Wenn die Spanischlehrerin gerettet werden muss

26.3.2016, 15:07 Uhr
Wenn die Spanischlehrerin gerettet werden muss

© Foto: KUS-Projekt

"Ich habe keine Lust mehr - Neptun hasst mich!", ertönt es mal wieder auf der Thor. Unsere Geografielehrerin Marta flucht: Sie wurde wie schon so oft von einer Welle erwischt. "Och Biene Marta, mach dir nichts draus!", lacht einer ihrer Schüler über sie. Wie dieses Beispiel zeigt, ist das Lehrer-Schüler-Verhältnis auf der Thor etwas ganz Besonderes.

Das gemeinsame Rumalbern am Frühstückstisch und die Ankündigung, dass der "schreckliche" Geschichtstest nun gleich geschrieben wird, folgen in weniger als fünf Minuten aufeinander. Dabei verläuft der Unterricht ziemlich anders als im grauen Deutschland. Der Mathelehrer erklärt nicht nur die Eigenschaften der Sinuskurve, sondern ist auch ein Familienmitglied, mit dem man gemeinsam die Toiletten putzt oder das man aufbaut, wenn es zu Anfang der Seeetappe mal wieder über der Reling hängt.

Genau dieses lockere Verhältnis gefällt unseren Lehrern, weil der Unterricht sich nicht wie Unterrichten anfühlt, sondern eher wie Beibringen. "Wir kennen einander in allen Lebenslagen, können uns gegenseitig einschätzen und vertrauen, es gibt keine Barriere zwischen Lehrer und Schüler", sagt unser Mathelehrer.

Während unserer Kleingruppenexkursion in Kuba bemerkten wir die Freundschaft untereinander ganz besonders. Die Lehrer konnten sich ausnahmsweise einmal zurücklehnen, denn wir Schüler kümmerten uns um die Unterkunft, den Transport, das Essen und die Planung. Nur wenn manche Kubaner unfreundlich wurden, hat unsere Spanischlehrerin dann doch eingegriffen. Schimpfen hatten wir nämlich noch nicht im Unterricht gelernt.

Vom Schüler zum Kapitän

Generell wird uns Schülern während der Reise sehr viel Verantwortung überlassen und Freiraum gegeben. Wir dürfen sogar das ganze Schiff übernehmen. Dabei schlüpfen wir in die Rolle des Segelstamms und müssen unsere geliebte Thor nur mit Hilfe astronomischer Navigation unter anderem sicher zu den Bermudas bringen. Alle Erwachsenen an Bord nehmen sich in dieser Woche zurück und greifen nur im äußersten Notfall ein. Für unsere Lehrer ist das allerdings kein Problem, da wir Schüler mittlerweile genauso viel über das Segeln wissen wie sie.

Wenn die Spanischlehrerin gerettet werden muss

Wenn sie gerade nicht durch übers Deck spülende Wellen tropfnass sind, fallen die Lehrer immer mit ihrer guten Laune auf, auch wenn die Reise für sie alles andere als Urlaub ist. Denn hier an Bord müssen sie nicht nur Tests korrigieren und den Unterricht vorbereiten, sondern auch noch Wache gehen und ebenfalls in der Kombüse helfen. Auf unsere Frage, ob diese Aufgaben sehr anstrengend seien, kam von unserer Spanischlehrerin nur der Kommentar: "Oha!" Und das, obwohl die meisten Lehrer ihren Unterricht bereits während des Sommers vor der Reise vorbereitet haben. Dennoch ist auch für die Erwachsenen die KUS-Reise ein einziges Highlight, so dass es ihnen schwerfällt, sich auf einen Höhepunkt festzulegen.

Für uns sind die Lehrer aber nicht einfach nur Lehrer. Die meisten von ihnen haben zusätzliche Sonderaufträge zu erledigen. So ist Marta "nebenbei" Proviantmeisterin und somit die Königin der Unterkojenwelt, während unsere Deutschlehrerin die Öffentlichkeitsarbeit betreut und unser Mathelehrer außerdem Systembeauftragter ist. Vor allem für Marta war das eine große Herausforderung, denn die Verproviantierung auf Teneriffa für die Atlantiküberquerung war eine logistische Meisterleistung. Das haben wir soeben wieder festgestellt, als die kleinsten Mädchen an Bord in die Unterunterkoje geschickt wurden, um die zuvor verstauten Mehlsäcke wieder herauszuholen. Da wurde wirklich meisterhaft Tetris gespielt.

Seemansgarn steht auf dem Stundenplan

Hinzu kommt, dass wir Schüler hier nicht nur regulären Unterricht haben, sondern die Lehrer auch Wahlpflichtfächer und Projekte anbieten. Dieser Artikel wird gerade in der Schreibwerkstatt "KUS-Kurier" verfasst. Alle, die an den Sagen der Seefahrt interessiert sind, können "Seemannsgarn" belegen. "Kulthor und Meer" ist für die Künstler und Musiker unter uns. Und die Gruppe "Kulinarische Weltreise" verwöhnt uns regelmäßig mit ganz besonderen Leckereien.

Während der letzten Monate ist uns dieser verrückte Haufen an Lehrern wahnsinnig ans Herz gewachsen. Wir müssen ihnen auch mal aus der Patsche helfen, wenn beispielsweise unsere Spanischlehrerin ihre mexikanischen Verehrer nicht mehr loswird. Was würden wir nur ohne unseren Teddybären Frank, die fleißige Biene Marta oder Thomas tun, der bei jeder Gelegenheit seinen Papp-Säbel und die Piratenverkleidung herausholt, um "Arrr, Meuterei!" zu rufen?

Das wird eine Umstellung, wenn wir unsere Lehrer zu Hause auf einmal wieder siezen müssen, nachdem wir auf dieser Reise mit den jetzigen durch dick und dünn gegangen sind und alle schönen Erlebnisse und schwierigen Situationen geteilt haben. Egal, ob es nun die Seekrankheit oder chronischer Schlafmangel war, haben wir zusammengehalten. Genau das ist es wahrscheinlich, was junge Lehrer dazu motiviert, bei KUS teilzunehmen. Denn hier wird den Schülern so viel mehr vermittelt als nur Zahlen und Fakten.

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