VW ID.4: Der elektrische Tiguan

12.12.2020, 19:04 Uhr
VW ID.4: Der elektrische Tiguan

© Hersteller

Bei VW drückt man kräftig aufs Tempo - rein elektrisch, versteht sich. Schon startet das zweite, ausschließlich batterieelektrisch angetriebene Serienfahrzeug aus Wolfsburg: Der 4,58 Meter lange ID.4 ist ein Kompakt-SUV, das wie der kompakte ID.3 auf dem modularen Elektro-Baukasten (MEB) des Konzerns basiert. Die "First Edition"-Versionen werden bereits ausgeliefert, weitere acht Varianten folgen ab Februar. Erst später, voraussichtlich im zweiten Quartal kommenden Jahres, kann der Kunde das Basismodell "Pure" für 36.950 Euro in Empfang nehmen, bestellbar ist es schon jetzt.

Aber jetzt steht der ID.4 "First Edition" vor uns - im auffälligen Farbton "Honey Yellow Metallic". Wir steigen ein in den 4,58 Meter langen Stromer und sind überrascht von den großzügigen Raumverhältnissen. Gefühlt entsprechen sie denen, die man eine Fahrzeugklasse höher vorfindet, mit großem Glasdach wirkt der ID.4 innen noch geräumiger.

Angenehm ausgeformte Sitze laden zum Platznehmen mit gutem Gewissen ein, denn Lederbezüge gibt es hier nicht mehr - das Tierwohl lässt grüßen.

Augmented Reality hilft beim Abbiegen

Darüber hinaus lässt sich vieles ordern, was den ID.4 noch besser und damit teurer macht. Das Head-up-Display beispielsweise, das optional eine Augmented-Reality-Darstellung bietet, was bedeutet, dass die Abbiegepfeile scheinbar auf der Straße liegen.

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Aber jetzt erst mal gestartet. Okay, der Startknopf versteckt sich ein bisschen hinter dem Lenkradkranz. Der "Satellit" - oder Kippknubbel - dahinter dagegen funktioniert super. Er dient als Automatikhebel für die Fahrstufen "D" (Vorwärtsfahrt), "B" (stärkere Brensenergierückgewinnung) und "R" (Rückwärts). Dass das Manövrieren bestens gelingt, liegt auch am 10,2 Meter kleinen Wendekreis. 

Schon schnurrt der ID.4 fast unhörbar los. Doch halt: Erst gilt es noch das Navigationsziel auf dem großen Touchscreen einzustellen, Klimaeinstellungen vorzunehmen und vielleicht einen Assistenten zu- oder abzuschalten. Bislang war man es gewöhnt, solche Schritte auch während der Fahrt vornehmen zu können. Aber das Bedienkonzept im ID.4 mit seinen punktgenauen Touch-Eingaben kann ablenken und zu gefährlichen Situationen führen. Immerhin können wir auf enger Landstraße den Spurassistenten ausschalten, weil er uns übereifrig sozusagen ins Lenkrad zu greifen versucht, wenn wir zu nah an den Fahrbahnrand oder an die Mittelmarkierung kommen.  

Sliden wie beim iPad

Besagte Aktion gelingt schließlich über das Menü "Assist". Über "Mode" wiederum stellt man die Fahrprogramme "Eco", "Comfort", "Sport" und "Individual" ein, das klappt. Maßstäbe oder Darstellungen der Karte zu ändern, das geht offenbar nur über den Touchscreen durch iPad-gleiches Ziehen mit den Fingern. Weitere Ebenen finden sich unter "Clima" und im "P-Menü", Letzteres vermittelt ein Kamerabild vom Umfeld des Fahrzeugs. Lichteinstellungen und Scheibenbeheizung verstecken sich nicht in den Menüs, sondern sind mithilfe von Tasten links vom Lenkrad leicht zu bedienen.

Positiv fällt auf, dass die Material- und Verarbeitungsqualität jetzt wesentlich besser ist als in den seinerzeit getesteten ersten ID.3-Exemplaren.

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Doch jetzt kommt der Fahrspaß: Der ID.4 mit der Top-Kombination aus 77-kWh-Batterie und 150 kW/204 PS starkem Elektromotor tritt gewaltig an. Sofern gewünscht, schnellt die Tachonadel in 8,7 Sekunden von null auf Tempo 100. Der Durchzug aus dem Stand und auch bei Zwischensprints entspricht dem, was Fahrer und Fahrerinnen von E-Autos so lieben. Die Spitze ist bei 160 km/h abgeregelt. Okay, einen Tesla kann man damit nicht schocken, aber vernünftig ist das Limit schon bei einem Stromer. Dennoch wird es gewiss Leute geben, die es aushebeln, indem sie den Chip wechseln.

Klar, dass der Antrieb an sich vorbildlich leise und vibrationsfrei läuft, aber auch die Fahrgeräusche bleiben trotz der Winterbereifung beim ID.4 auf sehr niedrigem Niveau. Serienmäßig sind 18-Zoll-Räder, aber auch Größen bis 21 Zoll lassen sich ordern.

Komfortabel unterwegs

Als komfortabel, aber gleichzeitig kaum wahrnehmbar straff erweist sich die Fahrwerksabstimmung. Kurven steckt das 2,1 Tonnen-Auto genauso gut weg wie schlechte Strecken mit unebenem oder gar brüchigem Asphalt. Apropos Gewicht: Der E-Motor wiegt knapp 90 Kilo, die kleineren Batterien 360 Kilo, die große 493 Kilo.

Das Navigationssystem "Discover Plus" und die Online-Dienste "We Connect Start" sind bei allen acht Modellen serienmäßig. "We Charge" ermöglicht mittels App oder Karte das Laden an über 150.000 europäischen Ladepunkten sowie an der (vernetzten) heimischen Wallbox. Updates von Assistenzsystemen - zum Beispiel des "Travel-Assist" - lassen sich auch nach dem Kauf noch "over the air" ins Auto holen.

VW ID.4: Der elektrische Tiguan

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Bestens motorisiert geht es über Bundes- und Nebenstraßen im nördlichen Niedersachsen, auch ein Autobahnabschnitt ist dabei. Der Hecktriebler erfüllt alle Anforderungen souverän und gelassen. Wem die gebotene Leistung nicht ausreicht: Bei der Rückgabe des Fahrzeugs erfahren wir, dass eine sportliche ID.4-Variante mit Allradantrieb geplant ist.

Schleppt auch einen Anhänger

Vier Erwachsene fühlen sich im Elektro-SUV bequem untergebracht, besser noch als in dem von den Außenabmessungen her ähnlich dimensionierten VW Tiguan. Alternativ passen bei der jungen Familie bis zu drei Kindersitze auf die Rücksitze. Und der variable Gepäckraum fasst 543 bis 1575 Liter. Selbst auf einen Anhänger muss der Elektro-Mobile nicht verzichten: 1000 Kilo darf der ID.4 bei 12 Prozent Steigung auf den Haken nehmen, dem Dach lassen sich bis zu 75 Kilo aufbürden.  

Laden an der Turbosäule

Entlang der Fernstrecken lässt sich die große 77-kWh-Batterie an der Gleichstrom-Schnellladesäule mit 125 kW laden (CCS-Standard), in dreißig Minuten ist Strom für weitere 320 Kilometer zugetankt. Wechselstrom zieht der ID.4 dreiphasig und mit bis zu 11 kW.

Die Reichweite wird insgesamt mit bis zu 520 Kilometern (WLTP-Zyklus) angegeben, der Stromverbrauch mit 17,7 kWh.

VW ID.4: Der elektrische Tiguan

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Wer aufs Geld schaut und mit weniger Reichweite (340 Kilometer) zufrieden ist, begnügt sich bei den vorkonfigurierten acht Modellen auf die beiden, die in der Ausstattungsstufe "Pure" oder "City" vorfahren und eine kleinere 52 kWh-Batterie mit einem Elektromotor kombinieren, der wahlweise 109 kW/148 PS oder 125 kW/170 PS leistet. Die Preise für den ID.4 "Pure" werden – wir haben es bereits erwähnt – bei 36.950 Euro beginnen.

Innovationsprämie abzugsfähig

Für den von uns gefahrenen ID.4 mit 204-PS-Elektromotor verlangt VW ab 47.020 Euro (19 Prozent MwSt), zu diesem Preis gibt es die Ausstattungsstufe "Life". Darüber angesiedelt finden sich "Business" (ab 51.005 Euro) und "Family" (ab 52.205 Euro). Abzugsfähig ist bei allen Modellen die Innovationsprämie in Höhe von 9000 Euro netto. 

Laut VW liegen für die neue Baureihe bereits rund 20.000 Vorbestellungen vor, damit sind Lieferzeiten von einigen Monaten vorprogrammiert. Der ID.4 wird in Zwickau, China und den USA gefertigt und – anders als der ID.3 – weltweit vermarktet.

Ingo Reuss    

VW ID.4 in Kürze:

Wann er kommt: Ist bereits bestellbar, erste Auslieferungen noch 2020

Wen er ins Visier nimmt: Skoda Enyaq iV, Audi Q4 e-tron, Lexus UXe, Mazda MX-30, die künftigen Tesla Model Y oder Nissan Ariya

Was ihn antreibt: Elektromotor mit 109 kW/148 PS oder 125 kW/170 PS, kombiniert mit einer 52-kWh-Batterie. Elektromotor mit 150 kW/204 PS, kombiniert mit einer 77-kWh-Batterie

Was er kostet: Ab 36.950 Euro

Was noch kommt: Allradgetriebenes Topmodell mit 225 kW/306 PS