Mercedes unter Strom

5.9.2018, 06:39 Uhr
Mercedes unter Strom

© Hersteller

Tesla beherrscht das Metier der Elektromobilität schon seit 2012, auch Jaguar – Stichwort I-Pace – ist bereits so weit. Jetzt ziehen endlich die deutschen Premiumhersteller nach. Audi steht unmittelbar vor der Premiere des e-tron, VW lanciert demnächst den ersten I.Q., BMW schickt den iNext ins Rennen. Und für Mercedes begibt sich der EQC auf Tesla-Jagd. EQ steht dabei für "Electric Intelligence", das C spezifiziert – analog zur konventionellen Mercedes-Modellpalette – die Klassenzugehörigkeit.

Als Crossover bewegt sich der EQC also in den Regionen eines GLC, zu dem er auch einen gewissen Verwandtschaftsgrad pflegt. Es sei nur logisch, die elektrische Technologie zunächst in die Karosserie eines SUVs zu verpacken, sagt Entwicklungschef Ola Källenius. Die Batterien lassen sich gut im Unterboden verbauen, und die Beliebtheit der Fahrzeuggattung erhöht die Chancen für einen erfolgreichen Start des neuen Modells.

Stilistisch keine Überraschung

Jene "bislang unbekannte Schönheit", die Elektroantrieb laut Mercedes designtechnisch möglich, entfaltet sich indes nicht wirklich mit Wucht. Als der 4,76 Meter lange EQC bei seiner Weltpremiere im Stockholmer Kunstmuseum Artipelag auf die Bühne rollt, anmoderiert vom gewohnt lässig gekleideten Daimler-Chef Dieter Zetsche, erweist er sich als verhältnismäßig konventionell gezeichnetes SUV-Coupé, sehr clean in der Linienführung, mit geschlossenem Kühlergrill und großer "Black Panel"-Fläche an der Front. Eine Lichtleiste stellt die optische Verbindung zwischen den Scheinwerfern her, und blaue Streifen in der Lichtsignatur und an den Felgen dokumentieren die Zugehörigkeit zur EQ-Familie.

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Auch im fahrerorientierten Cockpit wartet keine große Überraschung. Die Breitbildlandschaft des von konventionellen Bedienelementen weitgehend befreiten, elegant reduzierten Widescreen-Cockpits mit dem MBUX-Multimediasystem aus der A-Klasse kennt man so ähnlich bereits aus anderen Mercedes-Modellen. Keine Sensation also, aber durchaus eine Augenweide. Und erweitert um diverse EQ-spezifische Inhalte wie Reichweite, Ladezustand und Energiefluss.

Über 450 Kilometer Reichweite

Was Kunden, die sich an ein Elektroauto heranwagen, primär wissen wollen, ist freilich: Wie weit kommt der Stromer denn nun mit einer Akkuladung? Nach NEFZ über 450 Kilometer, sagt Mercedes, vergisst aber nicht zu erwähnen, dass widrige Parameter wie große Hitze oder Kälte beziehungsweise eine forcierte Fahrweise an der Reichweite knabbern. Umgekehrt ist vorausschauende Fahrweise dem Aktionsradius zuträglich, hier unterstützen fünf Fahrprogramme, diverse Assistenzsysteme sowie Funktionen wie Segeln und Rekuperation. Letztere kann der Fahrer über Schaltpaddles am Lenkrad beeinflussen.

 

Herzstück der Technologie ist eine Lithium-Ionen-Batterie mit 80 kWh Energieinhalt, die von der Deutschen Accumotive – einem Daimler-Unternehmen – produziert wird. An der Haushaltssteckdose zu laden ist im Falle solch großer Batterien keine gute Idee, es dürfte im Falle des EQC gut 30 Stunden dauern, bis der Ladevorgang abgeschlossen ist. Empfehlenswert scheint die Anschaffung einer 11-kW-Wallbox zum Laden mit Wechselstrom (AC), hier sind etwa neun Stunden eine realistische Perspektive. Die optimale Lösung stellt eine Gleichstrom–Ladestation (DC) mit 110 kW dar, an der sich die Ladezeit (zehn bis 80 Prozent) auf 40 Minuten beschränkt. Allerdings sind solche Turbo-Ladesäulen noch kaum zu finden. In aller Regel bieten DC-Stromtankstellen derzeit 50 kW auf. Die deutschen Automobilhersteller und Ford arbeiten aber bereits an einem flächendeckenden Netz von Ladepunkten (Ionity), die bis zu 350 kW leisten können. Induktives, also kabelloses Laden, beherrscht der EQC nicht, diese Technologie sei schlicht noch nicht zufriedenstellend ausgereift, wie Entwicklungschef Källenius sagt.

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Für seinen neuen Mercedes-Stromer hat Mercedes ein komplett neues Antriebssystem entwickelt, mit je einem elektrischen Antriebsstrang (eATS) an Vorder- und Hinterachse, was also Allradantrieb generiert. Zusammen bringen es die Elektromotoren auf 300 kW/408 PS und ein maximales Drehmoment von 765 Nm. Von 0 auf 100 km/h sprintet der EQC in 5,1 Sekunden, die Topspeed wurde zum Wohle der Reichweite auf 180 km/h begrenzt.

Bestellannahme ab Anfang 2019

Bestellbar ist das elektrische und in Bremen produzierte Mercedes-SUV noch nicht, erst Anfang 2019 sollen interessierte Kunden ordern können. Die Markteinführung erfolgt dann Mitte kommenden Jahres. Über Preise schweigen sich die Schwaben bislang aus. Orientiert man sich aber am Jaguar I-Pace oder am Audi e-tron, erscheinen 70.000 bis 80.000 Euro realistisch. Auch Alternativen zum konventionellen Besitz seien sehr wahrscheinlich, erklärt Marketingchef Jörg Heinermann; All-Inclusive-Pakete á la Mercedes "Flexperience"  beispielsweise, die gegen eine monatliche Abo-Gebühr auch Posten wie Versicherung, Wartung, Reparaturen oder die regelmäßige Wagenwäsche abdecken.

Der EQC fährt als erster Vertreter einer kompletten Produktfamilie voraus. Bis 2022 sollen zehn Elektromodelle die gängigsten Marktsegmente vom Kleinstwagen (Smart) bis hin zur Luxuslimousine abdecken.

Ulla Ellmer

Mercedes EQC in Kürze:

Wann er kommt: Mitte 2019

Wen er ins Visier nimmt: Audi e-tron, Jaguar I-Pace, Tesla Model X

Was ihn antreibt: Elektromotoren mit 300 kW/407 PS

Was er kostet: Vermutlich 70.000 bis 80.000 Euro

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