einerseits und - wenn es denn wirklich einmal sein soll – einem gewissen Maß agiler Sportlichkeit andererseits.

Fahrbericht: Mercedes GLB 200

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Während das Technikpaket (neben größeren, gelochten Bremsscheiben, Multibeam-LEDs sowie Keyless-Go bietet es auch verstellbare Dämpfer) 3468 Euro kostet, ist der Dynamic-Select-Schalter zur Fahrmodusauswahl serienmäßig. Über ihn lassen sich vier Fahrprogramme (Eco, Comfort, Sport, Individual) ansteuern. Wir haben "Comfort" zu unserem bevorzugten Modus erkoren, das Gebaren in "Sport" war uns zu straff.

Das Personal der Fahrassistenten könnte nicht umfangreicher ein, praktisch komplett sind sie im Fahrassistenz-Paket (1786 Euro) gebündelt. Optional fährt der GLB beispielsweise in bestimmten Situationen teilautomatisiert, wobei er – Zug am Blinker – auch selbstständig die Fahrspur wechselt. Der aktive Spurhalte-Assistent hat uns allerdings einige Male eine Schrecksekunde beschert, indem er schon bei Annäherung an eine Fahrbahnlinie Unheil witterte und eine einseitige Bremsung samt Straffung des Sicherheitsgurts vollzog.   

Allradantrieb gibt es für den GLB 200 nicht.

Was er verbraucht: Nach Norm 6,2 bis 6,0 l/100 km. Mit viel Disziplin und Selbstbeschränkung schafften wir es auf unserer Sparrunde, einen Wert von 4,4 l/100 km zu erreichen. Das ist, zugegebenermaßen, in der Praxis unrealistisch. Im normalen Fahrbetrieb kamen wir auf einen Schnitt von 7,8 l/100 km.

Der GLB 200 ist bereits nach Euro 6d eingestuft.

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Was er bietet: Serienmäßig unter anderem 17-Zoll-Leichtmetallräder, Multifunktionslenkrad mit Touch-Control-Buttons, Touchpad zur Infotainment-Bedienung, MBUX-Multimediasystem mit zwei 7-Zoll-Displays, Digitalradio, Einzonen-Klimaautomatik, adaptiven Fernlicht-Assistent zum Fahren mit Dauerfernlicht, Regensensor, aktiven Spurhalte-, Brems-, Geschwindigkeitslimit- und Verkehrszeichenassistent sowie Dynamic-Select-Fahrmodusauswahl.

Aber ach, was lässt sich da noch alles aufrüsten. Das fängt schon damit an, dass der GLB ab Werk nur Halogen-Scheinwerfer mitbringt, LEDs kosten 963 Euro, das fabelhafte adaptive Multibeam-LED-Licht 1450 Euro. Auch Sitzheizung (336 Euro) und die längs verstellbaren Fondsitze (418 Euro) müssen extra bezahlt werden. Wer seinen GLB mit MBUX-Highend-Paket (3463 Euro), Parkpaket mit Parkautomatik und 360-Grad-Kamera (1554 Euro), Head-up-Display (saftige 1148 Euro), Fahrassistenz-Paket (1786 Euro), dem bereits erwähnten Technik-Paket (3648 Euro), Leder (1612 Euro) und einem Burmester-Soundsystem (841 Euro) kultivieren möchte, muss insgesamt sehr, sehr tief in die Tasche greifen – und hat damit natürlich noch lange nicht alle Extras abgedeckt.

Was er kostet: Ab 37.537,60 Euro.

Was wir meinen: Premium-Ambiente, tolles und bestens bedienbares Multimediasystem, viel und vor allem variabler Platz, dazu ein exzellentes Fahrwerk – der Mercedes GLB verdient jede Menge Lob. Als GLB 200 ist er ausreichend und tolerabel verbrauchsökonomisch motorisiert. Der Preis ist freilich heftig. Gerade Familien müssen ein dickes Auto-Budget im Rücken haben – oder auf einen Lottogewinn hoffen.

Ulla Ellmer

Die Daten des Mercedes GLB 200

Hubraum 1332 ccm, Zylinder 4, Leistung 120 kW/163 PS bei 5500/min, max. Drehmoment 250 Nm bei 1620 - 4000/min, Spitze 207 km/h, Beschleunigung 0 auf 100 km/h in 9,1 sec, Normverbrauch 6,2 – 6,0 l S pro 100 km, Testverbrauch 7,8 l/100 km, CO2-Emission 142 - 137 g/km, Schadstoffklasse Euro 6d, Energie-Effizienzklasse B, Länge 4,63 m, Breite 1,83 m, Höhe 1,66 m, Kofferraum 570 - 1805 l, Kraftstoff-Tank 52 l, Leergewicht 1555 kg, zulässiges Gesamtgewicht 2085 kg, Zuladung 530 kg, Anhängelast 750 kg (gebremst), 1800 kg (ungebremst). 7-G-DCT Doppelkupplungsgetriebe, Frontantrieb. Versicherungs-Typklassen 18 (KH), 23 (TK), 24 (VK). Preis ab 37.537,60 Euro.