Das alte Haimendorf

Adel, Sprachpflege und Kidnapping: 500 Jahre zwischen Wolkersdorf und Moritzberg

29.10.2021, 11:01 Uhr
Ansicht von Schloss Wolkersdorf aus dem Jahre 1753.   

© Archiv: Schöler Ansicht von Schloss Wolkersdorf aus dem Jahre 1753.  

Unsere Geschichte beginnt – im einstigen Kloster Gnadenberg bei Altdorf. Die von 1489 bis 1509 amtierende Äbtissin Barbara Fürer, Schwester von Sigmund Fürer, dem damals letzten männlichen Namensträger der Nürnberger Patrizier-Familie, war von ihrer ratlosen Mutter gebeten worden, den von den Frauen Nürnbergs umschwärmten, aber heiratsunwilligen Sohn endlich zur Räson zu rufen. Nach sieben geharnischten Briefen der Äbtissin an ihren Bruder „Leichtfuß“ willigte Sigmund doch in eine Eheschließung ein und wurde – zur Freude der Familie – sogar ein mustergültiger Ehemann und Familienvater.

Stammsitz der Familie Fürer

Seine zweite Ehefrau, Anna Tucher, brachte 1476 den Adelssitz Haimendorf am Moritzberg (östlich von Nürnberg) mit in die Ehe. Er ist bis heute beispielhaft gepflegter Stammsitz der Familie Fürer von Haimendorf, die um 1500 zu den bedeutendsten Montan-Unternehmern Nürnbergs gehörte, sogar mit europaweiten Handelsbeziehungen.

Dazu passte der Familienname: Denn der mittelhochdeutsche Ausdruck „fuerer“ beschrieb ihre ursprüngliche Tätigkeit als Leiter und Organisatoren der bis zu 70 Fuhrwerke umfassenden Handelszüge, beladen mit unterschiedlichsten Waren europäischer Kaufleute.

Nürnberger Regierungschefs

Christoph (VII.) Fürer von Haimendorf erwarb sich große Verdienste um die Bewirtschaftung von Schloss und Gut Wolkersdorf, einschließlich der vorbildlich kultivierten Gärten und Obstpflanzungen sowie in der Teichwirtschaft.

Christoph (VII.) Fürer von Haimendorf erwarb sich große Verdienste um die Bewirtschaftung von Schloss und Gut Wolkersdorf, einschließlich der vorbildlich kultivierten Gärten und Obstpflanzungen sowie in der Teichwirtschaft. © Archiv: Schöler

Mehrmals stellten die Fürer von Haimendorf in der Reichsstadt Nürnberg Ratsherren und "Vorderste Losunger", also quasi Regierungschefs und damit oberste Sachwalter der Finanzen. Im 16./17. Jahrhundert zogen sich die Fürer allerdings mehr und mehr aus dem internationalen Handel und dem Betrieb von Saigerhütten (in denen aus Erzen Kupfer und Silber herausgeschmolzen wurden) in Thüringen zurück, lehnten aber die Geldanlage in spekulativen Kreditgeschäften ab und bevorzugten dafür den Kauf von Landsitzen samt landwirtschaftlicher Nutzung.

Ober- und Unterwolkersdorf gekauft

So erwarb Christoph (IV.) Fürer von Haimendorf 1630 – also mitten im Dreißigjährigen Krieg – den Herrensitz Oberwolkersdorf samt allen zugehörigen Gütern und zwei Jahre später vom Kloster Ebrach den Ort Unterwolkersdorf. Nach den Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg kaufte Christoph Fürer in Schwabach 2000 Mauersteine für den Wiederaufbau des Schlosses.

Aber erst seiner Schwiegertochter Helena Barbara Fürer von Haimendorf, geborene Pfinzing von Henfenfeld, die als Witwe 55 Jahre in Wolkersdorf verbrachte, gelang 1672/73 unter hohem Kostenaufwand die Vollendung des Schlossgebäudes.

Erinnerungsmedaille

Zur Erinnerung an sie und ihre große Leistung wurde bereits 1674 eine Silbermedaille geschaffen, die auf der Vorderseite ihr Porträt (in Witwentracht) zeigt und auf der Rückseite Schloss Wolkersdorf, über dem ein Engel schwebt, der in der linken Hand das Fürer-Wappen hält.

Ihr Enkel Christoph (VII.) Fürer von Haimendorf (1663-1732) erwarb sich große Verdienste um die Bewirtschaftung von Schloss und Gut Wolkersdorf, einschließlich der vorbildlich kultivierten Gärten und Obstpflanzungen sowie in der Teichwirtschaft. Er zählt bis heute zu den bedeutendsten Persönlichkeiten in der Fürer-Familiengeschichte.

Diplomat und Dichter

Denn er amtierte nicht nur sieben Jahre lang als Vorderster Losunger der Reichsstadt, sondern auch als Kastellan der Nürnberger Burg und Kurator der Nürnberger Universität Altdorf; er war gefragter Diplomat und Geheimer Rat der Fürstenhäuser Braunschweig-Wolfenbüttel und Pfalz-Sulzbach sowie des Kurfürsten von Mainz und führte obendrein den stolzen Titel „Kaiserlicher wirklicher Rat“. Er machte sich sogar als Dichter und Übersetzer in der Zeit von Barock und Aufklärung einen großen Namen, so übertrug er zum Beispiel die Werke von Pierre Corneille und Torquato Tasso in die deutsche Sprache.

Präses des Pegnesischen Blumenordens

Diese Silbermedaille von 1674 erinnert an Helena Barbara Fürer von Haimendorf, geborene Pfinzing von Henfenfeld. Sie vollendete den Wiederaufbau des Schlosses Wolkersdorf.

Diese Silbermedaille von 1674 erinnert an Helena Barbara Fürer von Haimendorf, geborene Pfinzing von Henfenfeld. Sie vollendete den Wiederaufbau des Schlosses Wolkersdorf. © Archiv: Schöler

Die Mitglieder des 1644 vom Nürnberger Patrizier Philipp Harsdörfer gegründeten Pegnesischen Blumenordens, der sich nach der sprachlichen Verwahrlosung im Dreißigjährigen Krieg um die Wiederbelebung der deutschen Sprache bemühte, wählten den hochgebildeten und allseits geschätzten „Herrn Christoph Fürer von Haimendorf auf Wolkersdorf “ 1709 zu ihrem Präses. Er gab dieser Sprachgesellschaft, die innerhalb der eigenen Reihen keine Standesunterschiede kannte, neue Impulse und erwartete von jedem Mitglied aktive Mitarbeit und nicht passives „Dabeisein“.

"Lästerschrift" mit Folgen

Ausgerechnet diese hochangesehene Persönlichkeit musste am eigenen Leibe erfahren, wozu die wiederholten Feindseligkeiten zwischen den benachbarten Staaten Markgraftum Brandenburg-Ansbach und Reichsstadt Nürnberg führen konnten: Diesmal hatte sich der markgräfliche Archivar Dr. Stahl darin gefallen, eine üble „Lästerschrift“ gegen die Reichsstadt Nürnberg zu verfassen, worauf der Nürnberger Rat ihn bei günstiger Gelegenheit überfallen ließ und in Nürnberg einsperrte.

Verschleppt nach Gunzenhausen

Als die Nürnberger die Ansbacher Forderung nach sofortiger Freilassung Stahls ablehnten, rächten sich die Markgräfler, indem sie am 11. September 1711 dem ahnungslosen Nürnberger Ratsherrn Christoph Fürer nördlich von Schloss Wolkersdorf „bei der Brücke von Lohhof“, quasi an der Grenze der beiden Nachbarstaaten, auflauerten, ihn gefangen nahmen und über Schwabach nach Gunzenhausen verschleppten.

Erst nach einem schriftlichen Donnerwetter des Kaisers, der Ankündigung einer Geldstrafe und der Mitteilung, dass Fürer schließlich zur Nürnberger Kron-Gesandtschaft gehören würde, die für die bevorstehende Kaiserkrönung die Reichsinsignien von Nürnberg nach Frankfurt zu bringen habe, wurde Christoph Fürer nach insgesamt 72 Tagen freigelassen. Viele Jahre später ist es der populären Ansbacher Markgräfin-Witwe Christiane Charlotte gelungen, die verhärteten Fronten zwischen Nürnberg und Ansbach auf gütlichem Wege abzubauen.

Heute beliebtes Ausflugsziel

Der Stammsitz der Fürer von Haimendorf zählt heute nach dem Urteil von Fachleuten „zu den besterhaltenen Renaissance-Herrenhäusern Frankens“; dazu gehören die zauberhafte Moritzbergkapelle und das historische, vielbesuchte Gasthaus in Rockenbrunn.

Oberwolkersdorf wiederum ist bis 1843 im Besitz der Familie Fürer von Haimendorf geblieben und Unterwolkersdorf bis 1855, so der Schwabacher Heimatforscher Heinrich Schlüpfinger. Erst 1960 erhielt der vormalige „Limbacher Weg“ zwischen der Wolkersdorfer Hauptstraße und dem Ort Limbach den Namen „Haimendorfstraße“.

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