SUV ist nicht gleich SUV

23.9.2019, 11:17 Uhr
SUV ist nicht gleich SUV

© Hersteller

Ist eine Fahrzeuggattung jemals zu einem solchen Feindbild deklariert worden wie die SUVs? Als Klimakiller gelten die weltweit zu großer Beliebtheit gelangten Trendautos schon lange. Doch seit dem entsetzlichen Unfall unter Beteiligung eines Porsche Macan, dem am 6. September in Berlin vier Menschen zum Opfer gefallen sind, haftet den SUVs außerdem der Ruch von Gefährdern an.

Gemäß Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) haben SUVs im August einen Anteil von 22 Prozent an den deutschen Neuzulassungen erreicht und sind somit erstmals zur erfolgreichsten Auto-Spezies avanciert. Daraus kann freilich nicht die Schlussfolgerung abgeleitet werden, dass sich plötzlich ein Fünftel der Autokäufer einen Porsche Cayenne für 80.000 Euro und mehr leisten kann. Der Erfolg der SUVs hat vielmehr damit zu tun, dass es sie inzwischen auch in klein und kompakt gibt, ohne schwergewichtigen Allradantrieb und mit bescheidener Motorisierung – keine "panzerähnlichen Autos" also, von denen der Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, Stephan Dassel (Grüne) nach dem Unfall sprach.

Einliter-Dreizylinder unter der Haube

Beispiel Seat Arona: Das kleine SUV aus dem Volkswagen-Konzern basiert auf der Plattform des VW Polo, ist mit 4,14 Metern nur neun Zentimeter länger und mit 1180 kg lediglich 35 kg schwerer. Zwei der drei angebotenen Benzinmotoren sind Einliter-Dreizylinder, selbst die Leistungsstufe mit 85 kW (115 PS) gibt sich nach WLTP mit 6,0 bis 5,7 l/100 km zufrieden.

Von einem herkömmlichen Kleinwagen unterscheidet sich der Arona nur durch seinen höheren Aufbau und die erhabenere Sitzposition, die bekanntermaßen vor allem ältere Zielgruppen zu schätzen wissen. Das Vergleichsportal Verivox hat ermittelt, dass SUVs am häufigsten von Männern im Alter von 60 bis 79 Jahren gefahren werden, ursächlich seien offensichtlich der bequeme Einstieg und die gute Übersicht.

Pkw mit Offroad-Carakter

Überhaupt hilft ein Blick darauf, was ein SUV per definitionem eigentlich ist. Ausformuliert steht der Begriff für "Sports Utility Vehicle", was übersetzt in etwa "sportliches Nutzfahrzeug" bedeutet. Tatsächlich sind damit keine Geländewagen gemeint, sondern laut KBA "Pkw mit Offroad-Charakter", wobei dieser oftmals nur optischer Art ist. Kompakte Vertreter der Spezies sind beispielsweise Audi Q3, BMW X3 oder Nissan Qashqai. Die eigentlichen Geländewagen werden in der KBA-Statistik separat geführt. "Die meisten SUVs, 70 bis 80 Prozent, sind Mittelklasse-, Kompakt- und Kleinwagengrößenfahrzeuge" sagt Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Institut der Uni Duisburg-Essen. 

Natürlich ist es höchst diskussionswürdig, mit einer 4,92 Meter langen und 2,2 Tonnen schweren Allrad-Wuchtbrumme wie dem Porsche Cayenne durch die Stadt zu pflügen oder die Kids vor der Schule abzuliefern. Andererseits: Der Sympathieträger VW "Bulli" T6 Multivan misst auch 4,90 Meter in der Länge und bringt es auf knapp 2,2 Tonnen Gewicht, ein Familienvan wie der Renault Espace ist 4,86 Meter lang und immerhin 1,8 Tonnen schwer. Wo also eine faire Grenze ziehen, wenn es um Verbote für SUVs geht, wie sie inzwischen diskutiert werden? Eine schwierige Frage.

Nicht exponiert in der Unfallstatistik

In der Unfallbilanz nehmen SUVs keine exponierte Rolle als Gefährder ein. Laut Statistischem Bundesamt sind sie zusammen mit Geländewagen für ca. zwei bis dreieinhalb Prozent der Unfälle verantwortlich, bei Unfällen mit Personenschäden liegt die entsprechende Zahl bei drei bis fünf Prozent. Stellt man diesen Zahlen den Anteil am gesamten Fahrzeugbestand gegenüber – zu Jahresbeginn 2019 waren es 6,7 Prozent SUVs und 5,1 Prozent Geländewagen -, ist also eher von einer unterdurchschnittlichen Beteiligung am Unfallgeschehen zu sprechen. Auch das Vergleichsportal Verivox hat nach Auswertung der Haftpflichtschäden eine "leicht unterdurchschnittliche Schadenbilanz" der SUV-Fahrer fünf Prozent ermittelt, sie liege bei fünf Prozent.

Auch Fachleute sprechen sich dagegen aus, speziell die SUVs als grundsätzlich gefährlich zu klassifizieren. "Wir müssen uns darauf einigen, dass wir besonders große, besonders schwere Autos meinen", sagte Unfallforscher Siegfried Brockmann vom Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (UDV) unlängst in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Groß und schwer – das sind die kleinen und kompakten unter den SUVs eher nicht, etliche Kleinbusse und Vans aber durchaus.

Schwere Elektroautos

Übrigens: Die Schwere eines Aufpralls ergibt sich physikalisch aus dem Produkt aus Geschwindigkeit und Masse. Dies wiederum rückt die neue Generation von Elektroautos ins Blickfeld, die ihre hohen Reichweiten aus großen und somit schweren Batteriepacks bezieht. Die Luxuslimousine Tesla Model S beispielsweise wiegt 2108 Kilo, ein Audi e-tron sogar 2565 Kilo – auch mit Nicht-Klimakillern ist im Falle eines Unfalls nicht zu spaßen.

Ulla Ellmer

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