Digitalisierung mit Hindernissen

13.11.2020, 05:54 Uhr
Digitalisierung mit Hindernissen

© Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Alle Schulen bräuchten schnelles Internet und kompatible Rechner, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich. Die Corona-Krise habe gezeigt, was "alles noch nicht funktioniert". Bis heute, mehr als sechs Monate später, sind jedoch viele Einrichtungen noch immer nicht ausreichend ausgestattet. Was besonders dringend fehlt, ist stabiles und schnelles WLAN. Und Personal.

"Wir brauchen It-Fachwissen", sagt Christian Wagner. Er ist Rektor an der Grundschule in Pleinfeld. 230 Schüler werden dort unterrichtet. In der Zeit der Schließung gingen die Mädchen und Jungen tageweise zur Schule. Das hatte den Vorteil, dass sie "dranbleiben mussten" und an ihrem Homeschooling-Tag die Hausaufgaben erledigen sollten, die sie tags zuvor bekommen hatten. Ein Konzept, das sich bewährt habe, so Wagner.

Sollte mit dem zweiten Lockdown auch wieder eine Einteilung der Klassen in Gruppen kommen, "sind wir sicher nicht schlecht aufgestellt", überlegt der Pädagoge. Sachaufwandsträger der Grundschule Pleinfeld ist die Martkgemeinde. Diese koordiniere die Verteilung der angeforderten Leihgeräte, die meist eine Mischung aus Tablet und Laptop sind und ohne hohe bürokratische Hürden angeschafft wurden.

Aber wer überprüft die Geräte, wartet sie und spielt Updates auf? Im Kollegium der Pleinfelder Grundschule gebe es einen Lehrer, der sich damit befassen könne, aber dafür nur eine Unterrichtsstunde in der Woche zur Verfügung habe, so Wagner. Ein Unding angesichts von 230 Schülern.

Am Gymnasium in Windsbach gibt es einen It-Spezialisten, der sich um die Geräte der Schüler und Lehrer kümmern könnte. Erst seit zwei Wochen gibt es für ihn aber noch mehr zu tun. Die neuen Geräte, angeschafft mit Mitteln aus dem "DigitalPakt Schule", wurden zwar vor den Sommerferien bestellt, die Lieferung verzögerte sich aber bis Mitte Oktober. Die Geräte kamen aus Asien. "Viele Notebooks und Tablets werden bei uns nicht benötigt", sagt der stellvertretende Schulleiter Alexander Höhn. Während des Lockdowns habe die Schule eine Abfrage gestartet, erzählt er. Von 800 Schülern hätten nur 40 Bedarf angemeldet. Exakt diese 40 Geräte befinden sich nun im Schulbesitz und könnten ausgegeben werden.

Aber Höhn macht für seine Schule ein ähnliches Problem aus wie die Grundschule in Pleinfeld: die ausreichende fachliche Betreuung des Digitalisierungsprozesses. Ohne Fachpersonal sei dieser nicht oder nur schwer zu stemmen, sagt er.

Außerdem fehle in Windsbach – wie in vielen ländlichen Regionen – schnelles Internet und ein stabiles WLAN. Bis Ende des Jahres rechnet die Schule mit einem Glasfaser-Anschluss. Momentan liegt die Übertragungsrate bei mickrigen 16 Megabit. Bis Ende des Jahres sind es noch zwei Monate. Und der zweite Lockdown ist: jetzt.

Unterricht via Smartphone

"In meiner Klasse läuft es wirklich gut", sagt Marco Grimm. Er unterrichtet an der Mittelschule Insel Schütt in Nürnberg eine neunte Klasse. Dort mussten die Schüler bereits die Feuertaufe bestehen. Kaum war der Unterricht nach den Sommerferien gestartet, musste er schon wieder auf das heimische Kinderzimmer verlegt werden. Ein Corona-Fall zwang zur erneuten Schließung. "Wir waren schon vor der Pandemie gut aufgestellt", sagt Grimm, der im Schulalltag Beamer, Whiteboard und eine Dokumentenkamera nutzt. Der Fernunterricht via "Zoom" war für seine Schüler daher kein Problem. Als Endgerät nutzten sie zum Teil ihre Smartphones.

Grimm erstellte Tutorials, die er unter anderem auf YouTube hochgeladen hat und installierte täglich eine Online-Sprechstunde. Außerdem bekam jede Klasse eine eigene E-Mail-Adresse. "Unser Anspruch war von Anfang an, den Unterricht aufrechtzuerhalten und sicherzustellen, dass jeder Zugang zum Lernstoff hat", sagt Grimm. Im Oktober wurden zudem 100 Ipads geliefert. Damit kann die Schule ein Drittel ihrer Schüler ausstatten, wenn Notwendigkeit besteht.

Individueller Rahmen

Eines hat die Corona-Krise gezeigt: Wie gut Schüler während des Lockdowns im Frühjahr unterrichtet wurden, war von Schule zu Schule unterschiedlich und lag am individuellen Status Quo. Während manche Kinder jeden Tag mit Material versorgt wurden, bekamen andere einmal pro Woche Hausaufgaben auf. "Jedem ist seit Corona klar, dass wir in Sache Digitalisierung besser werden müssen. Jede Schulart ist unterschiedlich ausgestattet, da müssen wir auf einen gleichen Nenner kommen, sodass alle gleichermaßen eine Chance haben", sagt Alexander Höhn, stellvertretender Schulleiter des Windsbacher Gymnasiums.

Das Kultusministerium schreibt in einer Stellungnahme, dass die digitale Bildung als "schulart-und fächerübergreifendes Bildungs-und Erziehungsziel im LehrplanPLUS fest verankert und damit verpflichtender Bestandteil des Unterrichts an allen bayerischen Schulen ist". Lehrer würden geschult: "Bereits zum Abfragedatum 17. August 2020 waren für das gesamte Kalenderjahr 2020 schon über 3000 Fortbildungen zum Thema ,Digitale Bildung‘ durchgeführt oder noch vorgesehen."

Und eigene Administratoren? Fachpersonal? Das Kultusministerium hat eine zentrale Koordinationsstelle eingerichtet. In sogenannten eSessions soll die Stabsstelle "das fachliche Wissen und die Expertise der Akademiereferentinnen und -referenten für alle bayerischen Lehrkräfte ortsunabhängig erschließen". Wie genau das aussehen soll, bleibt abzuwarten.

Abzuwarten bleibt auch, wann alle Schulen vollständig mit Endgeräten ausgestattet sein werden. Und ob das dem digitalen Wandel in den Klassenzimmern einen Schub verleiht.

Im DigitalPakt Schule wurde im Sommer ein zusätzliches "Sonderbudget Leihgeräte" im Umfang von 77,8 Millionen Euro eingerichtet. Schulen beziehungsweise deren Aufwandsträger können damit Laptops und Tablets zum Ausleihen anschaffen. "Für die Erziehungsberechtigten entstehen über den Verleih der mobilen Endgeräte durch die Schule keine zusätzlichen Kosten", so das Kultusministerium.

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