Kommentar: Der Sog der Bilder in der Flüchtlingskrise

30.8.2016, 06:00 Uhr
Es war ein Sog der Bilder und Nachrichten aus Deutschland, der viele Flüchtlinge anlockte. (Symbolbild)

© Filip Singer/Archiv (dpa) Es war ein Sog der Bilder und Nachrichten aus Deutschland, der viele Flüchtlinge anlockte. (Symbolbild)

Es zeigte sich: Mit dem Smartphone und in den sozialen Netzwerken lässt sich ein Stück weit Politik gestalten. Es werden aber auch sehr rasch und sehr intensiv Prozesse in Gang gesetzt, die dann nur noch schwer zu beeinflussen oder gar rückgängig zu machen sind.

Das erste Signal kam schon vor Merkels "Wir schaffen das“: Am 25. August setzte das Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Tweet ab, der sich verbreitete wie ein Lauffeuer. So las sich das, was das Bamf damals twitterte: "Dublin-Verfahren syrischer Staatsangehöriger werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt von uns weitestgehend faktisch nicht weiter verfolgt." Das war de facto die Aussetzung der europäischen Asylrechts-Regelung, wonach derjenige EU-Staat für ein Asylverfahren zuständig ist, in dem ein Flüchtling ankommt - und eine Art Freifahrtschein für Syrer nach Deutschland. Viele machten sich darauf auf den Weg, die Begeisterung für Deutschland und seine Kanzlerin Merkel wuchs über Nacht.

Es war ein Sog der Bilder und Nachrichten aus Deutschland, der binnen Minuten Millionen von Menschen erreichte - im vom Bürgerkrieg geplagten Syrien, aber auch in vielen anderen Krisenregionen dieser Welt. Menschen machten sich auf den Weg nach Europa und vor allem nach Deutschland, weil bei ihnen per Facebook, Whatsapp oder Twitter die Botschaft angekommen war, dass sie kommen könnten - verstärkt durch die üblichen Gerüchte, was da angeblich alles in Merkel-Land an Annehmlichkeiten auf sie warte: Haus, Arbeit, Geld.

Die Selfies, die Flüchtlinge dann mit "Mutter Merkel" in Deutschland machten, verstärkten diesen Trend noch einmal. Wiederum weltweit: Dass vor allem Syrer hier quasi ohne Prüfung erst einmal als Flüchtling anerkannt würden, das sprach sich herum. Mit der Folge, dass Tausende aus anderen Nationen ihre Pässe vernichteten und sich auf der Flucht einfach als Syrer ausgaben.

Das Internet sei, so lautet ein anderes berühmtes Zitat von Angela Merkel, "Neuland". In der Tat: Was sich mit Botschaften und Bildern im Netz an- und ausrichten lässt, das hat ihre Regierung vor einem Jahr offenbar dramatisch unterschätzt - mit gewaltigen Folgen.

Alexander Jungkunz (Nürnberger Nachrichten)


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