Fahrbericht: Nissan Leaf e+

5.6.2020, 18:49 Uhr
Fahrbericht: Nissan Leaf e+

© Hersteller

Wie er aussieht: Konzeptionell ist der Leaf ein fünftüriger  Kompaktwagen, dessen Maße ihn als vollwertiges Familienauto ausweisen. Mit 4,49 Metern Länge streckt er sich um ganze 21 Zentimeter über den VW Golf hinaus. Seinen ungewöhnlichen Antrieb macht der Leaf nicht durch eine spacige Optik kenntlich, designtechnisch bleibt er eher unauffällig.

Wie er eingerichtet ist: Solide, wobei Nissan bei der Materialauswahl auf einen hohen Hartplastik-Anteil zurückgegriffen hat. In der Mittelkonsole sitzt der obligatorische Touchscreen, und dass es noch etliche Direkttaster und Schalter gibt, kann dem Leaf bedientechnisch als Positivum angerechnet werden, andererseits fügt sich die Vielfalt zu einem etwas überfrachteten Gesamtbild.

Ein ungewöhnliches Detail ist der runde und – ein bisschen futuristisch darf's denn doch sein – blau beleuchtete Drehregler für die Automatik. Eher mäßigen Komfort vermitteln die Sitze, zudem fällt die Sitzposition seltsam hoch aus - während unseres zweiwöchigen Beisammenseins mit dem Leaf e+ wollte es nicht gelingen, uns optimal einzurichten.

Fahrbericht: Nissan Leaf e+

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Wie viel Platz er hat: Eingeengt wird sich keiner fühlen im fünfsitzigen Leaf, das Platzangebot ist so gut, wie es die Außenabmessungen erwarten lassen. Der Kofferraum lässt sich durch Umklappen der im Verhältnis 60:40 geteilten Rücksitzlehne von 420 auf bis zu 1176 Liter erweitern. Beim Beladen hat uns aber die Stufe gestört, über die das Frachtgut gehievt werden muss. Und ebenso der Subwoofer des Bose-Soundsystems, der hinter der Rücksitzlehne sitzt und einigen Platz einnimmt.

Was ihn antreibt: Ein Elektromotor mit 160 kW/217 PS Maximalleistung, den ein Lithium-Ionen-Akku der Kapazität 62 kWh mit Energie versorgt. Reichlich Leistung also, die den Leaf e+ in typischer Elektroauto-Manier ebenso ansatzlos wie zügig davonzoomen lässt. Macht schon Spaß. Nur flinke 6,9 Sekunden nimmt der Standardsprint von 0 auf 100 km/h in Anspruch, beim Ampelstart hat so mancher Sportwagen das Nachsehen, und auch Überholvorgänge meistert der Leaf elektrisch-energisch. Mehr als 157 km/h sind nicht drin, aber dauerhaft mit Topspeed über die Autobahn zu powern ist mit einem E-Auto – Stichwort Reichweite – ohnedies kein sinnvolles Unterfangen.

Wie weit er kommt: Nach Norm 385 Kilometer, innerstädtisch lautet das Nissan-Versprechen sogar auf 528 Kilometer. Schon theoretisch tun sich also Unterschiede auf, und auch in der Praxis hängt die Reichweite vom Streckenprofil,  von der Fahrweise und der Außentemperatur ab. Der Bordcomputer stellte uns zunächst gut 400 Kilometer in Aussicht, so weit gekommen sind wir in der Praxis allerdings nicht. Im alltagsüblichen Mix aus Stadtverkehr, Landstraße und Autobahn (in diesem Fall mit 100 bis bestenfalls 130 km/h befahren) brachten wir es auf etwa 340 Kilometer.

Fahrbericht: Nissan Leaf e+

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Wie allen Elektroautos kommt auch dem Leaf der Stadtverkehr zupass. Hier kann er effektiv Bremsenergie zurückgewinnen, der Stromverbrauch sinkt auf gut 12 kWh, was rein rechnerisch 517 Kilometer Strecke ergäbe. Allerdings ist das mit dem Rekuperieren so eine Sache: Beim Druck auf die "e-Pedal"-Taste in der Mittelkonsole wird die höchste Rekuperationsstufe aktiviert, was dazu führt, dass der Leaf beim Lupfen des Fußes vom Fahrpedal überaus stark bremst und ziemlich unmittelbar zum Stehen kommt. Daran konnten wir uns nicht so recht gewöhnen und waren lieber ohne e-Pedal und mit normaler Rekuperationsleistung unterwegs.

Wie er lädt: Wer auf ein Elektroauto umsteigt, benötigt eine Wallbox. Das ist auch beim Nissan Leaf nicht anders. Bis er, nahezu leergefahren, an der einfachen Haushaltssteckdose (2,3 kW, 10 Ampere) zu voller Akkuladung erstarkt, vergehen in der Praxis etwa 30 Stunden. Aber auch an der Wallbox beziehungsweise üblichen Ladesäule macht der Leaf vergleichsweise langsam. Das liegt daran, dass er nur einphasig mit 6,6 kW laden kann. Ein Lapsus, denn die gängigen 11 oder gar 22 kW schöpft er so nicht aus, fast zehn Stunden vergehen foglich bis zum Erreichen der vollen Ladekapazität.

Und auch bei der eigentlich vorhandenen Befähigung zum 50-kW Gleichstrom-Schnellladen (20 auf 80 Prozent in etwa eineinhalb Stunden) gilt es Abstriche zu machen. Grund: Der Leaf nutzt nicht das inzwischen verbreitete CCS-System, sondern benötigt eine der Chademo-Ladestation, von denen es nicht so viele gibt. Immerhin hilft das Navi bei der Suche nach Lademöglichkeiten weiter und bietet dabei auch Filter wie Steckertyp, Schnellladen oder Zahlungsmöglichkeiten an.

Fahrbericht: Nissan Leaf e+

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Wie er sich fährt: Elektroautos erziehen zu entspannter Fahrweise. Auch der Leaf e+ will eher Cruiser denn Sportler sein, mit schnellem Kurvenslalom ist er überfordert. Umso angebrachter wäre es, wenn der Japaner geschmeidiger abrollen würde, harte Stöße reicht er wenig höflich weiter. Vielerlei Assistenzsysteme unterstützen den Fahrer, im Rahmen des serienmäßigen "ProPilot"-Pakets beispielsweise der Stauassistent mit Stop & Go-Funktion und der Lenkassistent für selbstständiges Spurhalten. Andere gute digitale Geister überwachen das Tun am Steuer, ihr Piep-Konzert erschien uns aber von inflationärer Intensität.

Was er verbraucht: Im Schnitt 17,8 kWh Strom.

Was er bietet: Eine ganze Menge. 17-Zoll-Leichtmetallfelgen, Wärmepumpe, Multimediasystem mit Navi, Digitalradio, Apple CarPlay und Android Auto, Klimaautomatik, Rückfahrkamera, einen adaptiven Geschwindigkeits- und Abstandsassistenten, Querverkehrswarner, einen Totwinkel-Assistenten und Verkehrszeichenerkennung beispielsweise. Das Topmodell "Tekna Option" bietet mit Sitz-, Lenkrad- und Außenspiegel-Heizung (Winterpaket), LED-Scheinwerfern, 360-Grad-Monitor, Bose-Soundsystem und Veloursledersitzen nahezu Vollausstattung.

Was er kostet: Zum 1. Mai hat Nissan die Preise für den Leaf gesenkt. Ab 38.200 Euro kostet der Leaf e+ jetzt, davon lassen sich – Herstelleranteil inklusive – nach neuestem Stand 9000 Euro Förderprämie abziehen.

Was wir meinen: Der Nissan Leaf e+ ist ein ausgereiftes Elektroauto mit gutem Platzangebot, alltagstauglicher Reichweite und üppiger Ausstattung. Defizite bestehen ausgerechnet beim essentiellen Punkt des Ladens. Wer weniger ausgeben möchte und sich mit geringerer Reichweite (nominell 285 km) zufriedengibt, kann als Alternative den beträchtlich günstigeren einfachen Leaf mit 110 kW/150 PS und 40-kWh-Akku wählen, der als wohlausgestattetes Basismodell "Visia Option" ab 29.990 Euro in der Preisliste steht.

Ulla Ellmer

Die Daten des Nissan Leaf e+

Leistung 160 kW/217 PS bei 4600 - 5800/min, max. Drehmoment 340 Nm bei 0 - 4600/min, Spitze 157 km/h, Beschleunigung 0 auf 100 km/h in 6,9 sec. Batterietyp Lithium-Ionen, Kapazität 64 kW/h, Ladeanschluss Typ 2 (bis 6,6 kW) und Chademo (50 kW). Normverbrauch 18,5 kWh/100 km, Testverbrauch 17,8 kWh. Reichweite Norm 528 km städtisch, 385 km kombiniert. CO2-Emission 0 g/km, Schadstoffklasse Elektrofahrzeug, Energie-Effizienzklasse A+. Länge 4,49 m, Breite 1,79 m (ohne Außenspiegel), 2,03 m (mit Außenspiegeln), Höhe 1,55 m, Kofferraum 385/420 -  bis 1176 l, Leergewicht 1705 kg, zulässiges Gesamtgewicht 2140 kg, Zuladung 450 kg, Automatik, Frontantrieb. Versicherungs-Typklassen 17 (KH), 21 (VK), 18 (TK). Preis ab 38.200 Euro.